Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 102 Geometrische Sätze über die Mitte.
hier in derselben Bedeutung bei, so erhalten wir auch dieselben
Sätze, von denen wir jedoch die interessantesten in anschauliche-
rer Form darlegen wollen. Stellt man sich zunächst n Punkte
a1 ... an vor, so lässt sich stets ein Punkt s finden, dessen Ab-
weichung von jedem beliebigen Punkte r der n-te Theil ist von
der Gesammt-Abweichung jener n Punkte von demselben Punkte r,
und dieser Punkt ist durch eine solche Gleichung
[Formel 1] vollkommen bestimmt. Dieser Punkt ist es, welchen man den
Punkt der mittleren Entfernung zwischen jenen n Punkten zu nen-
nen pflegt, den ich aber kürzer als deren Mitte bezeichnet habe
(vergl. § 24). Drücken wir nun den obigen Satz geometrischer
aus, so können wir sagen:

"Zieht man von einem veränderlichen Punkte r die Strecken
nach n festen Punkten, so geht die von r aus mit der Summe die-
ser Strecken gezogene Parallele durch einen festen Punkt s, wel-
cher die Mitte zwischen jenen n Punkten heisst, und dessen Ent-
fernung von r der n-te Theil jener Summe ist." Oder wenn wir
auch den Begriff der Summe vermeiden wollen "Zieht man von
einem veränderlichen Punkte r die Strecken nach n festen Punk-
ten, und legt diese Strecken, ohne ihre Richtung und Länge zu än-
dern, stetig, d. h. so an einander, dass der Endpunkt einer jeden
Strecke jedesmal der Anfangspunkt der nächstfolgenden wird, und
macht r zum Anfangspunkt der ersten, so geht die Linie, welche
die so gebildete Figur schliesst, durch einen festen Punkt s, wel-
cher die Mitte der n Punkte ist, und von der schliessenden Seite
nach dem Punkte r zu den n-ten Theil abschneidet." Hieraus er-
giebt sich eine höchst einfache Konstruktion der Mitte, und zu-
gleich das Gesetz, dass die Strecken, welche von der Mitte nach
den n Punkten gezogen werden, stetig an einander gelegt eine ge-
schlossene Figur geben, oder dass sie den Seiten einer geschlos-
senen Figur gleich und parallel sind.

§ 102. Es ist klar, wie die im vorigen § aufgestellten Gesetze
auch noch gelten, wenn sich mehrere der festen Punkte vereini-
gen, wenn man dann nur die Anzahl derselben festhält, und auch
dann noch, wenn man diese Punkte mit beliebigen positiven oder

§ 102 Geometrische Sätze über die Mitte.
hier in derselben Bedeutung bei, so erhalten wir auch dieselben
Sätze, von denen wir jedoch die interessantesten in anschauliche-
rer Form darlegen wollen. Stellt man sich zunächst n Punkte
α1 ... αn vor, so lässt sich stets ein Punkt σ finden, dessen Ab-
weichung von jedem beliebigen Punkte ρ der n-te Theil ist von
der Gesammt-Abweichung jener n Punkte von demselben Punkte ρ,
und dieser Punkt ist durch eine solche Gleichung
[Formel 1] vollkommen bestimmt. Dieser Punkt ist es, welchen man den
Punkt der mittleren Entfernung zwischen jenen n Punkten zu nen-
nen pflegt, den ich aber kürzer als deren Mitte bezeichnet habe
(vergl. § 24). Drücken wir nun den obigen Satz geometrischer
aus, so können wir sagen:

„Zieht man von einem veränderlichen Punkte ρ die Strecken
nach n festen Punkten, so geht die von ρ aus mit der Summe die-
ser Strecken gezogene Parallele durch einen festen Punkt σ, wel-
cher die Mitte zwischen jenen n Punkten heisst, und dessen Ent-
fernung von ρ der n-te Theil jener Summe ist.“ Oder wenn wir
auch den Begriff der Summe vermeiden wollen „Zieht man von
einem veränderlichen Punkte ρ die Strecken nach n festen Punk-
ten, und legt diese Strecken, ohne ihre Richtung und Länge zu än-
dern, stetig, d. h. so an einander, dass der Endpunkt einer jeden
Strecke jedesmal der Anfangspunkt der nächstfolgenden wird, und
macht ρ zum Anfangspunkt der ersten, so geht die Linie, welche
die so gebildete Figur schliesst, durch einen festen Punkt σ, wel-
cher die Mitte der n Punkte ist, und von der schliessenden Seite
nach dem Punkte ρ zu den n-ten Theil abschneidet.“ Hieraus er-
giebt sich eine höchst einfache Konstruktion der Mitte, und zu-
gleich das Gesetz, dass die Strecken, welche von der Mitte nach
den n Punkten gezogen werden, stetig an einander gelegt eine ge-
schlossene Figur geben, oder dass sie den Seiten einer geschlos-
senen Figur gleich und parallel sind.

§ 102. Es ist klar, wie die im vorigen § aufgestellten Gesetze
auch noch gelten, wenn sich mehrere der festen Punkte vereini-
gen, wenn man dann nur die Anzahl derselben festhält, und auch
dann noch, wenn man diese Punkte mit beliebigen positiven oder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0177" n="141"/><fw place="top" type="header">§ 102 Geometrische Sätze über die Mitte.</fw><lb/>
hier in derselben Bedeutung bei, so erhalten wir auch dieselben<lb/>
Sätze, von denen wir jedoch die interessantesten in anschauliche-<lb/>
rer Form darlegen wollen. Stellt man sich zunächst n Punkte<lb/>
&#x03B1;<hi rendition="#sub">1</hi> ... &#x03B1;<hi rendition="#sub">n</hi> vor, so lässt sich stets ein Punkt &#x03C3; finden, dessen Ab-<lb/>
weichung von jedem beliebigen Punkte &#x03C1; der n-te Theil ist von<lb/>
der Gesammt-Abweichung jener n Punkte von demselben Punkte &#x03C1;,<lb/>
und dieser Punkt ist durch eine solche Gleichung<lb/><formula/> vollkommen bestimmt. Dieser Punkt ist es, welchen man den<lb/>
Punkt der mittleren Entfernung zwischen jenen n Punkten zu nen-<lb/>
nen pflegt, den ich aber kürzer als deren Mitte bezeichnet habe<lb/>
(vergl. § 24). Drücken wir nun den obigen Satz geometrischer<lb/>
aus, so können wir sagen:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Zieht man von einem veränderlichen Punkte &#x03C1; die Strecken<lb/>
nach n festen Punkten, so geht die von &#x03C1; aus mit der Summe die-<lb/>
ser Strecken gezogene Parallele durch einen festen Punkt &#x03C3;, wel-<lb/>
cher die Mitte zwischen jenen n Punkten heisst, und dessen Ent-<lb/>
fernung von &#x03C1; der n-te Theil jener Summe ist.&#x201C; Oder wenn wir<lb/>
auch den Begriff der Summe vermeiden wollen &#x201E;Zieht man von<lb/>
einem veränderlichen Punkte &#x03C1; die Strecken nach n festen Punk-<lb/>
ten, und legt diese Strecken, ohne ihre Richtung und Länge zu än-<lb/>
dern, stetig, d. h. so an einander, dass der Endpunkt einer jeden<lb/>
Strecke jedesmal der Anfangspunkt der nächstfolgenden wird, und<lb/>
macht &#x03C1; zum Anfangspunkt der ersten, so geht die Linie, welche<lb/>
die so gebildete Figur schliesst, durch einen festen Punkt &#x03C3;, wel-<lb/>
cher die Mitte der n Punkte ist, und von der schliessenden Seite<lb/>
nach dem Punkte &#x03C1; zu den n-ten Theil abschneidet.&#x201C; Hieraus er-<lb/>
giebt sich eine höchst einfache Konstruktion der Mitte, und zu-<lb/>
gleich das Gesetz, dass die Strecken, welche von der Mitte nach<lb/>
den n Punkten gezogen werden, stetig an einander gelegt eine ge-<lb/>
schlossene Figur geben, oder dass sie den Seiten einer geschlos-<lb/>
senen Figur gleich und parallel sind.</p><lb/>
          <p>§ 102. Es ist klar, wie die im vorigen § aufgestellten Gesetze<lb/>
auch noch gelten, wenn sich mehrere der festen Punkte vereini-<lb/>
gen, wenn man dann nur die Anzahl derselben festhält, und auch<lb/>
dann noch, wenn man diese Punkte mit beliebigen positiven oder<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0177] § 102 Geometrische Sätze über die Mitte. hier in derselben Bedeutung bei, so erhalten wir auch dieselben Sätze, von denen wir jedoch die interessantesten in anschauliche- rer Form darlegen wollen. Stellt man sich zunächst n Punkte α1 ... αn vor, so lässt sich stets ein Punkt σ finden, dessen Ab- weichung von jedem beliebigen Punkte ρ der n-te Theil ist von der Gesammt-Abweichung jener n Punkte von demselben Punkte ρ, und dieser Punkt ist durch eine solche Gleichung [FORMEL] vollkommen bestimmt. Dieser Punkt ist es, welchen man den Punkt der mittleren Entfernung zwischen jenen n Punkten zu nen- nen pflegt, den ich aber kürzer als deren Mitte bezeichnet habe (vergl. § 24). Drücken wir nun den obigen Satz geometrischer aus, so können wir sagen: „Zieht man von einem veränderlichen Punkte ρ die Strecken nach n festen Punkten, so geht die von ρ aus mit der Summe die- ser Strecken gezogene Parallele durch einen festen Punkt σ, wel- cher die Mitte zwischen jenen n Punkten heisst, und dessen Ent- fernung von ρ der n-te Theil jener Summe ist.“ Oder wenn wir auch den Begriff der Summe vermeiden wollen „Zieht man von einem veränderlichen Punkte ρ die Strecken nach n festen Punk- ten, und legt diese Strecken, ohne ihre Richtung und Länge zu än- dern, stetig, d. h. so an einander, dass der Endpunkt einer jeden Strecke jedesmal der Anfangspunkt der nächstfolgenden wird, und macht ρ zum Anfangspunkt der ersten, so geht die Linie, welche die so gebildete Figur schliesst, durch einen festen Punkt σ, wel- cher die Mitte der n Punkte ist, und von der schliessenden Seite nach dem Punkte ρ zu den n-ten Theil abschneidet.“ Hieraus er- giebt sich eine höchst einfache Konstruktion der Mitte, und zu- gleich das Gesetz, dass die Strecken, welche von der Mitte nach den n Punkten gezogen werden, stetig an einander gelegt eine ge- schlossene Figur geben, oder dass sie den Seiten einer geschlos- senen Figur gleich und parallel sind. § 102. Es ist klar, wie die im vorigen § aufgestellten Gesetze auch noch gelten, wenn sich mehrere der festen Punkte vereini- gen, wenn man dann nur die Anzahl derselben festhält, und auch dann noch, wenn man diese Punkte mit beliebigen positiven oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/177
Zitationshilfe: Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/177>, abgerufen am 24.11.2024.