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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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Kraft, Beweglichkeit, Schwung, frisches, nicht feierlich schleppendes pgo_444.002
Pathos besitzt.

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ganz flüchtig skizziren, nur die für ein durchgreifendes Stylprincip charakteristischen pgo_444.005
Höhenpunkte desselben in's Auge fassen, die auch deshalb von pgo_444.006
naheliegender Bedeutung sind, weil der Dilettantismus unserer Epoche pgo_444.007
sie alle nachzuahmen sucht, statt das moderne tragische Stylprincip auszubilden. pgo_444.008
Jede auch nur oberflächliche Geschichte der dramatischen Literatur pgo_444.009
setzt eine Geschichte der dramatischen Kunst voraus, welche vom pgo_444.010
Plan dieses Werkes weit ab liegt. Der Hauptgegensatz des Styls findet pgo_444.011
zwischen der antiken und modernen Tragödie Statt. Die Plastik pgo_444.012
der ersteren hing mit dem Wesen der Schauspielkunst und den Einrichtungen pgo_444.013
des dortigen Theaters zusammen. Das hellenische Theater bietet pgo_444.014
uns eine Mischung der Künste dar, die an den künstlerischen Urbrei des pgo_444.015
Kunstwerkes der Zukunft erinnert. Nicht blos das lyrisch gnomische Element pgo_444.016
des Chors, welcher den "idealisirten Zuschauer" (Schlegel) repräsentirt, pgo_444.017
sonderte sich von der dramatischen Handlung ab -- dieser Chor pgo_444.018
ergänzte den Vollklang lyrischer Sprache durch Gesang und Musik pgo_444.019
und die plastischen Rhythmen durch plastische Figurationen des Tanzes. pgo_444.020
Nimmt man hierzu, daß das recitativische Eingreifen der Helden in seinen pgo_444.021
Gesang nicht ausgeschlossen, daß die Darstellungskunst durch die Dimensionen pgo_444.022
der Bühne, durch die Maske, welche den Mangel jeder Mimik pgo_444.023
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die größten Räume füllenden Pathos und auf die weit sichtbaren Höhenpunkte pgo_444.025
der Handlung beschränkt war: so läßt es sich erklären, daß die pgo_444.026
großen Vorbilder des hellenischen Theaters für die Muse der Gegenwart pgo_444.027
nicht mehr mustergültig sein können, indem unsere Bühne und Schauspielkunst, pgo_444.028
welche für den Ausdruck der feinsten Nuancen der Empfindung pgo_444.029
und der Leidenschaft durch das Spiel der Mimik und eine freie, ausgebildete pgo_444.030
Deklamation befähigt ist, vom Dramatiker eine tiefe innere Entwicklung, pgo_444.031
Reichthum an charakteristischen Pointen und Vollständigkeit der pgo_444.032
Handlung verlangt. Die Tragödieen der Alten sind in der That, wenn pgo_444.033
wir unsere Anschauungen zu Grunde legen, meistens nur als letzte Akte pgo_444.034
zu betrachten, indem nur die Schlußkatastrophe einer Handlung, wie pgo_444.035
z. B. im Ajas, auf die Bühne gebracht wird. Die ganze vorausgehende

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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/466>, abgerufen am 22.11.2024.