Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_447.001 pgo_447.032
der rasende Herakles, die Herakliden, die Hiketiden, die Bacchen, pgo_447.033 Andromache, die Phönissen, Rhesos, Jon, Phädra, Medea, Hippolytos. pgo_447.001 pgo_447.032
der rasende Herakles, die Herakliden, die Hiketiden, die Bacchen, pgo_447.033 Andromache, die Phönissen, Rhesos, Jon, Phädra, Medea, Hippolytos. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0469" n="447"/><lb n="pgo_447.001"/> knüpfen die Nachahmungen und Fortbildungen der <hi rendition="#g">antiken Tragödie</hi> <lb n="pgo_447.002"/> an, die sich bis in die neueste Zeit verfolgen lassen. Wir wollen nicht die <lb n="pgo_447.003"/> alexandrinische Plejade, nicht die römischen Tragödieen, die dem <hi rendition="#g">Seneka</hi> <lb n="pgo_447.004"/> zugeschrieben werden, erwähnen — es sind nur schwülstige Nachdichtungen <lb n="pgo_447.005"/> in Stoff und Form. Dagegen fällt die kunstmäßige Wiedergeburt der <lb n="pgo_447.006"/> antiken Tragödie im <hi rendition="#g">klassischen Theater</hi> der Franzosen mit einem <lb n="pgo_447.007"/> Höhepunkte der Entwickelung des Drama überhaupt zusammen. Das <lb n="pgo_447.008"/> Theater jener nationalen Glanzepoche der Franzosen wählte seine Stoffe <lb n="pgo_447.009"/> vorzugsweise aus dem tragischen Mythos der Hellenen und der alten <lb n="pgo_447.010"/> Geschichte und bequemte seine Behandlungsweise den Regeln des Aristoteles <lb n="pgo_447.011"/> an. Die aristotelischen Einheiten gelten für das unumstößliche <lb n="pgo_447.012"/> Grundgesetz der Tragödie, von <hi rendition="#g">Corneille</hi> und <hi rendition="#g">Voltaire</hi> nicht nur <lb n="pgo_447.013"/> beobachtet, sondern auch kritisch proklamirt. Der erstere hielt es für eine <lb n="pgo_447.014"/> ketzerische Kühnheit, wenn er die dramatische Regelrechtigkeit der vierundzwanzig <lb n="pgo_447.015"/> Stunden in seiner Komödie: <hi rendition="#g">die Wittwe</hi> auf drei Tage auszudehnen <lb n="pgo_447.016"/> wagte; der letztere gab sich einigen schüchternen Zweifeln über <lb n="pgo_447.017"/> die <hi rendition="#g">Einheit des Ortes</hi> hin, die er in einigen Stücken zu verletzen kühn <lb n="pgo_447.018"/> genug war. Natürlich machte die Einrichtung der französischen Bühne <lb n="pgo_447.019"/> auch einige nicht unwesentliche Abweichungen von der antiken Tragödie <lb n="pgo_447.020"/> nothwendig. Der Chor, den <hi rendition="#g">Jodelle,</hi> der Stifter des französischen <lb n="pgo_447.021"/> Theaters, noch in seiner Cleopatra beibehalten, und den Racine in „der <lb n="pgo_447.022"/> Esther“ wieder einzuführen versuchte, verschwand in den meisten Stücken <lb n="pgo_447.023"/> von der Bühne und wurde nur in mangelhafter Weise durch die sogenannten <lb n="pgo_447.024"/> „<hi rendition="#g">Vertrautenrollen</hi>“ ersetzt. Dagegen trat die regelmäßige <lb n="pgo_447.025"/> Eintheilung in <hi rendition="#g">fünf Akte</hi> ein. Die Helden und Heldinnen der alten <lb n="pgo_447.026"/> Mythe und Geschichte mußten es sich gefallen lassen, die Konvenienzen <lb n="pgo_447.027"/> des glänzenden französischen Hofes in engherzigster Weise zu beobachten. <lb n="pgo_447.028"/> Die ceremonielle Feierlichkeit des Pathos bewegte sich in Alexandrinern, <lb n="pgo_447.029"/> deren steife, rhythmisch verschnittene Taxushecken den regelmäßigen <lb n="pgo_447.030"/> Gang der Handlung einengten. Selten plätscherte eine erquickende Fontaine <lb n="pgo_447.031"/> der Phantasie in diesem einförmigen Park der Tragödie, dessen <note xml:id="PGO_446_1b" prev="#PGO_446_1a" place="foot" n="*)"><lb n="pgo_447.032"/><hi rendition="#g">der rasende Herakles, die Herakliden, die Hiketiden, die Bacchen, <lb n="pgo_447.033"/> Andromache, die Phönissen, Rhesos, Jon, Phädra, Medea, Hippolytos</hi>.</note> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [447/0469]
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knüpfen die Nachahmungen und Fortbildungen der antiken Tragödie pgo_447.002
an, die sich bis in die neueste Zeit verfolgen lassen. Wir wollen nicht die pgo_447.003
alexandrinische Plejade, nicht die römischen Tragödieen, die dem Seneka pgo_447.004
zugeschrieben werden, erwähnen — es sind nur schwülstige Nachdichtungen pgo_447.005
in Stoff und Form. Dagegen fällt die kunstmäßige Wiedergeburt der pgo_447.006
antiken Tragödie im klassischen Theater der Franzosen mit einem pgo_447.007
Höhepunkte der Entwickelung des Drama überhaupt zusammen. Das pgo_447.008
Theater jener nationalen Glanzepoche der Franzosen wählte seine Stoffe pgo_447.009
vorzugsweise aus dem tragischen Mythos der Hellenen und der alten pgo_447.010
Geschichte und bequemte seine Behandlungsweise den Regeln des Aristoteles pgo_447.011
an. Die aristotelischen Einheiten gelten für das unumstößliche pgo_447.012
Grundgesetz der Tragödie, von Corneille und Voltaire nicht nur pgo_447.013
beobachtet, sondern auch kritisch proklamirt. Der erstere hielt es für eine pgo_447.014
ketzerische Kühnheit, wenn er die dramatische Regelrechtigkeit der vierundzwanzig pgo_447.015
Stunden in seiner Komödie: die Wittwe auf drei Tage auszudehnen pgo_447.016
wagte; der letztere gab sich einigen schüchternen Zweifeln über pgo_447.017
die Einheit des Ortes hin, die er in einigen Stücken zu verletzen kühn pgo_447.018
genug war. Natürlich machte die Einrichtung der französischen Bühne pgo_447.019
auch einige nicht unwesentliche Abweichungen von der antiken Tragödie pgo_447.020
nothwendig. Der Chor, den Jodelle, der Stifter des französischen pgo_447.021
Theaters, noch in seiner Cleopatra beibehalten, und den Racine in „der pgo_447.022
Esther“ wieder einzuführen versuchte, verschwand in den meisten Stücken pgo_447.023
von der Bühne und wurde nur in mangelhafter Weise durch die sogenannten pgo_447.024
„Vertrautenrollen“ ersetzt. Dagegen trat die regelmäßige pgo_447.025
Eintheilung in fünf Akte ein. Die Helden und Heldinnen der alten pgo_447.026
Mythe und Geschichte mußten es sich gefallen lassen, die Konvenienzen pgo_447.027
des glänzenden französischen Hofes in engherzigster Weise zu beobachten. pgo_447.028
Die ceremonielle Feierlichkeit des Pathos bewegte sich in Alexandrinern, pgo_447.029
deren steife, rhythmisch verschnittene Taxushecken den regelmäßigen pgo_447.030
Gang der Handlung einengten. Selten plätscherte eine erquickende Fontaine pgo_447.031
der Phantasie in diesem einförmigen Park der Tragödie, dessen *)
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der rasende Herakles, die Herakliden, die Hiketiden, die Bacchen, pgo_447.033
Andromache, die Phönissen, Rhesos, Jon, Phädra, Medea, Hippolytos.
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