In der That ist es bei der Darstellung einer neuen Wissen- schaft, damit ihre Stellung und ihre Bedeutung recht erkannt werde, unumgänglich nothwendig, sogleich ihre Anwendung und ihre Be- ziehung zu verwandten Gegenständen zu zeigen. Hierzu soll auch zugleich die Einleitung dienen. Diese ist der Natur der Sache nach mehr philosophischer Natur, und, wenn ich diesselbe aus dem Zu- sammenhange des ganzen Werkes heraussonderte, so geschah dies, um die Mathematiker nicht sogleich durch die philosophische Form zurückzuschrecken. Es herrscht nämlich noch immer unter den Ma- thematikern und zum Theil nicht mit Unrecht eine gewisse Scheu vor philosophischen Erörterungen mathematischer und physikalischer Gegenstände; und in der That leiden die meisten Untersuchungen dieser Art, wie sie namentlich von Hegel und seiner Schule geführt sind, an einer Unklarheit und Willkühr, welche alle Frucht solcher Untersuchungen vernichtet. Dessen ungeachtet glaubte ich es der Sache schuldig zu sein, der neuen Wissenschaft ihre Stelle im Ge- biete des Wissens anweisen zu müssen, und stellte daher, um bei- den Forderungen zu genügen, eine Einleitung voran, welche ohne dem Verständniss des Ganzen wesentlich zu schaden, überschlagen werden kann. Auch bemerke ich, dass unter den Anwendungen gleichfalls die, welche sich auf Gegenstände der Natur (Physik, Krystallonomie) beziehen, überschlagen werden können, ohne dass dadurch der Gang der ganzen Entwickelung gestört wird. Durch diese Anwendungen auf die Physik glaubte ich besonders die Wich- tigkeit, ja die Unentbehrlichkeit der neuen Wissenschaft und der in ihr gebotenen Analyse dargethan zu haben. Dass dieselbe in ihrer konkreten Gestalt, d. h. in ihrer Uebertragung auf die Geometrie, einen vortrefflichen Unterrichtsgegenstand liefern würde, welcher einer durchaus elementaren Behandlung fähig ist, hoffe ich gele- gentlich einmal nachweisen zu können, indem zu einer solchen Nachweisung in dem Werke selbst, seiner Bestimmung gemäss, kein Platz gefunden werden konnte. Namentlich ist es bei einer ele-
Vorrede.
In der That ist es bei der Darstellung einer neuen Wissen- schaft, damit ihre Stellung und ihre Bedeutung recht erkannt werde, unumgänglich nothwendig, sogleich ihre Anwendung und ihre Be- ziehung zu verwandten Gegenständen zu zeigen. Hierzu soll auch zugleich die Einleitung dienen. Diese ist der Natur der Sache nach mehr philosophischer Natur, und, wenn ich diesselbe aus dem Zu- sammenhange des ganzen Werkes heraussonderte, so geschah dies, um die Mathematiker nicht sogleich durch die philosophische Form zurückzuschrecken. Es herrscht nämlich noch immer unter den Ma- thematikern und zum Theil nicht mit Unrecht eine gewisse Scheu vor philosophischen Erörterungen mathematischer und physikalischer Gegenstände; und in der That leiden die meisten Untersuchungen dieser Art, wie sie namentlich von Hegel und seiner Schule geführt sind, an einer Unklarheit und Willkühr, welche alle Frucht solcher Untersuchungen vernichtet. Dessen ungeachtet glaubte ich es der Sache schuldig zu sein, der neuen Wissenschaft ihre Stelle im Ge- biete des Wissens anweisen zu müssen, und stellte daher, um bei- den Forderungen zu genügen, eine Einleitung voran, welche ohne dem Verständniss des Ganzen wesentlich zu schaden, überschlagen werden kann. Auch bemerke ich, dass unter den Anwendungen gleichfalls die, welche sich auf Gegenstände der Natur (Physik, Krystallonomie) beziehen, überschlagen werden können, ohne dass dadurch der Gang der ganzen Entwickelung gestört wird. Durch diese Anwendungen auf die Physik glaubte ich besonders die Wich- tigkeit, ja die Unentbehrlichkeit der neuen Wissenschaft und der in ihr gebotenen Analyse dargethan zu haben. Dass dieselbe in ihrer konkreten Gestalt, d. h. in ihrer Uebertragung auf die Geometrie, einen vortrefflichen Unterrichtsgegenstand liefern würde, welcher einer durchaus elementaren Behandlung fähig ist, hoffe ich gele- gentlich einmal nachweisen zu können, indem zu einer solchen Nachweisung in dem Werke selbst, seiner Bestimmung gemäss, kein Platz gefunden werden konnte. Namentlich ist es bei einer ele-
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[XV/0019]
Vorrede.
In der That ist es bei der Darstellung einer neuen Wissen-
schaft, damit ihre Stellung und ihre Bedeutung recht erkannt werde,
unumgänglich nothwendig, sogleich ihre Anwendung und ihre Be-
ziehung zu verwandten Gegenständen zu zeigen. Hierzu soll auch
zugleich die Einleitung dienen. Diese ist der Natur der Sache nach
mehr philosophischer Natur, und, wenn ich diesselbe aus dem Zu-
sammenhange des ganzen Werkes heraussonderte, so geschah dies,
um die Mathematiker nicht sogleich durch die philosophische Form
zurückzuschrecken. Es herrscht nämlich noch immer unter den Ma-
thematikern und zum Theil nicht mit Unrecht eine gewisse Scheu
vor philosophischen Erörterungen mathematischer und physikalischer
Gegenstände; und in der That leiden die meisten Untersuchungen
dieser Art, wie sie namentlich von Hegel und seiner Schule geführt
sind, an einer Unklarheit und Willkühr, welche alle Frucht solcher
Untersuchungen vernichtet. Dessen ungeachtet glaubte ich es der
Sache schuldig zu sein, der neuen Wissenschaft ihre Stelle im Ge-
biete des Wissens anweisen zu müssen, und stellte daher, um bei-
den Forderungen zu genügen, eine Einleitung voran, welche ohne
dem Verständniss des Ganzen wesentlich zu schaden, überschlagen
werden kann. Auch bemerke ich, dass unter den Anwendungen
gleichfalls die, welche sich auf Gegenstände der Natur (Physik,
Krystallonomie) beziehen, überschlagen werden können, ohne dass
dadurch der Gang der ganzen Entwickelung gestört wird. Durch
diese Anwendungen auf die Physik glaubte ich besonders die Wich-
tigkeit, ja die Unentbehrlichkeit der neuen Wissenschaft und der in
ihr gebotenen Analyse dargethan zu haben. Dass dieselbe in ihrer
konkreten Gestalt, d. h. in ihrer Uebertragung auf die Geometrie,
einen vortrefflichen Unterrichtsgegenstand liefern würde, welcher
einer durchaus elementaren Behandlung fähig ist, hoffe ich gele-
gentlich einmal nachweisen zu können, indem zu einer solchen
Nachweisung in dem Werke selbst, seiner Bestimmung gemäss, kein
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Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/19>, abgerufen am 03.12.2024.
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