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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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det, um Ereignisse -- erdichtete oder geschichtliche -- oder eine Mischung
aus Beiden, mit ihren Ergebnissen für das Leben zur lebendigen Anschau¬
ung zu bringen.-- -- --

"Diese Form habe ich daher gewählt, um die Illusion des Drama
zu vervollständigen, so weit es möglich war, ohne die Poesie der Dichtung
selbst zu zerstören oder das Gedicht zu verwässern."-- -- --

Unsere Leser werden nun verstehen, was die Absicht des Herrn Belani ist.
Damit Schillers Werke endlich anfangen populärer zu werden, damit sie so
viel gelesen werden, wie es ihre Schönheit erfordert -- damit ihr Pathos
und die Lyrik darin nicht mehr stören; damit die metrische gebundene Rede
fernerhin die Leser nicht mehr abschrecke, und den Ausruf ihnen auspresse:
das sind Verse, die lese ich nicht! Damit das Dramatische der Schil-
ler'schen Dramen und die "überflüssige, bedeutungslose Worte" des geschick¬
ten Dichters nicht mehr als Hinderniß zwischen ihm und der Nation stehen
-- erscheint Herr Belani als Schutzgott des verkannten Schillers. Er er¬
barmt sich seiner mit gerührtem menschenfreundlichen Herzen und dichtet
seine verpfuschten Sachen um. Tritt näher deutsches Volk! Fernerhin ver¬
langt man nicht mehr, daß du den Schiller im Schiller lesen sollst. Man
verlangt nicht, daß du seine dramatischen Werke oder seine Verse lesen mußt.
Hier siehe deinen Retter! Um nun aber die Wundertinctur kennen zu ler¬
nen, durch welche Meister Belani dem deutschen Volke den Schiller ange¬
nehmer machen wird, als er bisher gewesen ist, müssen wir seine Vorrede
weiter lesen.

"Ich stellte mir, namentlich für dieses historische Schauspiel (andere
Dramen erfordern vielleicht eine andere Behandlung), die Aufgaben:

1) das organische Leben der Dichtung nicht zu zerstören; also den Zu¬
sammenhang und selbst die Ordnung und den wesentlichen Inhalt der
Scenen beizubehalten, soweit es die Form einer wohlgeordneten Er¬
zählung gestattet;
2) diejenigen Theile der Conversation, die Erzählungen durch dramatische
Personen enthalten, welche vorangehende Thatsachen oder mit der
Handlung selbst in Verbindung stehende Ereignisse referiren, in eine
Darstellung der Handlung selbst aufzulösen; diese damit lebendiger zur
Anschauung zu bringen, indem zugleich dadurch die ermüdenden
Längen des Dialogs abgeschnitten werden;
3) die Scenerie lebendiger zu schildern, als es der Dramatiker zur No¬
tiz für den Decorateur bedarf;
4) die Mimik und Plastik der Handlung durch Andeutungen oder Schil¬
derungen zu ersetzen, die zwar der Schauspieler zu seiner Instruction

det, um Ereignisse — erdichtete oder geschichtliche — oder eine Mischung
aus Beiden, mit ihren Ergebnissen für das Leben zur lebendigen Anschau¬
ung zu bringen.— — —

„Diese Form habe ich daher gewählt, um die Illusion des Drama
zu vervollständigen, so weit es möglich war, ohne die Poesie der Dichtung
selbst zu zerstören oder das Gedicht zu verwässern.“— — —

Unsere Leser werden nun verstehen, was die Absicht des Herrn Belani ist.
Damit Schillers Werke endlich anfangen populärer zu werden, damit sie so
viel gelesen werden, wie es ihre Schönheit erfordert — damit ihr Pathos
und die Lyrik darin nicht mehr stören; damit die metrische gebundene Rede
fernerhin die Leser nicht mehr abschrecke, und den Ausruf ihnen auspresse:
das sind Verse, die lese ich nicht! Damit das Dramatische der Schil-
ler'schen Dramen und die „überflüssige, bedeutungslose Worte“ des geschick¬
ten Dichters nicht mehr als Hinderniß zwischen ihm und der Nation stehen
— erscheint Herr Belani als Schutzgott des verkannten Schillers. Er er¬
barmt sich seiner mit gerührtem menschenfreundlichen Herzen und dichtet
seine verpfuschten Sachen um. Tritt näher deutsches Volk! Fernerhin ver¬
langt man nicht mehr, daß du den Schiller im Schiller lesen sollst. Man
verlangt nicht, daß du seine dramatischen Werke oder seine Verse lesen mußt.
Hier siehe deinen Retter! Um nun aber die Wundertinctur kennen zu ler¬
nen, durch welche Meister Belani dem deutschen Volke den Schiller ange¬
nehmer machen wird, als er bisher gewesen ist, müssen wir seine Vorrede
weiter lesen.

„Ich stellte mir, namentlich für dieses historische Schauspiel (andere
Dramen erfordern vielleicht eine andere Behandlung), die Aufgaben:

1) das organische Leben der Dichtung nicht zu zerstören; also den Zu¬
sammenhang und selbst die Ordnung und den wesentlichen Inhalt der
Scenen beizubehalten, soweit es die Form einer wohlgeordneten Er¬
zählung gestattet;
2) diejenigen Theile der Conversation, die Erzählungen durch dramatische
Personen enthalten, welche vorangehende Thatsachen oder mit der
Handlung selbst in Verbindung stehende Ereignisse referiren, in eine
Darstellung der Handlung selbst aufzulösen; diese damit lebendiger zur
Anschauung zu bringen, indem zugleich dadurch die ermüdenden
Längen des Dialogs abgeschnitten werden;
3) die Scenerie lebendiger zu schildern, als es der Dramatiker zur No¬
tiz für den Decorateur bedarf;
4) die Mimik und Plastik der Handlung durch Andeutungen oder Schil¬
derungen zu ersetzen, die zwar der Schauspieler zu seiner Instruction
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[284/0292] det, um Ereignisse — erdichtete oder geschichtliche — oder eine Mischung aus Beiden, mit ihren Ergebnissen für das Leben zur lebendigen Anschau¬ ung zu bringen.— — — „Diese Form habe ich daher gewählt, um die Illusion des Drama zu vervollständigen, so weit es möglich war, ohne die Poesie der Dichtung selbst zu zerstören oder das Gedicht zu verwässern.“— — — Unsere Leser werden nun verstehen, was die Absicht des Herrn Belani ist. Damit Schillers Werke endlich anfangen populärer zu werden, damit sie so viel gelesen werden, wie es ihre Schönheit erfordert — damit ihr Pathos und die Lyrik darin nicht mehr stören; damit die metrische gebundene Rede fernerhin die Leser nicht mehr abschrecke, und den Ausruf ihnen auspresse: das sind Verse, die lese ich nicht! Damit das Dramatische der Schil- ler'schen Dramen und die „überflüssige, bedeutungslose Worte“ des geschick¬ ten Dichters nicht mehr als Hinderniß zwischen ihm und der Nation stehen — erscheint Herr Belani als Schutzgott des verkannten Schillers. Er er¬ barmt sich seiner mit gerührtem menschenfreundlichen Herzen und dichtet seine verpfuschten Sachen um. Tritt näher deutsches Volk! Fernerhin ver¬ langt man nicht mehr, daß du den Schiller im Schiller lesen sollst. Man verlangt nicht, daß du seine dramatischen Werke oder seine Verse lesen mußt. Hier siehe deinen Retter! Um nun aber die Wundertinctur kennen zu ler¬ nen, durch welche Meister Belani dem deutschen Volke den Schiller ange¬ nehmer machen wird, als er bisher gewesen ist, müssen wir seine Vorrede weiter lesen. „Ich stellte mir, namentlich für dieses historische Schauspiel (andere Dramen erfordern vielleicht eine andere Behandlung), die Aufgaben: 1) das organische Leben der Dichtung nicht zu zerstören; also den Zu¬ sammenhang und selbst die Ordnung und den wesentlichen Inhalt der Scenen beizubehalten, soweit es die Form einer wohlgeordneten Er¬ zählung gestattet; 2) diejenigen Theile der Conversation, die Erzählungen durch dramatische Personen enthalten, welche vorangehende Thatsachen oder mit der Handlung selbst in Verbindung stehende Ereignisse referiren, in eine Darstellung der Handlung selbst aufzulösen; diese damit lebendiger zur Anschauung zu bringen, indem zugleich dadurch die ermüdenden Längen des Dialogs abgeschnitten werden; 3) die Scenerie lebendiger zu schildern, als es der Dramatiker zur No¬ tiz für den Decorateur bedarf; 4) die Mimik und Plastik der Handlung durch Andeutungen oder Schil¬ derungen zu ersetzen, die zwar der Schauspieler zu seiner Instruction

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/292>, abgerufen am 22.11.2024.