Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
im Fischbein-Rocke.
Jungfer Luischen.
So sind sie alsdenn gezwungen, irrdisch gesinnt
zu seyn?
Herr Scheinfromm.
Freylich wohl!
Jungfer Luischen.
Nun, Herr Magister! das ist eben der Zuständ,
darinnen ich mich befinde.
Herr Scheinfromm.
Wie so?
Jungfer Luischen.
Jch habe die Gnade noch nicht, meine Neigung
zu überwinden: Jch werde noch durch die irrdische
Lust fortgerissen.
Herr Scheinfromm.
Wie wissen sie, daß sie die Gnade nicht haben?
Jungfer Luischen.
Weil sie mich nicht zwingt, darum habe ich sie
nicht. Jch erwarte sie.
Herr Scheinfromm.
Ja! man muß sich aber bestreben - - -
Jungfer Luischen.
Wie kan ich mich bestreben ohne Beystand der
Gnade? Jch erwarte sie.
Herr Scheinfromm.
Wie? so wollen sie so geruhig seyn? und immer-
fort in einer Sache beharren, die der Mama zuwider
ist?

Jung-
D 3
im Fiſchbein-Rocke.
Jungfer Luischen.
So ſind ſie alsdenn gezwungen, irrdiſch geſinnt
zu ſeyn?
Herr Scheinfromm.
Freylich wohl!
Jungfer Luischen.
Nun, Herr Magiſter! das iſt eben der Zuſtaͤnd,
darinnen ich mich befinde.
Herr Scheinfromm.
Wie ſo?
Jungfer Luischen.
Jch habe die Gnade noch nicht, meine Neigung
zu uͤberwinden: Jch werde noch durch die irrdiſche
Luſt fortgeriſſen.
Herr Scheinfromm.
Wie wiſſen ſie, daß ſie die Gnade nicht haben?
Jungfer Luischen.
Weil ſie mich nicht zwingt, darum habe ich ſie
nicht. Jch erwarte ſie.
Herr Scheinfromm.
Ja! man muß ſich aber beſtreben ‒ ‒ ‒
Jungfer Luischen.
Wie kan ich mich beſtreben ohne Beyſtand der
Gnade? Jch erwarte ſie.
Herr Scheinfromm.
Wie? ſo wollen ſie ſo geruhig ſeyn? und immer-
fort in einer Sache beharren, die der Mama zuwider
iſt?

Jung-
D 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0073" n="53"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">im Fi&#x017F;chbein-Rocke.</hi> </fw><lb/>
            <sp who="#LUI">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Jungfer Luischen.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>So &#x017F;ind &#x017F;ie alsdenn gezwungen, irrdi&#x017F;ch ge&#x017F;innt<lb/>
zu &#x017F;eyn?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#SCHEIN">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Herr Scheinfromm.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Freylich wohl!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#LUI">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Jungfer Luischen.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Nun, Herr Magi&#x017F;ter! das i&#x017F;t eben der Zu&#x017F;ta&#x0364;nd,<lb/>
darinnen ich mich befinde.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#SCHEIN">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Herr Scheinfromm.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Wie &#x017F;o?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#LUI">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Jungfer Luischen.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Jch habe die Gnade noch nicht, meine Neigung<lb/>
zu u&#x0364;berwinden: Jch werde noch durch die irrdi&#x017F;che<lb/>
Lu&#x017F;t fortgeri&#x017F;&#x017F;en.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#SCHEIN">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Herr Scheinfromm.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Wie wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie, daß &#x017F;ie die Gnade nicht haben?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#LUI">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Jungfer Luischen.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Weil &#x017F;ie mich nicht zwingt, darum habe ich &#x017F;ie<lb/>
nicht. Jch erwarte &#x017F;ie.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#SCHEIN">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Herr Scheinfromm.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Ja! man muß &#x017F;ich aber be&#x017F;treben &#x2012; &#x2012; &#x2012;</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#LUI">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Jungfer Luischen.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Wie kan ich mich be&#x017F;treben ohne Bey&#x017F;tand der<lb/>
Gnade? Jch erwarte &#x017F;ie.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#SCHEIN">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Herr Scheinfromm.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Wie? &#x017F;o wollen &#x017F;ie &#x017F;o geruhig &#x017F;eyn? und immer-<lb/>
fort in einer Sache beharren, die der Mama zuwider<lb/>
i&#x017F;t?</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">D 3</fw>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Jung-</hi> </fw>
            </sp><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0073] im Fiſchbein-Rocke. Jungfer Luischen. So ſind ſie alsdenn gezwungen, irrdiſch geſinnt zu ſeyn? Herr Scheinfromm. Freylich wohl! Jungfer Luischen. Nun, Herr Magiſter! das iſt eben der Zuſtaͤnd, darinnen ich mich befinde. Herr Scheinfromm. Wie ſo? Jungfer Luischen. Jch habe die Gnade noch nicht, meine Neigung zu uͤberwinden: Jch werde noch durch die irrdiſche Luſt fortgeriſſen. Herr Scheinfromm. Wie wiſſen ſie, daß ſie die Gnade nicht haben? Jungfer Luischen. Weil ſie mich nicht zwingt, darum habe ich ſie nicht. Jch erwarte ſie. Herr Scheinfromm. Ja! man muß ſich aber beſtreben ‒ ‒ ‒ Jungfer Luischen. Wie kan ich mich beſtreben ohne Beyſtand der Gnade? Jch erwarte ſie. Herr Scheinfromm. Wie? ſo wollen ſie ſo geruhig ſeyn? und immer- fort in einer Sache beharren, die der Mama zuwider iſt? Jung- D 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/73
Zitationshilfe: Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/73>, abgerufen am 24.11.2024.