nehmlich gegen Todte oder Lebendige ihren beißenden Hohn ausstößt. Z. E. Opitz spottet des Glückes im Absehen auf die Standhafftigkeit Ulyssis dergestalt.
Du kanst, Fortune, ja den werthen Helden zwingen, Hinab ins tiefe Meer bis an den Hals zu springen: Du kanst ja wieder ihn vermischen Lufft und Flut, Kanst fordern, wenn du wilst, sein Leben, Gut und Blut. Daß aber er für dir die Knie auch solle beugen, Viel weinen, kläglich thun, sich wie ein Weib bezeigen, Sein Leben, seine Zeit verdammen für und für, Sein Hertze lassen gehn; das stehet nicht bey dir!
Hieher gehört auch die spöttische Wiederholung der Worte seines Gegners, die sonst Mimesis, oder das Nachspotten genennet wird. Z. E. Jn Sophoclis Antigone spricht Creon mit seinem Sohne Hämon, nach Opitzens Ubersetzung:
Creon. Und ist denn dieß nicht recht, wenn ich mein Reich will ehren? Hämon. Schön ehren! denn du greifst der Götter Ehr itzt an.
Und bald darauf:
Creon. Wilst du durch Drohen mich noch mehr und mehr erherben? Hämon. Was Drohen? wo man Rath und That nicht will verstehn.
Das wären nun die hauptsächlichsten Arten und Gattungen der gewöhnlichen verblümten Redensarten, wodurch die poe- tische Schreibart sowohl als die ungebundne einen besondern Glantz und eine ausnehmende Schönheit bekommt. Hat nun gleich ein Dichter in diesem Stücke eine etwas größere Frey- heit als ein Redner oder Geschichtschreiber; welche ihm des- wegen zukommt, weil er gleichsam in einer Begeisterung, oder aus Eingebung der Musen redet: so muß er doch die ge- sunde Vernunft dabey niemahls aus den Augen setzen. Nicht alle verblümte Redensarten klingen in klugen Ohren schön, und man kan zuweilen gar nicht sagen, warum dieses oder jenes so anstößig klinget. Darinn zeiget sich nun haupt- sächlich der gute Geschmack eines Poeten, daß er eine ge- schickte Wahl unter den poetischen Ausdrückungen zu machen wisse, die ihm seine erhitzte Einbildungs-Krafft an die Hand giebt. Man kan auch nicht eine jede verblümte Redensart in
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Von verbluͤmten Redens-Arten.
nehmlich gegen Todte oder Lebendige ihren beißenden Hohn ausſtoͤßt. Z. E. Opitz ſpottet des Gluͤckes im Abſehen auf die Standhafftigkeit Ulyſſis dergeſtalt.
Du kanſt, Fortune, ja den werthen Helden zwingen, Hinab ins tiefe Meer bis an den Hals zu ſpringen: Du kanſt ja wieder ihn vermiſchen Lufft und Flut, Kanſt fordern, wenn du wilſt, ſein Leben, Gut und Blut. Daß aber er fuͤr dir die Knie auch ſolle beugen, Viel weinen, klaͤglich thun, ſich wie ein Weib bezeigen, Sein Leben, ſeine Zeit verdammen fuͤr und fuͤr, Sein Hertze laſſen gehn; das ſtehet nicht bey dir!
Hieher gehoͤrt auch die ſpoͤttiſche Wiederholung der Worte ſeines Gegners, die ſonſt Mimeſis, oder das Nachſpotten genennet wird. Z. E. Jn Sophoclis Antigone ſpricht Creon mit ſeinem Sohne Haͤmon, nach Opitzens Uberſetzung:
Creon. Und iſt denn dieß nicht recht, wenn ich mein Reich will ehren? Haͤmon. Schoͤn ehren! denn du greifſt der Goͤtter Ehr itzt an.
Und bald darauf:
Creon. Wilſt du durch Drohen mich noch mehr und mehr erherben? Haͤmon. Was Drohen? wo man Rath und That nicht will verſtehn.
Das waͤren nun die hauptſaͤchlichſten Arten und Gattungen der gewoͤhnlichen verbluͤmten Redensarten, wodurch die poe- tiſche Schreibart ſowohl als die ungebundne einen beſondern Glantz und eine ausnehmende Schoͤnheit bekommt. Hat nun gleich ein Dichter in dieſem Stuͤcke eine etwas groͤßere Frey- heit als ein Redner oder Geſchichtſchreiber; welche ihm des- wegen zukommt, weil er gleichſam in einer Begeiſterung, oder aus Eingebung der Muſen redet: ſo muß er doch die ge- ſunde Vernunft dabey niemahls aus den Augen ſetzen. Nicht alle verbluͤmte Redensarten klingen in klugen Ohren ſchoͤn, und man kan zuweilen gar nicht ſagen, warum dieſes oder jenes ſo anſtoͤßig klinget. Darinn zeiget ſich nun haupt- ſaͤchlich der gute Geſchmack eines Poeten, daß er eine ge- ſchickte Wahl unter den poetiſchen Ausdruͤckungen zu machen wiſſe, die ihm ſeine erhitzte Einbildungs-Krafft an die Hand giebt. Man kan auch nicht eine jede verbluͤmte Redensart in
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Von verbluͤmten Redens-Arten.
nehmlich gegen Todte oder Lebendige ihren beißenden Hohn
ausſtoͤßt. Z. E. Opitz ſpottet des Gluͤckes im Abſehen auf
die Standhafftigkeit Ulyſſis dergeſtalt.
Du kanſt, Fortune, ja den werthen Helden zwingen,
Hinab ins tiefe Meer bis an den Hals zu ſpringen:
Du kanſt ja wieder ihn vermiſchen Lufft und Flut,
Kanſt fordern, wenn du wilſt, ſein Leben, Gut und Blut.
Daß aber er fuͤr dir die Knie auch ſolle beugen,
Viel weinen, klaͤglich thun, ſich wie ein Weib bezeigen,
Sein Leben, ſeine Zeit verdammen fuͤr und fuͤr,
Sein Hertze laſſen gehn; das ſtehet nicht bey dir!
Hieher gehoͤrt auch die ſpoͤttiſche Wiederholung der Worte
ſeines Gegners, die ſonſt Mimeſis, oder das Nachſpotten
genennet wird. Z. E. Jn Sophoclis Antigone ſpricht Creon
mit ſeinem Sohne Haͤmon, nach Opitzens Uberſetzung:
Creon. Und iſt denn dieß nicht recht, wenn ich mein Reich will ehren?
Haͤmon. Schoͤn ehren! denn du greifſt der Goͤtter Ehr itzt an.
Und bald darauf:
Creon. Wilſt du durch Drohen mich noch mehr und mehr erherben?
Haͤmon. Was Drohen? wo man Rath und That nicht will verſtehn.
Das waͤren nun die hauptſaͤchlichſten Arten und Gattungen
der gewoͤhnlichen verbluͤmten Redensarten, wodurch die poe-
tiſche Schreibart ſowohl als die ungebundne einen beſondern
Glantz und eine ausnehmende Schoͤnheit bekommt. Hat nun
gleich ein Dichter in dieſem Stuͤcke eine etwas groͤßere Frey-
heit als ein Redner oder Geſchichtſchreiber; welche ihm des-
wegen zukommt, weil er gleichſam in einer Begeiſterung,
oder aus Eingebung der Muſen redet: ſo muß er doch die ge-
ſunde Vernunft dabey niemahls aus den Augen ſetzen.
Nicht alle verbluͤmte Redensarten klingen in klugen Ohren
ſchoͤn, und man kan zuweilen gar nicht ſagen, warum dieſes
oder jenes ſo anſtoͤßig klinget. Darinn zeiget ſich nun haupt-
ſaͤchlich der gute Geſchmack eines Poeten, daß er eine ge-
ſchickte Wahl unter den poetiſchen Ausdruͤckungen zu machen
wiſſe, die ihm ſeine erhitzte Einbildungs-Krafft an die Hand
giebt. Man kan auch nicht eine jede verbluͤmte Redensart in
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/261>, abgerufen am 23.11.2024.
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