Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.Vorrede. den letzten Begriff der Summe nicht bloss für den Fall, dass dieStrecken gleich- oder entgegengesetzt-gerichtet waren, sondern auch für jeden andern Fall festzustellen. Dies konnte auf's ein- fachste geschehen, indem das Gesetz, dass AB + BC = AC sei, auch dann noch festgehalten wurde, wenn A, B, C nicht in einer geraden Linie lagen. -- Hiermit war denn der erste Schritt zu einer Analyse gethan, welche in der Folge zu dem neuen Zweige der Mathematik führte, der hier vorliegt. Aber keinesweges ahnte ich, auf welch' ein fruchtbares und reiches Gebiet ich hier gelangt war; vielmehr schien mir jenes Ergebniss wenig beachtungswerth, bis sich das- selbe mit einer verwandten Idee kombinirte. Indem ich nämlich den Begriff des Produktes in der Geometrie verfolgte, wie er von meinem Vater *) aufgefasst wurde, so ergab sich mir, dass nicht nur das Rechteck, sondern auch das Parallelogram überhaupt als Produkt zweier an einander stossender Seiten desselben zu betrachten sei, wenn man nämlich wiederum nicht das Produkt der Längen, sondern der beiden Strecken mit Festhaltung ihrer Richtungen auffasste. Indem ich nun diesen Begriff des Produktes mit dem vorheraufgestellten der Summe in Kombination brachte, so ergab sich die auffallendste Harmonie; wenn ich nämlich statt die in dem vorher angegebenen Sinne genommene Summe zweier Strecken mit einer dritten in der- selben Ebene liegenden Strecke in dem eben aufgestellten Sinne zu multipliciren, die Stücke einzeln mit derselben Strecke multipli- cirte, und die Produkte mit gehöriger Beobachtung ihrer positiven oder negativen Geltung addirte, so zeigte sich, dass in beiden Fällen jedesmal dasselbe Resultat hervorging und hervorgehen musste. Diese Harmonie liess mich nun allerdings ahnen, dass sich hiermit ein ganz neues Gebiet der Analyse aufschliessen würde, was zu wichtigen Resultaten führen könnte. Doch blieb diese Idee, da *) Vergleiche: J. G. Grassmanns Raumlehre Theil II. pag. 194. und dessen
Trigonometrie p. 10. Vorrede. den letzten Begriff der Summe nicht bloss für den Fall, dass dieStrecken gleich- oder entgegengesetzt-gerichtet waren, sondern auch für jeden andern Fall festzustellen. Dies konnte auf’s ein- fachste geschehen, indem das Gesetz, dass AB + BC = AC sei, auch dann noch festgehalten wurde, wenn A, B, C nicht in einer geraden Linie lagen. — Hiermit war denn der erste Schritt zu einer Analyse gethan, welche in der Folge zu dem neuen Zweige der Mathematik führte, der hier vorliegt. Aber keinesweges ahnte ich, auf welch’ ein fruchtbares und reiches Gebiet ich hier gelangt war; vielmehr schien mir jenes Ergebniss wenig beachtungswerth, bis sich das- selbe mit einer verwandten Idee kombinirte. Indem ich nämlich den Begriff des Produktes in der Geometrie verfolgte, wie er von meinem Vater *) aufgefasst wurde, so ergab sich mir, dass nicht nur das Rechteck, sondern auch das Parallelogram überhaupt als Produkt zweier an einander stossender Seiten desselben zu betrachten sei, wenn man nämlich wiederum nicht das Produkt der Längen, sondern der beiden Strecken mit Festhaltung ihrer Richtungen auffasste. Indem ich nun diesen Begriff des Produktes mit dem vorheraufgestellten der Summe in Kombination brachte, so ergab sich die auffallendste Harmonie; wenn ich nämlich statt die in dem vorher angegebenen Sinne genommene Summe zweier Strecken mit einer dritten in der- selben Ebene liegenden Strecke in dem eben aufgestellten Sinne zu multipliciren, die Stücke einzeln mit derselben Strecke multipli- cirte, und die Produkte mit gehöriger Beobachtung ihrer positiven oder negativen Geltung addirte, so zeigte sich, dass in beiden Fällen jedesmal dasselbe Resultat hervorging und hervorgehen musste. Diese Harmonie liess mich nun allerdings ahnen, dass sich hiermit ein ganz neues Gebiet der Analyse aufschliessen würde, was zu wichtigen Resultaten führen könnte. Doch blieb diese Idee, da *) Vergleiche: J. G. Grassmanns Raumlehre Theil II. pag. 194. und dessen
Trigonometrie p. 10. <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0010" n="VI"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vorrede.</hi></fw><lb/> den letzten Begriff der Summe nicht bloss für den Fall, dass die<lb/> Strecken gleich- oder entgegengesetzt-gerichtet waren, sondern<lb/> auch für jeden andern Fall festzustellen. Dies konnte auf’s ein-<lb/> fachste geschehen, indem das Gesetz, dass AB + BC = AC sei, auch<lb/> dann noch festgehalten wurde, wenn A, B, C nicht in einer geraden<lb/> Linie lagen. — Hiermit war denn der erste Schritt zu einer Analyse<lb/> gethan, welche in der Folge zu dem neuen Zweige der Mathematik<lb/> führte, der hier vorliegt. Aber keinesweges ahnte ich, auf welch’<lb/> ein fruchtbares und reiches Gebiet ich hier gelangt war; vielmehr<lb/> schien mir jenes Ergebniss wenig beachtungswerth, bis sich das-<lb/> selbe mit einer verwandten Idee kombinirte. Indem ich nämlich<lb/> den Begriff des Produktes in der Geometrie verfolgte, wie er von<lb/> meinem Vater <note place="foot" n="*)">Vergleiche: J. G. Grassmanns Raumlehre Theil II. pag. 194. und dessen<lb/> Trigonometrie p. 10.</note> aufgefasst wurde, so ergab sich mir, dass nicht nur<lb/> das Rechteck, sondern auch das Parallelogram überhaupt als Produkt<lb/> zweier an einander stossender Seiten desselben zu betrachten sei, wenn<lb/> man nämlich wiederum nicht das Produkt der Längen, sondern der<lb/> beiden Strecken mit Festhaltung ihrer Richtungen auffasste. Indem<lb/> ich nun diesen Begriff des Produktes mit dem vorheraufgestellten<lb/> der Summe in Kombination brachte, so ergab sich die auffallendste<lb/> Harmonie; wenn ich nämlich statt die in dem vorher angegebenen<lb/> Sinne genommene Summe zweier Strecken mit einer dritten in der-<lb/> selben Ebene liegenden Strecke in dem eben aufgestellten Sinne<lb/> zu multipliciren, die Stücke einzeln mit derselben Strecke multipli-<lb/> cirte, und die Produkte mit gehöriger Beobachtung ihrer positiven<lb/> oder negativen Geltung addirte, so zeigte sich, dass in beiden Fällen<lb/> jedesmal dasselbe Resultat hervorging und hervorgehen musste.<lb/> Diese Harmonie liess mich nun allerdings ahnen, dass sich hiermit<lb/> ein ganz neues Gebiet der Analyse aufschliessen würde, was zu<lb/> wichtigen Resultaten führen könnte. Doch blieb diese Idee, da<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [VI/0010]
Vorrede.
den letzten Begriff der Summe nicht bloss für den Fall, dass die
Strecken gleich- oder entgegengesetzt-gerichtet waren, sondern
auch für jeden andern Fall festzustellen. Dies konnte auf’s ein-
fachste geschehen, indem das Gesetz, dass AB + BC = AC sei, auch
dann noch festgehalten wurde, wenn A, B, C nicht in einer geraden
Linie lagen. — Hiermit war denn der erste Schritt zu einer Analyse
gethan, welche in der Folge zu dem neuen Zweige der Mathematik
führte, der hier vorliegt. Aber keinesweges ahnte ich, auf welch’
ein fruchtbares und reiches Gebiet ich hier gelangt war; vielmehr
schien mir jenes Ergebniss wenig beachtungswerth, bis sich das-
selbe mit einer verwandten Idee kombinirte. Indem ich nämlich
den Begriff des Produktes in der Geometrie verfolgte, wie er von
meinem Vater *) aufgefasst wurde, so ergab sich mir, dass nicht nur
das Rechteck, sondern auch das Parallelogram überhaupt als Produkt
zweier an einander stossender Seiten desselben zu betrachten sei, wenn
man nämlich wiederum nicht das Produkt der Längen, sondern der
beiden Strecken mit Festhaltung ihrer Richtungen auffasste. Indem
ich nun diesen Begriff des Produktes mit dem vorheraufgestellten
der Summe in Kombination brachte, so ergab sich die auffallendste
Harmonie; wenn ich nämlich statt die in dem vorher angegebenen
Sinne genommene Summe zweier Strecken mit einer dritten in der-
selben Ebene liegenden Strecke in dem eben aufgestellten Sinne
zu multipliciren, die Stücke einzeln mit derselben Strecke multipli-
cirte, und die Produkte mit gehöriger Beobachtung ihrer positiven
oder negativen Geltung addirte, so zeigte sich, dass in beiden Fällen
jedesmal dasselbe Resultat hervorging und hervorgehen musste.
Diese Harmonie liess mich nun allerdings ahnen, dass sich hiermit
ein ganz neues Gebiet der Analyse aufschliessen würde, was zu
wichtigen Resultaten führen könnte. Doch blieb diese Idee, da
*) Vergleiche: J. G. Grassmanns Raumlehre Theil II. pag. 194. und dessen
Trigonometrie p. 10.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |