Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_373.001 O glückseliger Greis, hier zwischen vertraulichen Bächen pgo_373.021 pgo_373.028Und an heiligen Quellen erfrischt dich schattige Kühlung, pgo_373.022 Wo der Zaun hinab an benachbarter Grenze des Feldes pgo_373.023 Stets hybläische Bienen in Weidenblüthe bewirthet, pgo_373.024 Wiegt ein leises Gesummse Dich oft in gemächlichen Schlummer: pgo_373.025 Hier am hangenden Fels singt hoch in die Lüfte der Winzer, pgo_373.026 Während indeß dein Liebling, die heitere Taube des Waldes, pgo_373.027 Rastlos girrt, und die Turtel vom lustigen Wipfel der Ulme. (Nach Voß.) pgo_373.029 pgo_373.001 O glückseliger Greis, hier zwischen vertraulichen Bächen pgo_373.021 pgo_373.028Und an heiligen Quellen erfrischt dich schattige Kühlung, pgo_373.022 Wo der Zaun hinab an benachbarter Grenze des Feldes pgo_373.023 Stets hybläische Bienen in Weidenblüthe bewirthet, pgo_373.024 Wiegt ein leises Gesummse Dich oft in gemächlichen Schlummer: pgo_373.025 Hier am hangenden Fels singt hoch in die Lüfte der Winzer, pgo_373.026 Während indeß dein Liebling, die heitere Taube des Waldes, pgo_373.027 Rastlos girrt, und die Turtel vom lustigen Wipfel der Ulme. 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So <lb n="pgo_373.006"/> hat <hi rendition="#g">Voß</hi> in seiner „<hi rendition="#g">Louise,</hi>“ einer von frischer und gesunder Landluft <lb n="pgo_373.007"/> durchwehten norddeutschen Jdylle, die Poesie eines ländlichen Pfarrhauses <lb n="pgo_373.008"/> dargestellt — hier fehlt nicht die Zeitung und der kunstvoll bereitete Kaffee <lb n="pgo_373.009"/> und die geistliche Weisheit, doch bleiben die Zustände einfach, nur angeflogen <lb n="pgo_373.010"/> von der Kultur. Noch kunstvoller läßt <hi rendition="#g">Goethe</hi> in seinem idyllischen <lb n="pgo_373.011"/> Musterepos: „<hi rendition="#g">Hermann und Dorothea</hi>“ nur Naturelemente <lb n="pgo_373.012"/> walten, frische Rheinluft und selbstgezogenen Rheinwein; aber der <lb n="pgo_373.013"/> Pfarrer und Apotheker sind, trotz ihrer gelehrten Bildung, echte Helden <lb n="pgo_373.014"/> der Jdylle. <hi rendition="#g">Jean Paul's</hi> Schulmeister <hi rendition="#g">Wuz</hi> und <hi rendition="#g">Fibel</hi> können für <lb n="pgo_373.015"/> Muster solcher Helden gelten. Der landschaftliche Hintergrund ist schon <lb n="pgo_373.016"/> von <hi rendition="#g">Theokrit</hi> und <hi rendition="#g">Virgil</hi> mit Meisterschaft dargestellt worden. Der <lb n="pgo_373.017"/> frische, freie Duft, der über der Landschaft schwebt, gehört mit zum Zauber <lb n="pgo_373.018"/> der Jdylle; doch bleibt die Landschaft nicht todte Scenerie, sie hat Beziehung <lb n="pgo_373.019"/> auf den Menschen. So z. 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beschränken, um so mehr, als dies Thema durch die Pegnitzschäferdichtungen pgo_373.002
und Geßner bis zu widerwärtiger Unnatur ausgebeutet worden ist; pgo_373.003
alle einfachen Lebensverhältnisse sind einer idyllischen Behandlung fähig, pgo_373.004
und selbst die geistige Bildung ist nicht ausgeschlossen, sobald sie nur als pgo_373.005
fest, konservativ, fertig auftritt, ohne Kampf, Gährung, Zerrissenheit. So pgo_373.006
hat Voß in seiner „Louise,“ einer von frischer und gesunder Landluft pgo_373.007
durchwehten norddeutschen Jdylle, die Poesie eines ländlichen Pfarrhauses pgo_373.008
dargestellt — hier fehlt nicht die Zeitung und der kunstvoll bereitete Kaffee pgo_373.009
und die geistliche Weisheit, doch bleiben die Zustände einfach, nur angeflogen pgo_373.010
von der Kultur. Noch kunstvoller läßt Goethe in seinem idyllischen pgo_373.011
Musterepos: „Hermann und Dorothea“ nur Naturelemente pgo_373.012
walten, frische Rheinluft und selbstgezogenen Rheinwein; aber der pgo_373.013
Pfarrer und Apotheker sind, trotz ihrer gelehrten Bildung, echte Helden pgo_373.014
der Jdylle. Jean Paul's Schulmeister Wuz und Fibel können für pgo_373.015
Muster solcher Helden gelten. Der landschaftliche Hintergrund ist schon pgo_373.016
von Theokrit und Virgil mit Meisterschaft dargestellt worden. Der pgo_373.017
frische, freie Duft, der über der Landschaft schwebt, gehört mit zum Zauber pgo_373.018
der Jdylle; doch bleibt die Landschaft nicht todte Scenerie, sie hat Beziehung pgo_373.019
auf den Menschen. So z. B. in Virgil's erster Ekloge:
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O glückseliger Greis, hier zwischen vertraulichen Bächen pgo_373.021
Und an heiligen Quellen erfrischt dich schattige Kühlung, pgo_373.022
Wo der Zaun hinab an benachbarter Grenze des Feldes pgo_373.023
Stets hybläische Bienen in Weidenblüthe bewirthet, pgo_373.024
Wiegt ein leises Gesummse Dich oft in gemächlichen Schlummer: pgo_373.025
Hier am hangenden Fels singt hoch in die Lüfte der Winzer, pgo_373.026
Während indeß dein Liebling, die heitere Taube des Waldes, pgo_373.027
Rastlos girrt, und die Turtel vom lustigen Wipfel der Ulme.
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(Nach Voß.)
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Die Naturumgebung bei Voß ist eine bäuerliche Feld- und Gartenprosa; pgo_373.030
bei Geßner sind es gemalte Koulissen ohne den geringsten pgo_373.031
Schweizer Berg- und Mattenduft! Dagegen schwebt die Poesie des pgo_373.032
Rheinthales, ohne alle Aufdringlichkeit, reizvoll über Goethe's „Hermann pgo_373.033
und Dorothea,“ eine Magie, welche Wolfgang Müller in seiner pgo_373.034
„Maikönigin,“ trotz breiter ausgeführter Schilderung, nicht zu erreichen pgo_373.035
vermochte. Die Dorfnovelle hat in neuer Zeit den idyllischen Hexameter pgo_373.036
verdrängt. Ein Versuch Moritz Hartmann's in „Adam und
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