Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_387.001 pgo_387.017 pgo_387.023 1. Der historische Roman. pgo_387.024 pgo_387.001 pgo_387.017 pgo_387.023 1. Der historische Roman. pgo_387.024 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0409" n="387"/><lb n="pgo_387.001"/> hierin den Ton an, aber die Lyrik und Dramatik in <hi rendition="#g">Prosa</hi> konnte sich <lb n="pgo_387.002"/> in Deutschland nicht behaupten; es war nur eine neue Art zuchtloser <lb n="pgo_387.003"/> Romantik. Dagegen ist die jungdeutsche Reform für die deutsche Romanprosa <lb n="pgo_387.004"/> von günstigem Einfluß gewesen; gerade der moderne Schliff, die <lb n="pgo_387.005"/> geistsprühende Beweglichkeit und Form, die alle Elemente der Zeit in sich <lb n="pgo_387.006"/> aufzunehmen vermag, ist dem <hi rendition="#g">Roman</hi> förderlich, der doch im Wesentlichen <lb n="pgo_387.007"/> ein Zeitgemälde ist! Wenn <hi rendition="#g">Walter Scott, Bulwer, Dickens</hi> <lb n="pgo_387.008"/> und <hi rendition="#g">Thackeray</hi> in England, die <hi rendition="#g">Staël</hi> und <hi rendition="#g">George Sand, Victor <lb n="pgo_387.009"/> Hugo, Alfred du Vigny, Nodier, Balzac, Eugène Sue, Paul <lb n="pgo_387.010"/> de Kock, Alphonse Karr</hi> in Frankreich sowohl die Höhepunkte, als <lb n="pgo_387.011"/> auch die prismatische Vielfarbigkeit des Romanstyles vertreten: so brauchen <lb n="pgo_387.012"/> wir nur an <hi rendition="#g">Gutzkow, Laube, Auerbach, Freytag, König, Hackländer</hi> <lb n="pgo_387.013"/> u. A. zu erinnern, um die vielseitige Ausbildung der neuen <lb n="pgo_387.014"/> deutschen Romanprosa in das günstigste Licht zu stellen. Den epischen Ton, <lb n="pgo_387.015"/> der sich für größere Schöpfungen eignet, scheint uns besonders <hi rendition="#g">Gutzkow</hi> <lb n="pgo_387.016"/> in den „Rittern vom Geiste“ getroffen zu haben.</p> <p><lb n="pgo_387.017"/> Der Jnhalt des Romans ist der Jnhalt unseres socialen Lebens und <lb n="pgo_387.018"/> in keine bestimmten Rubriken zu fassen. Dennoch giebt er zunächst das <lb n="pgo_387.019"/> Princip der Haupteintheilung des modernen Romans her, indem dieser <lb n="pgo_387.020"/> entweder <hi rendition="#g">historisch</hi> ist und seinen Stoff aus der Geschichte entlehnt, <lb n="pgo_387.021"/> oder <hi rendition="#g">Zeitroman,</hi> welcher aus unserer Kulturepoche, aus der Gegenwart <lb n="pgo_387.022"/> freierfundene Stoffe schöpft.</p> <div n="5"> <lb n="pgo_387.023"/> <head> <hi rendition="#c">1. Der historische Roman.</hi> </head> <p><lb n="pgo_387.024"/> Der <hi rendition="#g">historische Roman</hi> ist die Darstellung einer der Geschichte <lb n="pgo_387.025"/> entlehnten Begebenheit in selbsterfundener Ausführung und in einem <lb n="pgo_387.026"/> umfangreichen, die geschichtliche Epoche nach allen Seiten hin spiegelnden <lb n="pgo_387.027"/> Gemälde. Auch kann der Held und die Hauptbegebenheit des Romans <lb n="pgo_387.028"/> vom Dichter selbstständig erfunden, und nur der Hintergrund von der <lb n="pgo_387.029"/> Geschichte gegeben sein. Da indeß dem historischen Roman, der sich der <lb n="pgo_387.030"/> prosaischen Form bedient und seinem Wesen nach bis in's Einzelne malt, <lb n="pgo_387.031"/> die Mittel fehlen, in der Darstellung der großen Persönlichkeiten und <lb n="pgo_387.032"/> Ereignisse die Geschichtschreibung zu übertreffen oder auch nur zu erreichen: <lb n="pgo_387.033"/> so muß ausdrücklich betont werden, daß seine Domaine nicht die <hi rendition="#g">Weltgeschichte</hi> <lb n="pgo_387.034"/> ist, sondern die <hi rendition="#g">Specialgeschichte,</hi> und daß er es dem Epos, </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [387/0409]
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hierin den Ton an, aber die Lyrik und Dramatik in Prosa konnte sich pgo_387.002
in Deutschland nicht behaupten; es war nur eine neue Art zuchtloser pgo_387.003
Romantik. Dagegen ist die jungdeutsche Reform für die deutsche Romanprosa pgo_387.004
von günstigem Einfluß gewesen; gerade der moderne Schliff, die pgo_387.005
geistsprühende Beweglichkeit und Form, die alle Elemente der Zeit in sich pgo_387.006
aufzunehmen vermag, ist dem Roman förderlich, der doch im Wesentlichen pgo_387.007
ein Zeitgemälde ist! Wenn Walter Scott, Bulwer, Dickens pgo_387.008
und Thackeray in England, die Staël und George Sand, Victor pgo_387.009
Hugo, Alfred du Vigny, Nodier, Balzac, Eugène Sue, Paul pgo_387.010
de Kock, Alphonse Karr in Frankreich sowohl die Höhepunkte, als pgo_387.011
auch die prismatische Vielfarbigkeit des Romanstyles vertreten: so brauchen pgo_387.012
wir nur an Gutzkow, Laube, Auerbach, Freytag, König, Hackländer pgo_387.013
u. A. zu erinnern, um die vielseitige Ausbildung der neuen pgo_387.014
deutschen Romanprosa in das günstigste Licht zu stellen. Den epischen Ton, pgo_387.015
der sich für größere Schöpfungen eignet, scheint uns besonders Gutzkow pgo_387.016
in den „Rittern vom Geiste“ getroffen zu haben.
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Der Jnhalt des Romans ist der Jnhalt unseres socialen Lebens und pgo_387.018
in keine bestimmten Rubriken zu fassen. Dennoch giebt er zunächst das pgo_387.019
Princip der Haupteintheilung des modernen Romans her, indem dieser pgo_387.020
entweder historisch ist und seinen Stoff aus der Geschichte entlehnt, pgo_387.021
oder Zeitroman, welcher aus unserer Kulturepoche, aus der Gegenwart pgo_387.022
freierfundene Stoffe schöpft.
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1. Der historische Roman. pgo_387.024
Der historische Roman ist die Darstellung einer der Geschichte pgo_387.025
entlehnten Begebenheit in selbsterfundener Ausführung und in einem pgo_387.026
umfangreichen, die geschichtliche Epoche nach allen Seiten hin spiegelnden pgo_387.027
Gemälde. Auch kann der Held und die Hauptbegebenheit des Romans pgo_387.028
vom Dichter selbstständig erfunden, und nur der Hintergrund von der pgo_387.029
Geschichte gegeben sein. Da indeß dem historischen Roman, der sich der pgo_387.030
prosaischen Form bedient und seinem Wesen nach bis in's Einzelne malt, pgo_387.031
die Mittel fehlen, in der Darstellung der großen Persönlichkeiten und pgo_387.032
Ereignisse die Geschichtschreibung zu übertreffen oder auch nur zu erreichen: pgo_387.033
so muß ausdrücklich betont werden, daß seine Domaine nicht die Weltgeschichte pgo_387.034
ist, sondern die Specialgeschichte, und daß er es dem Epos,
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