Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.Die Pietisterey Verzeichniß Dessen, Frau Gebegernin 50 Gulden. Was das für eine Leutseligkeit von einer Altflickerin ist! Die arme Frau gewinnt den gantzen Tag kaum einen halben Gulden, und giebt so viel; sie hat aber auch einen geschickten Magister, der sie unterrichtet. Frau Spaargernin, 200 Gulden. Ach! Frau Spaargernin, das ist wahrhafftig nicht genung! Das ist ein Weib, als ein Rind- Vieh, und redet in den Tag hinein, wie ein Endchen Licht. Sie hat sich nur zur Pietiste- rey begeben, weil sie geehrt seyn wollte. Und die sollte nicht mehr geben? O! ich werde wie- der kommen, Frau Spaargernin! Jungfer Langfingerin, 100 Gulden. Von der sag ich nichts; die kann nicht mehr geben: denn sie muß es ihrem Vater wegstehlen. Herr Magister Judas, 600 Gulden. Ja! Freylich! Er hat sein Amt mit der Bedingung gekrigt. Herr
Die Pietiſterey Verzeichniß Deſſen, Frau Gebegernin 50 Gulden. Was das fuͤr eine Leutſeligkeit von einer Altflickerin iſt! Die arme Frau gewinnt den gantzen Tag kaum einen halben Gulden, und giebt ſo viel; ſie hat aber auch einen geſchickten Magiſter, der ſie unterrichtet. Frau Spaargernin, 200 Gulden. Ach! Frau Spaargernin, das iſt wahrhafftig nicht genung! Das iſt ein Weib, als ein Rind- Vieh, und redet in den Tag hinein, wie ein Endchen Licht. Sie hat ſich nur zur Pietiſte- rey begeben, weil ſie geehrt ſeyn wollte. Und die ſollte nicht mehr geben? O! ich werde wie- der kommen, Frau Spaargernin! Jungfer Langfingerin, 100 Gulden. Von der ſag ich nichts; die kann nicht mehr geben: denn ſie muß es ihrem Vater wegſtehlen. Herr Magiſter Judas, 600 Gulden. Ja! Freylich! Er hat ſein Amt mit der Bedingung gekrigt. Herr
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0086" n="66"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Pietiſterey</hi> </fw><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Verzeichniß</hi> </hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Deſſen,<lb/><hi rendition="#fr">Was von allerley Gottſeeligen Hertzen,</hi><lb/> zum Unterhalte der Kirche GOttes und der<lb/> Glieder Chriſti, iſt gegeben worden.<lb/><hi rendition="#fr">Das andre Quartier von</hi> <hi rendition="#aq">Anno</hi> 1736.</hi> </p><lb/> <list> <item><hi rendition="#fr">Frau Gebegernin 50 Gulden.</hi> Was das<lb/> fuͤr eine Leutſeligkeit von einer Altflickerin iſt!<lb/> Die arme Frau gewinnt den gantzen Tag kaum<lb/> einen halben Gulden, und giebt ſo viel; ſie hat<lb/> aber auch einen geſchickten Magiſter, der ſie<lb/> unterrichtet.</item><lb/> <item><hi rendition="#fr">Frau Spaargernin, 200 Gulden.</hi> Ach!<lb/> Frau Spaargernin, das iſt wahrhafftig nicht<lb/> genung! Das iſt ein Weib, als ein Rind-<lb/> Vieh, und redet in den Tag hinein, wie ein<lb/> Endchen Licht. Sie hat ſich nur zur Pietiſte-<lb/> rey begeben, weil ſie geehrt ſeyn wollte. Und<lb/> die ſollte nicht mehr geben? O! ich werde wie-<lb/> der kommen, Frau Spaargernin!</item><lb/> <item><hi rendition="#fr">Jungfer Langfingerin, 100 Gulden.</hi> Von<lb/> der ſag ich nichts; die kann nicht mehr geben:<lb/> denn ſie muß es ihrem Vater wegſtehlen.</item><lb/> <item><hi rendition="#fr">Herr Magiſter Judas, 600 Gulden.</hi> Ja!<lb/> Freylich! Er hat ſein Amt mit der Bedingung<lb/> gekrigt.</item> </list><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Herr</hi> </fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0086]
Die Pietiſterey
Verzeichniß
Deſſen,
Was von allerley Gottſeeligen Hertzen,
zum Unterhalte der Kirche GOttes und der
Glieder Chriſti, iſt gegeben worden.
Das andre Quartier von Anno 1736.
Frau Gebegernin 50 Gulden. Was das
fuͤr eine Leutſeligkeit von einer Altflickerin iſt!
Die arme Frau gewinnt den gantzen Tag kaum
einen halben Gulden, und giebt ſo viel; ſie hat
aber auch einen geſchickten Magiſter, der ſie
unterrichtet.
Frau Spaargernin, 200 Gulden. Ach!
Frau Spaargernin, das iſt wahrhafftig nicht
genung! Das iſt ein Weib, als ein Rind-
Vieh, und redet in den Tag hinein, wie ein
Endchen Licht. Sie hat ſich nur zur Pietiſte-
rey begeben, weil ſie geehrt ſeyn wollte. Und
die ſollte nicht mehr geben? O! ich werde wie-
der kommen, Frau Spaargernin!
Jungfer Langfingerin, 100 Gulden. Von
der ſag ich nichts; die kann nicht mehr geben:
denn ſie muß es ihrem Vater wegſtehlen.
Herr Magiſter Judas, 600 Gulden. Ja!
Freylich! Er hat ſein Amt mit der Bedingung
gekrigt.
Herr
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |