pgo_434.001 Publikums oder bedarf mindestens eines doppelten Aufwandes dramatischer pgo_434.002 und theatralischer Mittel, um sie wach zu erhalten. Besonders pgo_434.003 gefährlich ist die Länge des letzten Aktes. Von gleicher Wichtigkeit ist die pgo_434.004 Beschränkung der Verwandlungen, indem eine Häufung derselben zwar pgo_434.005 keine Schwierigkeiten für die Maschinerie unserer Bühne bietet, aber doch pgo_434.006 nothwendig eine nicht intensiv fortschreitende, sondern hin und her springende pgo_434.007 Handlung zur Folge hat und die Aufmerksamkeit des Publikums pgo_434.008 zerstreut. Ferner verlangt die scenische Technik, daß nicht zwei große pgo_434.009 Scenen, welche die ganze Tiefe der Bühne einnehmen und mancherlei pgo_434.010 Zurüstung, Requisiten, eine bei der Verwandlung bereits rangirte Statisterie pgo_434.011 bedürfen, aufeinander folgen. Solch' einer größern Ausstattungsscene pgo_434.012 kann nur eine Scene mit kurz vorfallender Dekoration vorausgehn, pgo_434.013 hinter der die nöthigen Vorbereitungen getroffen werden. Größere pgo_434.014 Zwischenräume der Zeit zwischen die einzelnen Verwandlungen zu verlegen, pgo_434.015 bleibt immer mißlich, da die Haupteinschnitte der Akte hierfür geeigneter pgo_434.016 sind. Auch auf nothwendige Umkleidungen der Darsteller innerhalb pgo_434.017 der Akte muß die erforderliche Rücksicht genommen werden. Alle diese pgo_434.018 technischen Rücksichten, die sich noch weiter in's Einzelne ausführen lassen, pgo_434.019 dürfen sich indeß in keiner aufdringlichen Weise geltend machen. Daß sie pgo_434.020 beobachtet worden sind, darf der Zuschauer nur aus dem bequemen und pgo_434.021 ungehinderten Gang der Aufführung errathen.
pgo_434.022
Dritter Abschnitt.
pgo_434.023 Die Tragödie.
pgo_434.024 Jm Drama tritt, am meisten von allen Dichtformen, die scharfe pgo_434.025 Sonderung des Tragischen und Komischen ein. Melpomene und pgo_434.026 Thalia herrschen in getrennten Reichen. Nicht alles Tragische indeß ist pgo_434.027 dramatisch. Aristoteles nennt als das dritte Moment der tragischen pgo_434.028 Fabel das Unglück (cap. 11) und rechnet dazu gewaltsamen Tod, heftigen pgo_434.029 und anhaltenden Schmerz, Verwundungen und dergleichen. Dies pgo_434.030 Tragische kann in der Tragödie nur als Wirkung gelten, die aus einem pgo_434.031 sittlichen Konflikt erwächst. Sonst gehört es in das Bereich des Epos, pgo_434.032 wo der Kampf des Menschen mit der Gewalt und den Gesetzen der
pgo_434.001 Publikums oder bedarf mindestens eines doppelten Aufwandes dramatischer pgo_434.002 und theatralischer Mittel, um sie wach zu erhalten. Besonders pgo_434.003 gefährlich ist die Länge des letzten Aktes. Von gleicher Wichtigkeit ist die pgo_434.004 Beschränkung der Verwandlungen, indem eine Häufung derselben zwar pgo_434.005 keine Schwierigkeiten für die Maschinerie unserer Bühne bietet, aber doch pgo_434.006 nothwendig eine nicht intensiv fortschreitende, sondern hin und her springende pgo_434.007 Handlung zur Folge hat und die Aufmerksamkeit des Publikums pgo_434.008 zerstreut. Ferner verlangt die scenische Technik, daß nicht zwei große pgo_434.009 Scenen, welche die ganze Tiefe der Bühne einnehmen und mancherlei pgo_434.010 Zurüstung, Requisiten, eine bei der Verwandlung bereits rangirte Statisterie pgo_434.011 bedürfen, aufeinander folgen. Solch' einer größern Ausstattungsscene pgo_434.012 kann nur eine Scene mit kurz vorfallender Dekoration vorausgehn, pgo_434.013 hinter der die nöthigen Vorbereitungen getroffen werden. Größere pgo_434.014 Zwischenräume der Zeit zwischen die einzelnen Verwandlungen zu verlegen, pgo_434.015 bleibt immer mißlich, da die Haupteinschnitte der Akte hierfür geeigneter pgo_434.016 sind. Auch auf nothwendige Umkleidungen der Darsteller innerhalb pgo_434.017 der Akte muß die erforderliche Rücksicht genommen werden. Alle diese pgo_434.018 technischen Rücksichten, die sich noch weiter in's Einzelne ausführen lassen, pgo_434.019 dürfen sich indeß in keiner aufdringlichen Weise geltend machen. Daß sie pgo_434.020 beobachtet worden sind, darf der Zuschauer nur aus dem bequemen und pgo_434.021 ungehinderten Gang der Aufführung errathen.
pgo_434.022
Dritter Abschnitt.
pgo_434.023 Die Tragödie.
pgo_434.024 Jm Drama tritt, am meisten von allen Dichtformen, die scharfe pgo_434.025 Sonderung des Tragischen und Komischen ein. Melpomene und pgo_434.026 Thalia herrschen in getrennten Reichen. Nicht alles Tragische indeß ist pgo_434.027 dramatisch. Aristoteles nennt als das dritte Moment der tragischen pgo_434.028 Fabel das Unglück (cap. 11) und rechnet dazu gewaltsamen Tod, heftigen pgo_434.029 und anhaltenden Schmerz, Verwundungen und dergleichen. Dies pgo_434.030 Tragische kann in der Tragödie nur als Wirkung gelten, die aus einem pgo_434.031 sittlichen Konflikt erwächst. Sonst gehört es in das Bereich des Epos, pgo_434.032 wo der Kampf des Menschen mit der Gewalt und den Gesetzen der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0456"n="434"/><lbn="pgo_434.001"/>
Publikums oder bedarf mindestens eines doppelten Aufwandes dramatischer <lbn="pgo_434.002"/>
und theatralischer Mittel, um sie wach zu erhalten. Besonders <lbn="pgo_434.003"/>
gefährlich ist die Länge des letzten Aktes. Von gleicher Wichtigkeit ist die <lbn="pgo_434.004"/>
Beschränkung der Verwandlungen, indem eine Häufung derselben zwar <lbn="pgo_434.005"/>
keine Schwierigkeiten für die Maschinerie unserer Bühne bietet, aber doch <lbn="pgo_434.006"/>
nothwendig eine nicht intensiv fortschreitende, sondern hin und her springende <lbn="pgo_434.007"/>
Handlung zur Folge hat und die Aufmerksamkeit des Publikums <lbn="pgo_434.008"/>
zerstreut. Ferner verlangt die scenische Technik, daß nicht zwei große <lbn="pgo_434.009"/>
Scenen, welche die ganze Tiefe der Bühne einnehmen und mancherlei <lbn="pgo_434.010"/>
Zurüstung, Requisiten, eine bei der Verwandlung bereits rangirte Statisterie <lbn="pgo_434.011"/>
bedürfen, aufeinander folgen. Solch' einer größern Ausstattungsscene <lbn="pgo_434.012"/>
kann nur eine Scene mit kurz vorfallender Dekoration vorausgehn, <lbn="pgo_434.013"/>
hinter der die nöthigen Vorbereitungen getroffen werden. Größere <lbn="pgo_434.014"/>
Zwischenräume der Zeit zwischen die einzelnen Verwandlungen zu verlegen, <lbn="pgo_434.015"/>
bleibt immer mißlich, da die Haupteinschnitte der Akte hierfür geeigneter <lbn="pgo_434.016"/>
sind. Auch auf nothwendige Umkleidungen der Darsteller innerhalb <lbn="pgo_434.017"/>
der Akte muß die erforderliche Rücksicht genommen werden. Alle diese <lbn="pgo_434.018"/>
technischen Rücksichten, die sich noch weiter in's Einzelne ausführen lassen, <lbn="pgo_434.019"/>
dürfen sich indeß in keiner aufdringlichen Weise geltend machen. Daß sie <lbn="pgo_434.020"/>
beobachtet worden sind, darf der Zuschauer nur aus dem bequemen und <lbn="pgo_434.021"/>
ungehinderten Gang der Aufführung errathen. </p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="4"><lbn="pgo_434.022"/><head><hirendition="#c">Dritter Abschnitt.</hi></head><lbn="pgo_434.023"/><head><hirendition="#c"><hirendition="#g">Die Tragödie</hi>.</hi></head><p><lbn="pgo_434.024"/>
Jm Drama tritt, am meisten von allen Dichtformen, die scharfe <lbn="pgo_434.025"/>
Sonderung des <hirendition="#g">Tragischen</hi> und <hirendition="#g">Komischen</hi> ein. Melpomene und <lbn="pgo_434.026"/>
Thalia herrschen in getrennten Reichen. Nicht alles Tragische indeß ist <lbn="pgo_434.027"/>
dramatisch. <hirendition="#g">Aristoteles</hi> nennt als das dritte Moment der tragischen <lbn="pgo_434.028"/>
Fabel das <hirendition="#g">Unglück</hi> (cap. 11) und rechnet dazu gewaltsamen Tod, heftigen <lbn="pgo_434.029"/>
und anhaltenden Schmerz, Verwundungen und dergleichen. Dies <lbn="pgo_434.030"/>
Tragische kann in der Tragödie nur als Wirkung gelten, die aus einem <lbn="pgo_434.031"/>
sittlichen Konflikt erwächst. Sonst gehört es in das Bereich des Epos, <lbn="pgo_434.032"/>
wo der Kampf des Menschen mit der Gewalt und den Gesetzen der
</p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[434/0456]
pgo_434.001
Publikums oder bedarf mindestens eines doppelten Aufwandes dramatischer pgo_434.002
und theatralischer Mittel, um sie wach zu erhalten. Besonders pgo_434.003
gefährlich ist die Länge des letzten Aktes. Von gleicher Wichtigkeit ist die pgo_434.004
Beschränkung der Verwandlungen, indem eine Häufung derselben zwar pgo_434.005
keine Schwierigkeiten für die Maschinerie unserer Bühne bietet, aber doch pgo_434.006
nothwendig eine nicht intensiv fortschreitende, sondern hin und her springende pgo_434.007
Handlung zur Folge hat und die Aufmerksamkeit des Publikums pgo_434.008
zerstreut. Ferner verlangt die scenische Technik, daß nicht zwei große pgo_434.009
Scenen, welche die ganze Tiefe der Bühne einnehmen und mancherlei pgo_434.010
Zurüstung, Requisiten, eine bei der Verwandlung bereits rangirte Statisterie pgo_434.011
bedürfen, aufeinander folgen. Solch' einer größern Ausstattungsscene pgo_434.012
kann nur eine Scene mit kurz vorfallender Dekoration vorausgehn, pgo_434.013
hinter der die nöthigen Vorbereitungen getroffen werden. Größere pgo_434.014
Zwischenräume der Zeit zwischen die einzelnen Verwandlungen zu verlegen, pgo_434.015
bleibt immer mißlich, da die Haupteinschnitte der Akte hierfür geeigneter pgo_434.016
sind. Auch auf nothwendige Umkleidungen der Darsteller innerhalb pgo_434.017
der Akte muß die erforderliche Rücksicht genommen werden. Alle diese pgo_434.018
technischen Rücksichten, die sich noch weiter in's Einzelne ausführen lassen, pgo_434.019
dürfen sich indeß in keiner aufdringlichen Weise geltend machen. Daß sie pgo_434.020
beobachtet worden sind, darf der Zuschauer nur aus dem bequemen und pgo_434.021
ungehinderten Gang der Aufführung errathen.
pgo_434.022
Dritter Abschnitt. pgo_434.023
Die Tragödie. pgo_434.024
Jm Drama tritt, am meisten von allen Dichtformen, die scharfe pgo_434.025
Sonderung des Tragischen und Komischen ein. Melpomene und pgo_434.026
Thalia herrschen in getrennten Reichen. Nicht alles Tragische indeß ist pgo_434.027
dramatisch. Aristoteles nennt als das dritte Moment der tragischen pgo_434.028
Fabel das Unglück (cap. 11) und rechnet dazu gewaltsamen Tod, heftigen pgo_434.029
und anhaltenden Schmerz, Verwundungen und dergleichen. Dies pgo_434.030
Tragische kann in der Tragödie nur als Wirkung gelten, die aus einem pgo_434.031
sittlichen Konflikt erwächst. Sonst gehört es in das Bereich des Epos, pgo_434.032
wo der Kampf des Menschen mit der Gewalt und den Gesetzen der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/456>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.