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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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versetzte, konnte die französische Sympathie nur erstarken. Aber hier trennten
sich beide Wege. Belgien benutzte seine junge Freiheit mit Mäßigung, be¬
strebte sich deren glückliche Folgen in Friede zu genießen, die Quellen seines
Reichthums zu entwickeln, Eisenbahnen zu bauen und zu verlängern, von
welchen man in Frankreich kaum zu reden anfängt. Es weiß, daß seine
Institutionen noch nicht vollkommen sind. Aber um sie zu verbessern, macht
man keine Straßentumulte den Dolch in der Hand. Die Parteien bekämpfen
sich nur in ordnungsmäßigein Kriege auf dem zur Verhandlung der Ge¬
schäfte bestimmten Kampfplane. Die Sorge nach und nach die Mängel un¬
serer Institutionen zu heben, vertrauen wir der Zeit, der Erfahrung, weiser
und ruhiger Ueberlegung. Ein solches Schauspiel bietet uns Frankreich nicht.
Zum zweiten Male vergißt es, daß das Wohlergehen Zweck der Nationen
ist, die Freiheit blos ein freilich nothwendiges aber mit Mäßigung anzuwen¬
dendes Mittel. Es überläßt sich hohlen Theorien, während es doch weit
eher daran denken sollte, die Besorgung seiner Angelegenheiten den wenigen
praktischen Männern zu überlassen, die es besitzt. Es überläßt sich einigen
politischen Abentheurern als Beute, und da ihm der Muth fehlt, den Par¬
teien die Stirne zu bieten, so läßt es um sich kämpfen und sich zerfleischen
von Allen . . . . . .

Wenn die Regierung in Frankreich einmal wieder kräftig geworden
wenn es ernstlich ruhig im Innern und mächtig nach Außen sein wird,
so kann Belgien alle seine Sympathien wieder Frankreich zuwenden, ohne
daß jemals von einer Vereinigung die Rede sein dürfte. Eine solche würde
allerdings unserer Industrie einen größeren Markt eröffnen, aber dieser Vor¬
theil würde schon neutralisirt sein durch die Unruhe und Unstätigkeit aller
Verhältnisse, die wir mit Frankreich theilen müßten und die sich gewiß mit
einem regelmäßigen Geldumlauf und soliden Geschäftsbeziehungen nicht ver¬
trägt. Ueberdieß kann man behaupten, daß während einige Industriezweige
dabei gewinnen würden, so würden andere und zwar in nicht geringer An¬
zahl dadurch stark gefährdet, wenn nicht zernichtet werden, z. B. der Buch¬
handel, die Papierfabrikation, der Taback, der inländische Zucker, die Kat¬
tundruckerei, die chemische Production, Luxus- und Modeartikel und bei der
neuen französischen Fabricationsmethode viele Sorten Tücher. Auch dürfte
wohl Belgien nur ungern, wie fast ganz Frankreich, das Loos ertragen, zu
sehen, wie alle seine Lebenskräfte von Paris ausgesogen würden. Unsere öffent¬
lichen Mittel würden offenbar dazu dienen, die vielen Eisenbahnen zu bauen,
deren Frankreich noch bedarf, den erbärmlichen Zustand seiner Communica¬
tionswege zu verbessern, die Hauptstadt zu befestigen, das verderbliche Co¬
lonisationssystem zu erhalten, das man in Afrika befolgt, und darin sehe
ich wahrlich für uns keine großen Vortheile. Ich weiß auch nicht, ob von

versetzte, konnte die französische Sympathie nur erstarken. Aber hier trennten
sich beide Wege. Belgien benutzte seine junge Freiheit mit Mäßigung, be¬
strebte sich deren glückliche Folgen in Friede zu genießen, die Quellen seines
Reichthums zu entwickeln, Eisenbahnen zu bauen und zu verlängern, von
welchen man in Frankreich kaum zu reden anfängt. Es weiß, daß seine
Institutionen noch nicht vollkommen sind. Aber um sie zu verbessern, macht
man keine Straßentumulte den Dolch in der Hand. Die Parteien bekämpfen
sich nur in ordnungsmäßigein Kriege auf dem zur Verhandlung der Ge¬
schäfte bestimmten Kampfplane. Die Sorge nach und nach die Mängel un¬
serer Institutionen zu heben, vertrauen wir der Zeit, der Erfahrung, weiser
und ruhiger Ueberlegung. Ein solches Schauspiel bietet uns Frankreich nicht.
Zum zweiten Male vergißt es, daß das Wohlergehen Zweck der Nationen
ist, die Freiheit blos ein freilich nothwendiges aber mit Mäßigung anzuwen¬
dendes Mittel. Es überläßt sich hohlen Theorien, während es doch weit
eher daran denken sollte, die Besorgung seiner Angelegenheiten den wenigen
praktischen Männern zu überlassen, die es besitzt. Es überläßt sich einigen
politischen Abentheurern als Beute, und da ihm der Muth fehlt, den Par¬
teien die Stirne zu bieten, so läßt es um sich kämpfen und sich zerfleischen
von Allen . . . . . .

Wenn die Regierung in Frankreich einmal wieder kräftig geworden
wenn es ernstlich ruhig im Innern und mächtig nach Außen sein wird,
so kann Belgien alle seine Sympathien wieder Frankreich zuwenden, ohne
daß jemals von einer Vereinigung die Rede sein dürfte. Eine solche würde
allerdings unserer Industrie einen größeren Markt eröffnen, aber dieser Vor¬
theil würde schon neutralisirt sein durch die Unruhe und Unstätigkeit aller
Verhältnisse, die wir mit Frankreich theilen müßten und die sich gewiß mit
einem regelmäßigen Geldumlauf und soliden Geschäftsbeziehungen nicht ver¬
trägt. Ueberdieß kann man behaupten, daß während einige Industriezweige
dabei gewinnen würden, so würden andere und zwar in nicht geringer An¬
zahl dadurch stark gefährdet, wenn nicht zernichtet werden, z. B. der Buch¬
handel, die Papierfabrikation, der Taback, der inländische Zucker, die Kat¬
tundruckerei, die chemische Production, Luxus- und Modeartikel und bei der
neuen französischen Fabricationsmethode viele Sorten Tücher. Auch dürfte
wohl Belgien nur ungern, wie fast ganz Frankreich, das Loos ertragen, zu
sehen, wie alle seine Lebenskräfte von Paris ausgesogen würden. Unsere öffent¬
lichen Mittel würden offenbar dazu dienen, die vielen Eisenbahnen zu bauen,
deren Frankreich noch bedarf, den erbärmlichen Zustand seiner Communica¬
tionswege zu verbessern, die Hauptstadt zu befestigen, das verderbliche Co¬
lonisationssystem zu erhalten, das man in Afrika befolgt, und darin sehe
ich wahrlich für uns keine großen Vortheile. Ich weiß auch nicht, ob von

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[238/0246] versetzte, konnte die französische Sympathie nur erstarken. Aber hier trennten sich beide Wege. Belgien benutzte seine junge Freiheit mit Mäßigung, be¬ strebte sich deren glückliche Folgen in Friede zu genießen, die Quellen seines Reichthums zu entwickeln, Eisenbahnen zu bauen und zu verlängern, von welchen man in Frankreich kaum zu reden anfängt. Es weiß, daß seine Institutionen noch nicht vollkommen sind. Aber um sie zu verbessern, macht man keine Straßentumulte den Dolch in der Hand. Die Parteien bekämpfen sich nur in ordnungsmäßigein Kriege auf dem zur Verhandlung der Ge¬ schäfte bestimmten Kampfplane. Die Sorge nach und nach die Mängel un¬ serer Institutionen zu heben, vertrauen wir der Zeit, der Erfahrung, weiser und ruhiger Ueberlegung. Ein solches Schauspiel bietet uns Frankreich nicht. Zum zweiten Male vergißt es, daß das Wohlergehen Zweck der Nationen ist, die Freiheit blos ein freilich nothwendiges aber mit Mäßigung anzuwen¬ dendes Mittel. Es überläßt sich hohlen Theorien, während es doch weit eher daran denken sollte, die Besorgung seiner Angelegenheiten den wenigen praktischen Männern zu überlassen, die es besitzt. Es überläßt sich einigen politischen Abentheurern als Beute, und da ihm der Muth fehlt, den Par¬ teien die Stirne zu bieten, so läßt es um sich kämpfen und sich zerfleischen von Allen . . . . . . Wenn die Regierung in Frankreich einmal wieder kräftig geworden wenn es ernstlich ruhig im Innern und mächtig nach Außen sein wird, so kann Belgien alle seine Sympathien wieder Frankreich zuwenden, ohne daß jemals von einer Vereinigung die Rede sein dürfte. Eine solche würde allerdings unserer Industrie einen größeren Markt eröffnen, aber dieser Vor¬ theil würde schon neutralisirt sein durch die Unruhe und Unstätigkeit aller Verhältnisse, die wir mit Frankreich theilen müßten und die sich gewiß mit einem regelmäßigen Geldumlauf und soliden Geschäftsbeziehungen nicht ver¬ trägt. Ueberdieß kann man behaupten, daß während einige Industriezweige dabei gewinnen würden, so würden andere und zwar in nicht geringer An¬ zahl dadurch stark gefährdet, wenn nicht zernichtet werden, z. B. der Buch¬ handel, die Papierfabrikation, der Taback, der inländische Zucker, die Kat¬ tundruckerei, die chemische Production, Luxus- und Modeartikel und bei der neuen französischen Fabricationsmethode viele Sorten Tücher. Auch dürfte wohl Belgien nur ungern, wie fast ganz Frankreich, das Loos ertragen, zu sehen, wie alle seine Lebenskräfte von Paris ausgesogen würden. Unsere öffent¬ lichen Mittel würden offenbar dazu dienen, die vielen Eisenbahnen zu bauen, deren Frankreich noch bedarf, den erbärmlichen Zustand seiner Communica¬ tionswege zu verbessern, die Hauptstadt zu befestigen, das verderbliche Co¬ lonisationssystem zu erhalten, das man in Afrika befolgt, und darin sehe ich wahrlich für uns keine großen Vortheile. Ich weiß auch nicht, ob von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/246>, abgerufen am 21.11.2024.