Schau wie der Belt beginnt zu toben, Daß du solch einen theuren Stein, Zu seiner Nymphen höchster Pein, Aus ihrer Krone weggeschoben.
Hier könnte es leicht seyn, daß diese Vergrößerung einigen gar zu verwegen vorkäme. Denn was will man auf eine Prinzessin größeres sagen? Zugeschweigen daß man nicht sieht, was das für eine Krone der Nymphen gewesen, darinn die Todte einen Edelgestein abgegeben. Die Allegorie ist nicht gar zu richtig.
Uberhaupt aber geht man in Vergrößerung der Dinge gemeiniglich zu weit, und überschreitet dadurch die Regeln der Klugheit. An Malherben hat schon Bouhours eine sehr un- erträgliche Vergrößerung der Thränen Petri getadelt, die ich ihrer Seltsamkeit halber aufs allergenaueste übersetzt ha- be, und hier mittheilen will.
Da hub sich sein Geschrey gleich als ein Donner an, Sein Seufzen war ein Sturm der Eichen fällen kan, Und die gelinde Fluth von den vergoßnen Zähren, Verglich sich einem Strom, der von den Bergen läuft, Die Felder überschwemmt, ja Dorf und Stadt ersäuft, Und fast die gantze Welt in eine See will kehren.
Wer nun dieses nicht vor ausgeschweifet erkennen will, der muß in der That nicht viel Nachsinnen oder Geschmack von einer Sache haben. Opitz hat uns diese Art hochgetriebener Vergrößerungen in der Sprache eines schmeichlenden Buh- lers lächerlich zu machen gesucht, den er p. 161. s. poet. W. IV. B. so entwirft. Er redet ein Frauenzimmer an:
Sie thun wohl einen Eyd, wiewohl nicht ohne lachen, Daß eure Augen auch die Sterne finster machen, Und daß sie heller sind denn alles Firmament, Ja daß die Sonne selbst auch nicht so hefftig brennt. Sie schweren hoch und sehr, daß GOtt euch auserlesen, Vor aller Zierlichkeit und allem schönen Wesen, Und sagen: seelig sey das Jahr und denn die Zeit, Jn der ihr, große Zier der Welt! gebohren seyd. Sie sprechen wohl dabey, daß ihr mit euren Blicken, Ein härter Hertz als Stein vermöget zu entzücken.
Daß
Das VIII. Capitel
Schau wie der Belt beginnt zu toben, Daß du ſolch einen theuren Stein, Zu ſeiner Nymphen hoͤchſter Pein, Aus ihrer Krone weggeſchoben.
Hier koͤnnte es leicht ſeyn, daß dieſe Vergroͤßerung einigen gar zu verwegen vorkaͤme. Denn was will man auf eine Prinzeſſin groͤßeres ſagen? Zugeſchweigen daß man nicht ſieht, was das fuͤr eine Krone der Nymphen geweſen, darinn die Todte einen Edelgeſtein abgegeben. Die Allegorie iſt nicht gar zu richtig.
Uberhaupt aber geht man in Vergroͤßerung der Dinge gemeiniglich zu weit, und uͤberſchreitet dadurch die Regeln der Klugheit. An Malherben hat ſchon Bouhours eine ſehr un- ertraͤgliche Vergroͤßerung der Thraͤnen Petri getadelt, die ich ihrer Seltſamkeit halber aufs allergenaueſte uͤberſetzt ha- be, und hier mittheilen will.
Da hub ſich ſein Geſchrey gleich als ein Donner an, Sein Seufzen war ein Sturm der Eichen faͤllen kan, Und die gelinde Fluth von den vergoßnen Zaͤhren, Verglich ſich einem Strom, der von den Bergen laͤuft, Die Felder uͤberſchwemmt, ja Dorf und Stadt erſaͤuft, Und faſt die gantze Welt in eine See will kehren.
Wer nun dieſes nicht vor ausgeſchweifet erkennen will, der muß in der That nicht viel Nachſinnen oder Geſchmack von einer Sache haben. Opitz hat uns dieſe Art hochgetriebener Vergroͤßerungen in der Sprache eines ſchmeichlenden Buh- lers laͤcherlich zu machen geſucht, den er p. 161. ſ. poet. W. IV. B. ſo entwirft. Er redet ein Frauenzimmer an:
Sie thun wohl einen Eyd, wiewohl nicht ohne lachen, Daß eure Augen auch die Sterne finſter machen, Und daß ſie heller ſind denn alles Firmament, Ja daß die Sonne ſelbſt auch nicht ſo hefftig brennt. Sie ſchweren hoch und ſehr, daß GOtt euch auserleſen, Vor aller Zierlichkeit und allem ſchoͤnen Weſen, Und ſagen: ſeelig ſey das Jahr und denn die Zeit, Jn der ihr, große Zier der Welt! gebohren ſeyd. Sie ſprechen wohl dabey, daß ihr mit euren Blicken, Ein haͤrter Hertz als Stein vermoͤget zu entzuͤcken.
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Das VIII. Capitel
Schau wie der Belt beginnt zu toben,
Daß du ſolch einen theuren Stein,
Zu ſeiner Nymphen hoͤchſter Pein,
Aus ihrer Krone weggeſchoben.
Hier koͤnnte es leicht ſeyn, daß dieſe Vergroͤßerung einigen
gar zu verwegen vorkaͤme. Denn was will man auf eine
Prinzeſſin groͤßeres ſagen? Zugeſchweigen daß man nicht
ſieht, was das fuͤr eine Krone der Nymphen geweſen, darinn
die Todte einen Edelgeſtein abgegeben. Die Allegorie iſt
nicht gar zu richtig.
Uberhaupt aber geht man in Vergroͤßerung der Dinge
gemeiniglich zu weit, und uͤberſchreitet dadurch die Regeln der
Klugheit. An Malherben hat ſchon Bouhours eine ſehr un-
ertraͤgliche Vergroͤßerung der Thraͤnen Petri getadelt, die
ich ihrer Seltſamkeit halber aufs allergenaueſte uͤberſetzt ha-
be, und hier mittheilen will.
Da hub ſich ſein Geſchrey gleich als ein Donner an,
Sein Seufzen war ein Sturm der Eichen faͤllen kan,
Und die gelinde Fluth von den vergoßnen Zaͤhren,
Verglich ſich einem Strom, der von den Bergen laͤuft,
Die Felder uͤberſchwemmt, ja Dorf und Stadt erſaͤuft,
Und faſt die gantze Welt in eine See will kehren.
Wer nun dieſes nicht vor ausgeſchweifet erkennen will, der
muß in der That nicht viel Nachſinnen oder Geſchmack von
einer Sache haben. Opitz hat uns dieſe Art hochgetriebener
Vergroͤßerungen in der Sprache eines ſchmeichlenden Buh-
lers laͤcherlich zu machen geſucht, den er p. 161. ſ. poet. W.
IV. B. ſo entwirft. Er redet ein Frauenzimmer an:
Sie thun wohl einen Eyd, wiewohl nicht ohne lachen,
Daß eure Augen auch die Sterne finſter machen,
Und daß ſie heller ſind denn alles Firmament,
Ja daß die Sonne ſelbſt auch nicht ſo hefftig brennt.
Sie ſchweren hoch und ſehr, daß GOtt euch auserleſen,
Vor aller Zierlichkeit und allem ſchoͤnen Weſen,
Und ſagen: ſeelig ſey das Jahr und denn die Zeit,
Jn der ihr, große Zier der Welt! gebohren ſeyd.
Sie ſprechen wohl dabey, daß ihr mit euren Blicken,
Ein haͤrter Hertz als Stein vermoͤget zu entzuͤcken.
Daß
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/254>, abgerufen am 22.11.2024.
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