Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.Eine politische Satyre. König. -- So werd' ich meinen Feinden widerstehn? -- Die Jungfrau von Orleans. -- Wie gefährlich wäre die Satyre wenn sie immer von reinen Händen Unter allen Partheien, welche das neuere Frankreich zerwühlen, haben Und dennoch ermüden sie nicht in ihrem Liliputanischen Kampfe, und Eine politische Satyre. König. — So werd' ich meinen Feinden widerstehn? — Die Jungfrau von Orleans. — Wie gefährlich wäre die Satyre wenn sie immer von reinen Händen Unter allen Partheien, welche das neuere Frankreich zerwühlen, haben Und dennoch ermüden sie nicht in ihrem Liliputanischen Kampfe, und <TEI> <text> <body> <pb corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179577" facs="#f0194" n="186"/> <div n="1"> <head><lb/> Eine politische Satyre.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <epigraph> <cit> <quote><hi rendition="#g">König</hi>. — So werd' ich meinen Feinden widerstehn?<lb/><hi rendition="#g">Johanna</hi>. — Bezwungen leg' ich Frankreich dir zu Füßen!<lb/><hi rendition="#g">König</hi>. — Und Orleans, sagst du, wird nicht übergehn?<lb/><hi rendition="#g">Johanna</hi>. — Eh siehst du die Loire zurücke fließen.</quote> </cit> </epigraph><lb/> <bibl> <hi rendition="#right">— Die Jungfrau von Orleans. —</hi> </bibl><lb/> <p>Wie gefährlich wäre die Satyre wenn sie immer von reinen Händen<lb/> geführt würde! Aber die Satyre ist wie das Schwert der Jungfrau von<lb/> Orleans, das, so lange die Kämpfende rein, jungfräulich, nur von ihrer<lb/> heiligen Sache begeistert war, Wunder wirkte, aber in dem Augenblicke,<lb/> wo eine Leidenschaft, ein persönliches Interesse sich ihres Herzens bemächtigte,<lb/> da verlor das Schwert seine Kraft. — Wir machen die Bemerkung bei<lb/> Gelegenheit einer Satyre, aus der Feder <hi rendition="#g">Bossange's</hi>, die wir vor Augen<lb/> haben, und die an Witz und beißender Ironie ein Meisterstück ihrer Art<lb/> ist. Aber Herr Bossange gehört zu jener Parthei, die aus dem Schutte<lb/> und den Ruinen der Gesellschaft ihr Haus erbauen will, zu jener Par¬<lb/> thei, die unter der Maske democratischen Zelotismus das Volk verhetzt,<lb/> aufstacheln und zum revolutionären Wahnwitz treibt, um aus der zerschmet¬<lb/> terten Constitution eine neue zu erbauen, zu deren Fesseln und Ketten sie<lb/> den Schlüssel hat. — Herr Bossange ist Legitimist! —</p><lb/> <p>Unter allen Partheien, welche das neuere Frankreich zerwühlen, haben<lb/> ohnstreitig die Legitimisten die wenigste Zukunft. Die Fahne die sie aufge¬<lb/> pflanzt, trägt eine Inschrift, die man in Frankreich nicht mehr versteht. Die<lb/> Lehren, welche sie predigen, finden kein Ohr. Ihrem Prinzip fehlt die<lb/> einzige Grundlage, auf welchem es ruhen kann: der Glaube!</p><lb/> <p>Und dennoch ermüden sie nicht in ihrem Liliputanischen Kampfe, und<lb/> dennoch machen sie täglich neue Anstrengungen, das Danaidenfaß zu füllen.<lb/> Und darin liegt auch die Ursache, warum man diesen Windmühlenkampf mit<lb/> mehr Ruhe als die andern Partheikämpfe, gewißermaßen mit Behaglichkeit,<lb/> ansehen kann, ungefähr wie man Schauspieler betrachtet, die mit hoch-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [186/0194]
Eine politische Satyre.
König. — So werd' ich meinen Feinden widerstehn?
Johanna. — Bezwungen leg' ich Frankreich dir zu Füßen!
König. — Und Orleans, sagst du, wird nicht übergehn?
Johanna. — Eh siehst du die Loire zurücke fließen.
— Die Jungfrau von Orleans. —
Wie gefährlich wäre die Satyre wenn sie immer von reinen Händen
geführt würde! Aber die Satyre ist wie das Schwert der Jungfrau von
Orleans, das, so lange die Kämpfende rein, jungfräulich, nur von ihrer
heiligen Sache begeistert war, Wunder wirkte, aber in dem Augenblicke,
wo eine Leidenschaft, ein persönliches Interesse sich ihres Herzens bemächtigte,
da verlor das Schwert seine Kraft. — Wir machen die Bemerkung bei
Gelegenheit einer Satyre, aus der Feder Bossange's, die wir vor Augen
haben, und die an Witz und beißender Ironie ein Meisterstück ihrer Art
ist. Aber Herr Bossange gehört zu jener Parthei, die aus dem Schutte
und den Ruinen der Gesellschaft ihr Haus erbauen will, zu jener Par¬
thei, die unter der Maske democratischen Zelotismus das Volk verhetzt,
aufstacheln und zum revolutionären Wahnwitz treibt, um aus der zerschmet¬
terten Constitution eine neue zu erbauen, zu deren Fesseln und Ketten sie
den Schlüssel hat. — Herr Bossange ist Legitimist! —
Unter allen Partheien, welche das neuere Frankreich zerwühlen, haben
ohnstreitig die Legitimisten die wenigste Zukunft. Die Fahne die sie aufge¬
pflanzt, trägt eine Inschrift, die man in Frankreich nicht mehr versteht. Die
Lehren, welche sie predigen, finden kein Ohr. Ihrem Prinzip fehlt die
einzige Grundlage, auf welchem es ruhen kann: der Glaube!
Und dennoch ermüden sie nicht in ihrem Liliputanischen Kampfe, und
dennoch machen sie täglich neue Anstrengungen, das Danaidenfaß zu füllen.
Und darin liegt auch die Ursache, warum man diesen Windmühlenkampf mit
mehr Ruhe als die andern Partheikämpfe, gewißermaßen mit Behaglichkeit,
ansehen kann, ungefähr wie man Schauspieler betrachtet, die mit hoch-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-11-19T17:23:38Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Signatur Per 61 k-1).
(2013-11-19T17:23:38Z)
Weitere Informationen:Art der Texterfassung: OCR.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |