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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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sichtspunkte zu bewahren, wenn wir in den Bewegungen der deutschen
Literatur vor allein das allgemeine Ziel, wohin sie deuten, aussuchen,
so soll uns diese größere und ernstere Aufgabe doch keineswegs hindern,
an den mannichfachen besonderen Interessen und Gefühlen einen Antheil
zu nehmen, woran das deutsche Vaterland mit seinen zahllosen kleinen
und großen Städten so reich ist.

Und so wollen wir gleich unsere Sympathie für die freundlichen
rheinländischen Zierden gestehen, womit Grabstichel und Feder das vor¬
liegende Taschenbuch ausgestattet haben. Der Gedanke, für den artisti¬
schen Theil des Almanachs die Gemälde lebender deutschen Künstler
zu benutzen, verdient völligen Beifall; wir verlangen, daß ein solches
Jahresprodukt die frische Färbung der Tage und des Ortes an sich trage,
denen es seine Entstehung verdankt, und daß es dadurch den Austausch
der neuesten Erzeugnisse der verschiedenen Localitäten vermittle.*) -- Das
Titelbild zeigt uns das Portrait des geschätzten Malers Ph. Veit, jenes
Meisters, welcher, zugleich im Geiste der deutschen und der römischen
Malerschulen, einfache Wahrheit der Composition mit der Begeisterung
des Gefühls verschmilzt. Ein schöner Stahlstich stellt dieses Künstlers
Bild: die beiden Marien am Grabe, vor. Ein anderes Blatt giebt
uns: Mädchen auf dem Berge, nach Begas; es folgt eine zierliche
Tafel: die Braut, nach Rustige; sodann ein ausdruckvolles Bild nach
F. Lessing: Ezzelino da Romano, im Gefängnisse, in der letzten Stunde
seines Lebens, wo Wuth und Ingrimm des gefesselten Tyrannen, die
Heilung der Wunden unmöglich machte. Romeo und Julie, von C. Sohn,
ruft uns aufs neue die lieblichste Scene des großen Dichters vor's Auge.
Zuletzt kommen noch die Elfen, von Steinbrück, nach der allbeliebten
Tieckischen Novelle. - Wir möchten noch den Wunsch aussprechen, daß
uns das Rheinische Taschenbuch auch eine Auswahl von jenen in Frank¬
furt gestifteten Bildern des Kaisersaales liefere, welche in neuester Zeit
das eigenste und monumentalste sind, was die kunstsinnige Stadt Frank¬
furt auf diesem Felde uns bieten könnte.

Die erste Novelle des Almanachs: Der Tyrann von Padua,
von G. v. Heeringen, behandelt eine Scene aus Ezzelins Jugend.

*) In Belgien, welches eine Almanachliteratur, wie Deutschland sich deren erfreut,
nicht besitzt, wäre Stoff und Gelegenheit genug, zu dergleichen Unternehmun¬
gen. Es reicht hin auf die jahrlichen Kunstausstellungen und den Reichthum
nationaler Erinnerungen und Denkmäler, auf die vielen noch uneröffneten
Quellen heimathlicher Geschichte nnd Novellistik hinzuweisen.

sichtspunkte zu bewahren, wenn wir in den Bewegungen der deutschen
Literatur vor allein das allgemeine Ziel, wohin sie deuten, aussuchen,
so soll uns diese größere und ernstere Aufgabe doch keineswegs hindern,
an den mannichfachen besonderen Interessen und Gefühlen einen Antheil
zu nehmen, woran das deutsche Vaterland mit seinen zahllosen kleinen
und großen Städten so reich ist.

Und so wollen wir gleich unsere Sympathie für die freundlichen
rheinländischen Zierden gestehen, womit Grabstichel und Feder das vor¬
liegende Taschenbuch ausgestattet haben. Der Gedanke, für den artisti¬
schen Theil des Almanachs die Gemälde lebender deutschen Künstler
zu benutzen, verdient völligen Beifall; wir verlangen, daß ein solches
Jahresprodukt die frische Färbung der Tage und des Ortes an sich trage,
denen es seine Entstehung verdankt, und daß es dadurch den Austausch
der neuesten Erzeugnisse der verschiedenen Localitäten vermittle.*) — Das
Titelbild zeigt uns das Portrait des geschätzten Malers Ph. Veit, jenes
Meisters, welcher, zugleich im Geiste der deutschen und der römischen
Malerschulen, einfache Wahrheit der Composition mit der Begeisterung
des Gefühls verschmilzt. Ein schöner Stahlstich stellt dieses Künstlers
Bild: die beiden Marien am Grabe, vor. Ein anderes Blatt giebt
uns: Mädchen auf dem Berge, nach Begas; es folgt eine zierliche
Tafel: die Braut, nach Rustige; sodann ein ausdruckvolles Bild nach
F. Lessing: Ezzelino da Romano, im Gefängnisse, in der letzten Stunde
seines Lebens, wo Wuth und Ingrimm des gefesselten Tyrannen, die
Heilung der Wunden unmöglich machte. Romeo und Julie, von C. Sohn,
ruft uns aufs neue die lieblichste Scene des großen Dichters vor's Auge.
Zuletzt kommen noch die Elfen, von Steinbrück, nach der allbeliebten
Tieckischen Novelle. - Wir möchten noch den Wunsch aussprechen, daß
uns das Rheinische Taschenbuch auch eine Auswahl von jenen in Frank¬
furt gestifteten Bildern des Kaisersaales liefere, welche in neuester Zeit
das eigenste und monumentalste sind, was die kunstsinnige Stadt Frank¬
furt auf diesem Felde uns bieten könnte.

Die erste Novelle des Almanachs: Der Tyrann von Padua,
von G. v. Heeringen, behandelt eine Scene aus Ezzelins Jugend.

*) In Belgien, welches eine Almanachliteratur, wie Deutschland sich deren erfreut,
nicht besitzt, wäre Stoff und Gelegenheit genug, zu dergleichen Unternehmun¬
gen. Es reicht hin auf die jahrlichen Kunstausstellungen und den Reichthum
nationaler Erinnerungen und Denkmäler, auf die vielen noch uneröffneten
Quellen heimathlicher Geschichte nnd Novellistik hinzuweisen.
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[198/0206] sichtspunkte zu bewahren, wenn wir in den Bewegungen der deutschen Literatur vor allein das allgemeine Ziel, wohin sie deuten, aussuchen, so soll uns diese größere und ernstere Aufgabe doch keineswegs hindern, an den mannichfachen besonderen Interessen und Gefühlen einen Antheil zu nehmen, woran das deutsche Vaterland mit seinen zahllosen kleinen und großen Städten so reich ist. Und so wollen wir gleich unsere Sympathie für die freundlichen rheinländischen Zierden gestehen, womit Grabstichel und Feder das vor¬ liegende Taschenbuch ausgestattet haben. Der Gedanke, für den artisti¬ schen Theil des Almanachs die Gemälde lebender deutschen Künstler zu benutzen, verdient völligen Beifall; wir verlangen, daß ein solches Jahresprodukt die frische Färbung der Tage und des Ortes an sich trage, denen es seine Entstehung verdankt, und daß es dadurch den Austausch der neuesten Erzeugnisse der verschiedenen Localitäten vermittle. *) — Das Titelbild zeigt uns das Portrait des geschätzten Malers Ph. Veit, jenes Meisters, welcher, zugleich im Geiste der deutschen und der römischen Malerschulen, einfache Wahrheit der Composition mit der Begeisterung des Gefühls verschmilzt. Ein schöner Stahlstich stellt dieses Künstlers Bild: die beiden Marien am Grabe, vor. Ein anderes Blatt giebt uns: Mädchen auf dem Berge, nach Begas; es folgt eine zierliche Tafel: die Braut, nach Rustige; sodann ein ausdruckvolles Bild nach F. Lessing: Ezzelino da Romano, im Gefängnisse, in der letzten Stunde seines Lebens, wo Wuth und Ingrimm des gefesselten Tyrannen, die Heilung der Wunden unmöglich machte. Romeo und Julie, von C. Sohn, ruft uns aufs neue die lieblichste Scene des großen Dichters vor's Auge. Zuletzt kommen noch die Elfen, von Steinbrück, nach der allbeliebten Tieckischen Novelle. - Wir möchten noch den Wunsch aussprechen, daß uns das Rheinische Taschenbuch auch eine Auswahl von jenen in Frank¬ furt gestifteten Bildern des Kaisersaales liefere, welche in neuester Zeit das eigenste und monumentalste sind, was die kunstsinnige Stadt Frank¬ furt auf diesem Felde uns bieten könnte. Die erste Novelle des Almanachs: Der Tyrann von Padua, von G. v. Heeringen, behandelt eine Scene aus Ezzelins Jugend. *) In Belgien, welches eine Almanachliteratur, wie Deutschland sich deren erfreut, nicht besitzt, wäre Stoff und Gelegenheit genug, zu dergleichen Unternehmun¬ gen. Es reicht hin auf die jahrlichen Kunstausstellungen und den Reichthum nationaler Erinnerungen und Denkmäler, auf die vielen noch uneröffneten Quellen heimathlicher Geschichte nnd Novellistik hinzuweisen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/206>, abgerufen am 19.05.2024.