Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.Des II Theils I Capitel Auf den Hochfürstl. Geburts-Tag des regierenden Fürsten von Schwartzburg-Sondershausen. 1728. SO brich denn an, erwünschtes Licht! Verkläre den beglückten Morgen, Sonst wird des Himmels Angesicht, Von unserm Haupte Strahlen borgen. Von Günthern, der dem Phöbus gleicht, Der Wissenschafften ehrt und liebet, Die Künste schützt, die Meister übet, Den Musen selbst die Lorbern reicht. Wohlan, es weicht der Schatten Macht. Aurora fängt schon an zu prangen, Sie streicht den dunckeln Flor der Nacht, Gantz munter von den Rosen-Wangen. Der Sonnen Gold streut Blitz und Glantz Auf die gewölckten Himmels-Bogen; Sie blickt schon aus den Wasserwogen, Sie zeigt sich halb, und endlich gantz. Willkommen, angenehmes Fest! Geweyhter Jahrs-Tag unsers Printzen! So offt dein Licht sich spüren läßt; Erquickst du Völcker und Provintzen. Du hast zuerst vergnügt gesehn Jn jener schönen Purpur-Wiegen, Die Lust des treusten Landes liegen: O wär es auch von mir geschehn! O! zeigten sich noch jetzt einmahl Die Glück- und Lusterfüllten Stunden, Da sich bey Wünschen, ohne Zahl, Der theure Günther eingefunden. Da Hof und Bürger, Stadt und Land, Bey der Geburt, so sie erfreute, Sich tausend Gutes prophezeyhte, Sich schon in Hoffnung glücklich fand. Doch nein! der wirckliche Genuß Von Günthers sanftem Regimente, Besiegt der Hoffnung schwachen Schluß So sicher ihn die Ahndung nennte. Wir schmecken mehr als man gehofft. Er nährt und schützt mit Vater-Händen: Man will ihm gern das Hertz verpfänden, Allein er selbst beschämt uns offt. Der
Des II Theils I Capitel Auf den Hochfuͤrſtl. Geburts-Tag des regierenden Fuͤrſten von Schwartzburg-Sondershauſen. 1728. SO brich denn an, erwuͤnſchtes Licht! Verklaͤre den begluͤckten Morgen, Sonſt wird des Himmels Angeſicht, Von unſerm Haupte Strahlen borgen. Von Guͤnthern, der dem Phoͤbus gleicht, Der Wiſſenſchafften ehrt und liebet, Die Kuͤnſte ſchuͤtzt, die Meiſter uͤbet, Den Muſen ſelbſt die Lorbern reicht. Wohlan, es weicht der Schatten Macht. Aurora faͤngt ſchon an zu prangen, Sie ſtreicht den dunckeln Flor der Nacht, Gantz munter von den Roſen-Wangen. Der Sonnen Gold ſtreut Blitz und Glantz Auf die gewoͤlckten Himmels-Bogen; Sie blickt ſchon aus den Waſſerwogen, Sie zeigt ſich halb, und endlich gantz. Willkommen, angenehmes Feſt! Geweyhter Jahrs-Tag unſers Printzen! So offt dein Licht ſich ſpuͤren laͤßt; Erquickſt du Voͤlcker und Provintzen. Du haſt zuerſt vergnuͤgt geſehn Jn jener ſchoͤnen Purpur-Wiegen, Die Luſt des treuſten Landes liegen: O waͤr es auch von mir geſchehn! O! zeigten ſich noch jetzt einmahl Die Gluͤck- und Luſterfuͤllten Stunden, Da ſich bey Wuͤnſchen, ohne Zahl, Der theure Guͤnther eingefunden. Da Hof und Buͤrger, Stadt und Land, Bey der Geburt, ſo ſie erfreute, Sich tauſend Gutes prophezeyhte, Sich ſchon in Hoffnung gluͤcklich fand. Doch nein! der wirckliche Genuß Von Guͤnthers ſanftem Regimente, Beſiegt der Hoffnung ſchwachen Schluß So ſicher ihn die Ahndung nennte. Wir ſchmecken mehr als man gehofft. Er naͤhrt und ſchuͤtzt mit Vater-Haͤnden: Man will ihm gern das Hertz verpfaͤnden, Allein er ſelbſt beſchaͤmt uns offt. Der
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Des II Theils I Capitel
Auf den Hochfuͤrſtl. Geburts-Tag des regierenden Fuͤrſten
von Schwartzburg-Sondershauſen. 1728.
SO brich denn an, erwuͤnſchtes Licht!
Verklaͤre den begluͤckten Morgen,
Sonſt wird des Himmels Angeſicht,
Von unſerm Haupte Strahlen borgen.
Von Guͤnthern, der dem Phoͤbus gleicht,
Der Wiſſenſchafften ehrt und liebet,
Die Kuͤnſte ſchuͤtzt, die Meiſter uͤbet,
Den Muſen ſelbſt die Lorbern reicht.
Wohlan, es weicht der Schatten Macht.
Aurora faͤngt ſchon an zu prangen,
Sie ſtreicht den dunckeln Flor der Nacht,
Gantz munter von den Roſen-Wangen.
Der Sonnen Gold ſtreut Blitz und Glantz
Auf die gewoͤlckten Himmels-Bogen;
Sie blickt ſchon aus den Waſſerwogen,
Sie zeigt ſich halb, und endlich gantz.
Willkommen, angenehmes Feſt!
Geweyhter Jahrs-Tag unſers Printzen!
So offt dein Licht ſich ſpuͤren laͤßt;
Erquickſt du Voͤlcker und Provintzen.
Du haſt zuerſt vergnuͤgt geſehn
Jn jener ſchoͤnen Purpur-Wiegen,
Die Luſt des treuſten Landes liegen:
O waͤr es auch von mir geſchehn!
O! zeigten ſich noch jetzt einmahl
Die Gluͤck- und Luſterfuͤllten Stunden,
Da ſich bey Wuͤnſchen, ohne Zahl,
Der theure Guͤnther eingefunden.
Da Hof und Buͤrger, Stadt und Land,
Bey der Geburt, ſo ſie erfreute,
Sich tauſend Gutes prophezeyhte,
Sich ſchon in Hoffnung gluͤcklich fand.
Doch nein! der wirckliche Genuß
Von Guͤnthers ſanftem Regimente,
Beſiegt der Hoffnung ſchwachen Schluß
So ſicher ihn die Ahndung nennte.
Wir ſchmecken mehr als man gehofft.
Er naͤhrt und ſchuͤtzt mit Vater-Haͤnden:
Man will ihm gern das Hertz verpfaͤnden,
Allein er ſelbſt beſchaͤmt uns offt.
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