Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.Von Oden, oder Liedern, Der Weisheit hold, der Thorheit feind, Der Bürger Trost, des Landes Sonne: Der Bösen Furcht, der Guten Freund, Der Unterthanen Lust und Wonne, Weß ist das Bild? Wo trifft es ein? Sprich, sage, frohes Sondershausen; Mich dünckt man hört die Antwort sausen: Wer kan das sonst als Günther seyn? Ja, theurer Fürst! wer ist wie du Der Tugend sanft, den Lastern strenge, Ein reicher Quell von Glück und Ruh, Ein Muster in der Fürsten Menge? Uns rührt kein mißvergnügter Neid, Jhr unermeßlich-weiten Staaten! Wenn ihr bey harten Potentaten, Nicht Kinder, sondern Sclaven seyd. Die Liebe streitet diesen Tag, Sie kämpft und ringt auf beyden Seiten, Und sinnt, so gut sie weiß und mag, Auf Anmuth, Pracht und Lustbarkeiten. Wenn bald das Haupt sein Volck ergetzt, Und bald das Volck sein Haupt verehret; Wird jeder, der es sieht und höret, Entzückt, und aus sich selbst gesetzt. Ach möchte das Verhängniß doch Den Tag noch funfzigmahl erneuren! So könnte Pflicht und Treue noch Dieß Fest auf späte Zeiten feyren. GOtt geb es! ruffet Land und Stadt: GOtt geb es! schallt das Echo wieder; GOtt geb es! wünschen meine Lieder, Wo Schmeicheley kein Antheil hat. Auf das Absterben der (Tit.) Fr. Präsidentin und Cammer-Herrin von Bünau 1728. JSt mir je ein Lied gelungen, Deutsche Musen, meine Lust, Wenn ich mit entzuckter Brust Euren Thönen nachgesungen: O! so stimmt mir itzt die Seyten, Rührt mir selber Hand und Hertz, Helft mir unsers Bünaus Schmertz Zu der Liebsten Grufft begleiten; An die Grufft, wo Sand und Stein Seiner Wehmuth Zeugen seyn. Seufzer Y
Von Oden, oder Liedern, Der Weisheit hold, der Thorheit feind, Der Buͤrger Troſt, des Landes Sonne: Der Boͤſen Furcht, der Guten Freund, Der Unterthanen Luſt und Wonne, Weß iſt das Bild? Wo trifft es ein? Sprich, ſage, frohes Sondershauſen; Mich duͤnckt man hoͤrt die Antwort ſauſen: Wer kan das ſonſt als Guͤnther ſeyn? Ja, theurer Fuͤrſt! wer iſt wie du Der Tugend ſanft, den Laſtern ſtrenge, Ein reicher Quell von Gluͤck und Ruh, Ein Muſter in der Fuͤrſten Menge? Uns ruͤhrt kein mißvergnuͤgter Neid, Jhr unermeßlich-weiten Staaten! Wenn ihr bey harten Potentaten, Nicht Kinder, ſondern Sclaven ſeyd. Die Liebe ſtreitet dieſen Tag, Sie kaͤmpft und ringt auf beyden Seiten, Und ſinnt, ſo gut ſie weiß und mag, Auf Anmuth, Pracht und Luſtbarkeiten. Wenn bald das Haupt ſein Volck ergetzt, Und bald das Volck ſein Haupt verehret; Wird jeder, der es ſieht und hoͤret, Entzuͤckt, und aus ſich ſelbſt geſetzt. Ach moͤchte das Verhaͤngniß doch Den Tag noch funfzigmahl erneuren! So koͤnnte Pflicht und Treue noch Dieß Feſt auf ſpaͤte Zeiten feyren. GOtt geb es! ruffet Land und Stadt: GOtt geb es! ſchallt das Echo wieder; GOtt geb es! wuͤnſchen meine Lieder, Wo Schmeicheley kein Antheil hat. Auf das Abſterben der (Tit.) Fr. Praͤſidentin und Cammer-Herrin von Buͤnau 1728. JSt mir je ein Lied gelungen, Deutſche Muſen, meine Luſt, Wenn ich mit entzuckter Bruſt Euren Thoͤnen nachgeſungen: O! ſo ſtimmt mir itzt die Seyten, Ruͤhrt mir ſelber Hand und Hertz, Helft mir unſers Buͤnaus Schmertz Zu der Liebſten Grufft begleiten; An die Grufft, wo Sand und Stein Seiner Wehmuth Zeugen ſeyn. Seufzer Y
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Von Oden, oder Liedern,
Der Weisheit hold, der Thorheit feind,
Der Buͤrger Troſt, des Landes Sonne:
Der Boͤſen Furcht, der Guten Freund,
Der Unterthanen Luſt und Wonne,
Weß iſt das Bild? Wo trifft es ein?
Sprich, ſage, frohes Sondershauſen;
Mich duͤnckt man hoͤrt die Antwort ſauſen:
Wer kan das ſonſt als Guͤnther ſeyn?
Ja, theurer Fuͤrſt! wer iſt wie du
Der Tugend ſanft, den Laſtern ſtrenge,
Ein reicher Quell von Gluͤck und Ruh,
Ein Muſter in der Fuͤrſten Menge?
Uns ruͤhrt kein mißvergnuͤgter Neid,
Jhr unermeßlich-weiten Staaten!
Wenn ihr bey harten Potentaten,
Nicht Kinder, ſondern Sclaven ſeyd.
Die Liebe ſtreitet dieſen Tag,
Sie kaͤmpft und ringt auf beyden Seiten,
Und ſinnt, ſo gut ſie weiß und mag,
Auf Anmuth, Pracht und Luſtbarkeiten.
Wenn bald das Haupt ſein Volck ergetzt,
Und bald das Volck ſein Haupt verehret;
Wird jeder, der es ſieht und hoͤret,
Entzuͤckt, und aus ſich ſelbſt geſetzt.
Ach moͤchte das Verhaͤngniß doch
Den Tag noch funfzigmahl erneuren!
So koͤnnte Pflicht und Treue noch
Dieß Feſt auf ſpaͤte Zeiten feyren.
GOtt geb es! ruffet Land und Stadt:
GOtt geb es! ſchallt das Echo wieder;
GOtt geb es! wuͤnſchen meine Lieder,
Wo Schmeicheley kein Antheil hat.
Auf das Abſterben der (Tit.) Fr. Praͤſidentin und
Cammer-Herrin von Buͤnau 1728.
JSt mir je ein Lied gelungen,
Deutſche Muſen, meine Luſt,
Wenn ich mit entzuckter Bruſt
Euren Thoͤnen nachgeſungen:
O! ſo ſtimmt mir itzt die Seyten,
Ruͤhrt mir ſelber Hand und Hertz,
Helft mir unſers Buͤnaus Schmertz
Zu der Liebſten Grufft begleiten;
An die Grufft, wo Sand und Stein
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