pgo_456.001 wir mit der sittlichen Erhebung des Helden, mit seiner energischen pgo_456.002 Willenskraft, welche durch ihre That das Gewebe der bestehenden Verhältnisse pgo_456.003 zerreißt, weil die Kraft unserer freien Selbstbestimmung sich in pgo_456.004 ihr spiegelt; in der Komödie sympathisiren wir mit der freien Bewegung pgo_456.005 der sinnlichen Welt, welche mit ihren mannichfachen Kräften das Streben pgo_456.006 der Helden kreuzt, weil die Wurzel unseres sinnlichen Lebens in ihr ruht. pgo_456.007 Diese Sympathie aber, die der dunkle Grund unserer Lust am Komischen pgo_456.008 ist, muß sich in das höhere Behagen auflösen, daß auch diese sinnliche pgo_456.009 Welt, die sich gegen die Jdee zu empören scheint, von ihr durchdrungen pgo_456.010 ist und harmonische Ruhepunkte bietet, wo beide versöhnt zusammenwirken. pgo_456.011 Das Komische erscheint im Drama in der Form der Handlung,pgo_456.012 welche ebenso wie die tragische an das Gesetz der Einheit gebunden ist. pgo_456.013 Auch das Lustspiel hat, wie das Trauerspiel, seinen letzten Endzweck, der, pgo_456.014 wie wir eben gesehn, in eine harmonische Beruhigung auslaufen muß. pgo_456.015 Der tragische Held kämpft gegen das Schicksal, das sowohl in seiner pgo_456.016 eigenen Brust, in der innern Nothwendigkeit seines Charakters liegt, als pgo_456.017 auch in einer Konstellation der sittlichen Welt, die ihn unlösbar verstrickt. pgo_456.018 Der Held des Lustspiels kämpft gegen den Zufall und die Jntrigue, pgo_456.019 gegen die Mächte des Menschenlebens, die ein unberechenbares Spiel der pgo_456.020 Ereignisse oder die Berechnung Anderer entbindet. Der Zufall ist nicht pgo_456.021 aus dem Mittelpunkte des Lustspieles ausgeschlossen, wie aus dem der pgo_456.022 Tragödie. Er darf sich überall in seinen Verwickelungen einschleichen; pgo_456.023 aber er muß sich in seiner Bedeutung für die Grundidee des Ganzen legitimiren pgo_456.024 können. Der blinde Zufall, irgend ein beliebiges Naturereigniß, pgo_456.025 ein nichtssagendes Hinderniß der Entwickelung, ein Zusammentreffen, das pgo_456.026 für den Fortgang der Handlung gleichgültig ist, hat auch im Lustspiel pgo_456.027 kein Recht. Der Zufall aber, der für die Kasuistik des Lustspielhumors pgo_456.028 die bestimmte Situation herbeiführt, der die geladenen Flaschen der pgo_456.029 Komik entladet, ist nicht einmal in der Jntriguenkomödie entbehrlich, in pgo_456.030 welcher die Kunst des Dichters darin besteht, die List des Zufalls zu überlisten pgo_456.031 und die Steine, die er in den Weg legt, für den planvollen Bau pgo_456.032 des Werkes zu verwenden. Schon aus dem Wesen des Drama geht pgo_456.033 hervor, daß sich das Lustspiel nicht in einer zwecklosen Charaktermalerei pgo_456.034 ergehn, nicht die komische Verkehrtheit in ihren blos innerlichen Widersprüchen pgo_456.035 nachweisen darf, sondern den Charakter durch die That darstellen
pgo_456.001 wir mit der sittlichen Erhebung des Helden, mit seiner energischen pgo_456.002 Willenskraft, welche durch ihre That das Gewebe der bestehenden Verhältnisse pgo_456.003 zerreißt, weil die Kraft unserer freien Selbstbestimmung sich in pgo_456.004 ihr spiegelt; in der Komödie sympathisiren wir mit der freien Bewegung pgo_456.005 der sinnlichen Welt, welche mit ihren mannichfachen Kräften das Streben pgo_456.006 der Helden kreuzt, weil die Wurzel unseres sinnlichen Lebens in ihr ruht. pgo_456.007 Diese Sympathie aber, die der dunkle Grund unserer Lust am Komischen pgo_456.008 ist, muß sich in das höhere Behagen auflösen, daß auch diese sinnliche pgo_456.009 Welt, die sich gegen die Jdee zu empören scheint, von ihr durchdrungen pgo_456.010 ist und harmonische Ruhepunkte bietet, wo beide versöhnt zusammenwirken. pgo_456.011 Das Komische erscheint im Drama in der Form der Handlung,pgo_456.012 welche ebenso wie die tragische an das Gesetz der Einheit gebunden ist. pgo_456.013 Auch das Lustspiel hat, wie das Trauerspiel, seinen letzten Endzweck, der, pgo_456.014 wie wir eben gesehn, in eine harmonische Beruhigung auslaufen muß. pgo_456.015 Der tragische Held kämpft gegen das Schicksal, das sowohl in seiner pgo_456.016 eigenen Brust, in der innern Nothwendigkeit seines Charakters liegt, als pgo_456.017 auch in einer Konstellation der sittlichen Welt, die ihn unlösbar verstrickt. pgo_456.018 Der Held des Lustspiels kämpft gegen den Zufall und die Jntrigue, pgo_456.019 gegen die Mächte des Menschenlebens, die ein unberechenbares Spiel der pgo_456.020 Ereignisse oder die Berechnung Anderer entbindet. Der Zufall ist nicht pgo_456.021 aus dem Mittelpunkte des Lustspieles ausgeschlossen, wie aus dem der pgo_456.022 Tragödie. Er darf sich überall in seinen Verwickelungen einschleichen; pgo_456.023 aber er muß sich in seiner Bedeutung für die Grundidee des Ganzen legitimiren pgo_456.024 können. Der blinde Zufall, irgend ein beliebiges Naturereigniß, pgo_456.025 ein nichtssagendes Hinderniß der Entwickelung, ein Zusammentreffen, das pgo_456.026 für den Fortgang der Handlung gleichgültig ist, hat auch im Lustspiel pgo_456.027 kein Recht. Der Zufall aber, der für die Kasuistik des Lustspielhumors pgo_456.028 die bestimmte Situation herbeiführt, der die geladenen Flaschen der pgo_456.029 Komik entladet, ist nicht einmal in der Jntriguenkomödie entbehrlich, in pgo_456.030 welcher die Kunst des Dichters darin besteht, die List des Zufalls zu überlisten pgo_456.031 und die Steine, die er in den Weg legt, für den planvollen Bau pgo_456.032 des Werkes zu verwenden. Schon aus dem Wesen des Drama geht pgo_456.033 hervor, daß sich das Lustspiel nicht in einer zwecklosen Charaktermalerei pgo_456.034 ergehn, nicht die komische Verkehrtheit in ihren blos innerlichen Widersprüchen pgo_456.035 nachweisen darf, sondern den Charakter durch die That darstellen
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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/478>, abgerufen am 22.11.2024.
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