also immer was wichtigers sagt. Z. E. Opitz will in s. Trost- Ged. II. B. die Hinfälligkeit der Dinge beschreiben, und thut es so:
Was wollen wir uns denn um dessentwegen grämen, So andern wiederfährt, und der Natur uns schämen? Die Welt kan nicht bestehn, die Länder nicht in ihr, Jn Ländern keine Stadt, in keinen Städten wir.
Jmgleichen p. 67. seiner poetischen Wälder:
Pan aber schläfet nicht, Er geht, er ruft, er schreyt mit sehnlichem Verlangen; Daß seine Stimm erschallt, durch Berge, Wald und Thal.
Zum XXXsten endlich kommt der Eydschwur, eine von den stärcksten Figuren; die also auch nur in lebhafften Affecten vorkommen kan. Es schweren aber die Poeten bey tau- send Sachen, die sonst eben keine Verbindlichkeit machen. Z. E. Flemming läst eine Gärtnerin so schweren:
So wahr ich vor dir steh, Hertzliebster Hortulan. etc.
Besser in seinem schönen Schäferliede von Seladon und Leonoren, läßt seinen Schäfer folgenden Eyd thun:
Jch schwere dir bey meiner Heerde, Daß ich dich ewig lieben werde.
Und Günther in seinem Schreiben, an den König August, hat eben die Figur mit grossem Nachdrucke angebracht, es heißt:
Du hörest freylich nicht, wie vieler Wunsch und Sehnen Dich in Person erhöht. Doch schwer ich bey der Hand, Die deiner Würdigkeit die Krone zuerkannt, Daß so viel tausend sind, die unter Stroh und Hütten Vor dein gesalbtes Haupt in mancher Mundart bitten.
Genug endlich von Figuren; obgleich sie dieses lange nicht alle sind. Denn wer kan sie alle zehlen? Muntre Köpfe bringen täglich neue Arten hervor; und das beste ist, daß man sie offt machen kan, ohne ihren Nahmen zu wis- sen.
Das
S 5
Von den Figuren in der Poeſie.
alſo immer was wichtigers ſagt. Z. E. Opitz will in ſ. Troſt- Ged. II. B. die Hinfaͤlligkeit der Dinge beſchreiben, und thut es ſo:
Was wollen wir uns denn um deſſentwegen graͤmen, So andern wiederfaͤhrt, und der Natur uns ſchaͤmen? Die Welt kan nicht beſtehn, die Laͤnder nicht in ihr, Jn Laͤndern keine Stadt, in keinen Staͤdten wir.
Jmgleichen p. 67. ſeiner poetiſchen Waͤlder:
Pan aber ſchlaͤfet nicht, Er geht, er ruft, er ſchreyt mit ſehnlichem Verlangen; Daß ſeine Stimm erſchallt, durch Berge, Wald und Thal.
Zum XXXſten endlich kommt der Eydſchwur, eine von den ſtaͤrckſten Figuren; die alſo auch nur in lebhafften Affecten vorkommen kan. Es ſchweren aber die Poeten bey tau- ſend Sachen, die ſonſt eben keine Verbindlichkeit machen. Z. E. Flemming laͤſt eine Gaͤrtnerin ſo ſchweren:
So wahr ich vor dir ſteh, Hertzliebſter Hortulan. ꝛc.
Beſſer in ſeinem ſchoͤnen Schaͤferliede von Seladon und Leonoren, laͤßt ſeinen Schaͤfer folgenden Eyd thun:
Jch ſchwere dir bey meiner Heerde, Daß ich dich ewig lieben werde.
Und Guͤnther in ſeinem Schreiben, an den Koͤnig Auguſt, hat eben die Figur mit groſſem Nachdrucke angebracht, es heißt:
Du hoͤreſt freylich nicht, wie vieler Wunſch und Sehnen Dich in Perſon erhoͤht. Doch ſchwer ich bey der Hand, Die deiner Wuͤrdigkeit die Krone zuerkannt, Daß ſo viel tauſend ſind, die unter Stroh und Huͤtten Vor dein geſalbtes Haupt in mancher Mundart bitten.
Genug endlich von Figuren; obgleich ſie dieſes lange nicht alle ſind. Denn wer kan ſie alle zehlen? Muntre Koͤpfe bringen taͤglich neue Arten hervor; und das beſte iſt, daß man ſie offt machen kan, ohne ihren Nahmen zu wiſ- ſen.
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S 5
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Von den Figuren in der Poeſie.
alſo immer was wichtigers ſagt. Z. E. Opitz will in ſ. Troſt-
Ged. II. B. die Hinfaͤlligkeit der Dinge beſchreiben, und
thut es ſo:
Was wollen wir uns denn um deſſentwegen graͤmen,
So andern wiederfaͤhrt, und der Natur uns ſchaͤmen?
Die Welt kan nicht beſtehn, die Laͤnder nicht in ihr,
Jn Laͤndern keine Stadt, in keinen Staͤdten wir.
Jmgleichen p. 67. ſeiner poetiſchen Waͤlder:
Pan aber ſchlaͤfet nicht,
Er geht, er ruft, er ſchreyt mit ſehnlichem Verlangen;
Daß ſeine Stimm erſchallt, durch Berge, Wald und Thal.
Zum XXXſten endlich kommt der Eydſchwur, eine von den
ſtaͤrckſten Figuren; die alſo auch nur in lebhafften Affecten
vorkommen kan. Es ſchweren aber die Poeten bey tau-
ſend Sachen, die ſonſt eben keine Verbindlichkeit machen.
Z. E. Flemming laͤſt eine Gaͤrtnerin ſo ſchweren:
So wahr ich vor dir ſteh,
Hertzliebſter Hortulan. ꝛc.
Beſſer in ſeinem ſchoͤnen Schaͤferliede von Seladon und
Leonoren, laͤßt ſeinen Schaͤfer folgenden Eyd thun:
Jch ſchwere dir bey meiner Heerde,
Daß ich dich ewig lieben werde.
Und Guͤnther in ſeinem Schreiben, an den Koͤnig Auguſt,
hat eben die Figur mit groſſem Nachdrucke angebracht, es
heißt:
Du hoͤreſt freylich nicht, wie vieler Wunſch und Sehnen
Dich in Perſon erhoͤht. Doch ſchwer ich bey der Hand,
Die deiner Wuͤrdigkeit die Krone zuerkannt,
Daß ſo viel tauſend ſind, die unter Stroh und Huͤtten
Vor dein geſalbtes Haupt in mancher Mundart bitten.
Genug endlich von Figuren; obgleich ſie dieſes lange
nicht alle ſind. Denn wer kan ſie alle zehlen? Muntre
Koͤpfe bringen taͤglich neue Arten hervor; und das beſte iſt,
daß man ſie offt machen kan, ohne ihren Nahmen zu wiſ-
ſen.
Das
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/309>, abgerufen am 24.11.2024.
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