pgo_432.001 Hauptmanns, Macbeth's vor der Ermordung Dunkan's, Tell's pgo_432.002 vor der Ermordung des Landvogtes, -- ein Monolog, der deshalb mit pgo_432.003 Recht getadelt worden, weil er seine That zu einem Werk mörderischer pgo_432.004 Berechnung macht -- sind Beispiele für die dramatische Bedeutung des pgo_432.005 Monologs. Jphigenie und die Jungfrau von Orleans, Hamlet, durch pgo_432.006 das Schicksal zu einer That berufen, der sein Charakter widerspricht, pgo_432.007 sprechen ihren innern Konflikt in Monologen aus. Nie darf indeß ein pgo_432.008 Monolog ein blos lyrisches Pracht- und Schaustück sein, wenn sich auch pgo_432.009 im Monolog die Charaktere in ihr Jnneres zurückziehn, und diese vorwiegende pgo_432.010 Jnnerlichkeit ihm einen lyrischen Zug giebt. Dennoch muß er pgo_432.011 ein organisches Glied des Drama sein, das sich nicht ohne Gefahr für pgo_432.012 das Leben des Ganzen von ihm loslösen läßt. Jm Lustspiele wird der pgo_432.013 Monolog noch mehr, als in der Tragödie, die geeignete Form sein, um pgo_432.014 das Publikum zum Vertrauten von Planen und Jntriguen zu machen, pgo_432.015 welche den übrigen handelnden Personen des Stückes zunächst verborgen pgo_432.016 bleiben müssen.
pgo_432.017 Der dramatische Dialog darf weder in eine müßige Unterhaltung, pgo_432.018 noch in eine sokratische Abhandlung in Gesprächsform ausarten. Er ist pgo_432.019 scharf und schlagend, das geistige Schwert der kämpfenden Charaktere. pgo_432.020 Er muß gesättigt sein mit der Energie des Willens, die auch durch die pgo_432.021 Rede ihre bestimmten Zwecke verfolgt. Damit ist indeß nicht gesagt, daß pgo_432.022 die dramatische Kraft des Dialogs in jener lakonischen Einsylbigkeit pgo_432.023 besteht, welche zur Zeit der Sturm- und Drangperiode an der Tagesordnung pgo_432.024 war und die Ergüsse der Leidenschaft und Empfindung naturwüchsig pgo_432.025 auf gehäufte Jnterjektionen beschränkte. Ebensowenig soll die pgo_432.026 Schlagkraft des Dialogs sich in jenen stichiometrischen Reden und Gegenreden pgo_432.027 erschöpfen, welche an geeigneter Stelle, wie wir aus den griechischen pgo_432.028 Tragikern und aus Schiller ersehn, von großer Wirkung sind, aber für pgo_432.029 die letzten Zwecke des Drama nicht genügen. Der Dramatiker soll im pgo_432.030 Dialog sein Pathos voll expliciren; er soll die Motive der Handlung und pgo_432.031 ihre Zwecke in ein vollständiges Licht setzen, die sittlichen und historischen pgo_432.032 Mächte, wenn sie im Gemüth der Helden oder im Verlauf ihres Geschickes pgo_432.033 zur Geltung kommen, mit aller Würde und Majestät erscheinen lassen pgo_432.034 und die stürmische Beredtsamkeit der Leidenschaft, wie den verhüllten
pgo_432.001 Hauptmanns, Macbeth's vor der Ermordung Dunkan's, Tell's pgo_432.002 vor der Ermordung des Landvogtes, — ein Monolog, der deshalb mit pgo_432.003 Recht getadelt worden, weil er seine That zu einem Werk mörderischer pgo_432.004 Berechnung macht — sind Beispiele für die dramatische Bedeutung des pgo_432.005 Monologs. Jphigenie und die Jungfrau von Orleans, Hamlet, durch pgo_432.006 das Schicksal zu einer That berufen, der sein Charakter widerspricht, pgo_432.007 sprechen ihren innern Konflikt in Monologen aus. Nie darf indeß ein pgo_432.008 Monolog ein blos lyrisches Pracht- und Schaustück sein, wenn sich auch pgo_432.009 im Monolog die Charaktere in ihr Jnneres zurückziehn, und diese vorwiegende pgo_432.010 Jnnerlichkeit ihm einen lyrischen Zug giebt. Dennoch muß er pgo_432.011 ein organisches Glied des Drama sein, das sich nicht ohne Gefahr für pgo_432.012 das Leben des Ganzen von ihm loslösen läßt. Jm Lustspiele wird der pgo_432.013 Monolog noch mehr, als in der Tragödie, die geeignete Form sein, um pgo_432.014 das Publikum zum Vertrauten von Planen und Jntriguen zu machen, pgo_432.015 welche den übrigen handelnden Personen des Stückes zunächst verborgen pgo_432.016 bleiben müssen.
pgo_432.017 Der dramatische Dialog darf weder in eine müßige Unterhaltung, pgo_432.018 noch in eine sokratische Abhandlung in Gesprächsform ausarten. Er ist pgo_432.019 scharf und schlagend, das geistige Schwert der kämpfenden Charaktere. pgo_432.020 Er muß gesättigt sein mit der Energie des Willens, die auch durch die pgo_432.021 Rede ihre bestimmten Zwecke verfolgt. Damit ist indeß nicht gesagt, daß pgo_432.022 die dramatische Kraft des Dialogs in jener lakonischen Einsylbigkeit pgo_432.023 besteht, welche zur Zeit der Sturm- und Drangperiode an der Tagesordnung pgo_432.024 war und die Ergüsse der Leidenschaft und Empfindung naturwüchsig pgo_432.025 auf gehäufte Jnterjektionen beschränkte. Ebensowenig soll die pgo_432.026 Schlagkraft des Dialogs sich in jenen stichiometrischen Reden und Gegenreden pgo_432.027 erschöpfen, welche an geeigneter Stelle, wie wir aus den griechischen pgo_432.028 Tragikern und aus Schiller ersehn, von großer Wirkung sind, aber für pgo_432.029 die letzten Zwecke des Drama nicht genügen. Der Dramatiker soll im pgo_432.030 Dialog sein Pathos voll expliciren; er soll die Motive der Handlung und pgo_432.031 ihre Zwecke in ein vollständiges Licht setzen, die sittlichen und historischen pgo_432.032 Mächte, wenn sie im Gemüth der Helden oder im Verlauf ihres Geschickes pgo_432.033 zur Geltung kommen, mit aller Würde und Majestät erscheinen lassen pgo_432.034 und die stürmische Beredtsamkeit der Leidenschaft, wie den verhüllten
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Hauptmanns, Macbeth's vor der Ermordung Dunkan's, Tell's pgo_432.002
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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/454>, abgerufen am 22.11.2024.
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