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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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meisten Frische und Leben athmet. Wie viel anders würde hier Verfahren seyn, hätte dem
Geiste die bezeichnete Energie eines Sebastian Bach und Gluck voll feurigen, ungefes¬
selten Ausdrucks innegewohnt. So scheiterte das Talent unmittelbar, wo es nur eben be¬
rührt wurde, die Illusion des Rhetorischen und Phantastischen aufzugeben und sich mit der
Auffassung des Gewöhnlichen gemein zu machen. Wir können gerade heraussagen, daß Mo¬
zart nicht Kraft und Consequenz genug hatte, um seinem Charakter, seiner Weise der kom¬
binatorischen Elemente getreu zu bleiben.

Die zweite Manier besteht in der Aneignung italienischer Gesangesweise. Es ist bekannt
genug, daß Mozart gegen die Theilnahme, welche man damals noch mehr wie jetzt den Ita¬
lienern zollte, keinesweges unempfindlich blieb. Er hat ihr theilweise die Deutschheit geop¬
fert und der südlichen, wollüstigen Melodie in seinen Opern die Thüre geöffnet. So kann
Mozart als ein Vorläufer Meyer Beer's betrachtet werden, oder vielmehr kann dieser
sich ans jenen berufen, um eine Autorität für seine, freilich mit noch einem, nämlich dem fran¬
zösischen Volke, coquettirende Muse zu haben.

Erst die dritte Manier gehört Mozart an, aber auch hier mehr der Bildung, der gu¬
ten harmonischen Schule, als dem freien Talent. So könnte man denn ohne Schwärmerei
und pietistische Dumpfheit mit unbefangenen, klaren Augen an Mozart bemerken, daß hier
nicht das stolze Sternbild eines ewigen, tadellosen Musikers glüht, als welches man ihn noch
immer gerne betrachten möchte. Mozart verdankte mehr der unfreigebigen Erfahrung, als
der freigebigen Natur. Seine Compositionen sind ungleichmäßig, mehr im Einzelnen, als
im Ganzen vollendet, weil nicht der eigentliche Genius, sondern die cultivirte Erfahrung die
Mittel hergab."



Ein neues Compagnie-Lustspiel.

Abermals ein Compagnie Lustspiel, dießmal in vier Acten. Gerle ist wieder einer
der Mitarbeiter, der andere Herr Lederer, Doctor Juris, in Prag. Urteilsfähige Män¬
ner rühmen tüchtige Characteristik und geistvollen Dialog an diesem neuen Lustspiel.
Wollte Gott! Wir brauchen derlei. Die Preisausschreibung in Berlin läßt wenig
Glänzendes hoffen. Das Stück führt den Titel: Zwei Kranke, Lustspiel von Bei¬
den. Es kömmt in Stuttgart zuerst in die Scene. Stuttgart ist ein freundliches Feld
für die junge dramatische Literatur, und der feingebildete Regisseur Moritz ein tüchtiger
Taufpathe.



Nachahmungswürdig!

Antwerpen, die Geburtsstadt so vieler großer Männer, hat unlängst in einer seiner
Magistratssitzungen den Beschluß gefaßt, alle jene Häuser, in welchen einer ihrer be¬
rühmten Söhne geboren wurde, oder gelebt hat (Rubens, Van Dyk, Jordaens,
Quentin Metsys etc. sind bekanntlich Antwerpner Bürger gewesen), durch eine in Stein
gehauene Tafel, worauf Name, Datum etc. sich befinden, auszuzeichnen. Es wäre zu
wünschen, daß man in Deutschland diesem Beispiele folgte.



meisten Frische und Leben athmet. Wie viel anders würde hier Verfahren seyn, hätte dem
Geiste die bezeichnete Energie eines Sebastian Bach und Gluck voll feurigen, ungefes¬
selten Ausdrucks innegewohnt. So scheiterte das Talent unmittelbar, wo es nur eben be¬
rührt wurde, die Illusion des Rhetorischen und Phantastischen aufzugeben und sich mit der
Auffassung des Gewöhnlichen gemein zu machen. Wir können gerade heraussagen, daß Mo¬
zart nicht Kraft und Consequenz genug hatte, um seinem Charakter, seiner Weise der kom¬
binatorischen Elemente getreu zu bleiben.

Die zweite Manier besteht in der Aneignung italienischer Gesangesweise. Es ist bekannt
genug, daß Mozart gegen die Theilnahme, welche man damals noch mehr wie jetzt den Ita¬
lienern zollte, keinesweges unempfindlich blieb. Er hat ihr theilweise die Deutschheit geop¬
fert und der südlichen, wollüstigen Melodie in seinen Opern die Thüre geöffnet. So kann
Mozart als ein Vorläufer Meyer Beer's betrachtet werden, oder vielmehr kann dieser
sich ans jenen berufen, um eine Autorität für seine, freilich mit noch einem, nämlich dem fran¬
zösischen Volke, coquettirende Muse zu haben.

Erst die dritte Manier gehört Mozart an, aber auch hier mehr der Bildung, der gu¬
ten harmonischen Schule, als dem freien Talent. So könnte man denn ohne Schwärmerei
und pietistische Dumpfheit mit unbefangenen, klaren Augen an Mozart bemerken, daß hier
nicht das stolze Sternbild eines ewigen, tadellosen Musikers glüht, als welches man ihn noch
immer gerne betrachten möchte. Mozart verdankte mehr der unfreigebigen Erfahrung, als
der freigebigen Natur. Seine Compositionen sind ungleichmäßig, mehr im Einzelnen, als
im Ganzen vollendet, weil nicht der eigentliche Genius, sondern die cultivirte Erfahrung die
Mittel hergab.“



Ein neues Compagnie-Lustspiel.

Abermals ein Compagnie Lustspiel, dießmal in vier Acten. Gerle ist wieder einer
der Mitarbeiter, der andere Herr Lederer, Doctor Juris, in Prag. Urteilsfähige Män¬
ner rühmen tüchtige Characteristik und geistvollen Dialog an diesem neuen Lustspiel.
Wollte Gott! Wir brauchen derlei. Die Preisausschreibung in Berlin läßt wenig
Glänzendes hoffen. Das Stück führt den Titel: Zwei Kranke, Lustspiel von Bei¬
den. Es kömmt in Stuttgart zuerst in die Scene. Stuttgart ist ein freundliches Feld
für die junge dramatische Literatur, und der feingebildete Regisseur Moritz ein tüchtiger
Taufpathe.



Nachahmungswürdig!

Antwerpen, die Geburtsstadt so vieler großer Männer, hat unlängst in einer seiner
Magistratssitzungen den Beschluß gefaßt, alle jene Häuser, in welchen einer ihrer be¬
rühmten Söhne geboren wurde, oder gelebt hat (Rubens, Van Dyk, Jordaens,
Quentin Metsys ꝛc. sind bekanntlich Antwerpner Bürger gewesen), durch eine in Stein
gehauene Tafel, worauf Name, Datum ꝛc. sich befinden, auszuzeichnen. Es wäre zu
wünschen, daß man in Deutschland diesem Beispiele folgte.



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[68/0076] meisten Frische und Leben athmet. Wie viel anders würde hier Verfahren seyn, hätte dem Geiste die bezeichnete Energie eines Sebastian Bach und Gluck voll feurigen, ungefes¬ selten Ausdrucks innegewohnt. So scheiterte das Talent unmittelbar, wo es nur eben be¬ rührt wurde, die Illusion des Rhetorischen und Phantastischen aufzugeben und sich mit der Auffassung des Gewöhnlichen gemein zu machen. Wir können gerade heraussagen, daß Mo¬ zart nicht Kraft und Consequenz genug hatte, um seinem Charakter, seiner Weise der kom¬ binatorischen Elemente getreu zu bleiben. Die zweite Manier besteht in der Aneignung italienischer Gesangesweise. Es ist bekannt genug, daß Mozart gegen die Theilnahme, welche man damals noch mehr wie jetzt den Ita¬ lienern zollte, keinesweges unempfindlich blieb. Er hat ihr theilweise die Deutschheit geop¬ fert und der südlichen, wollüstigen Melodie in seinen Opern die Thüre geöffnet. So kann Mozart als ein Vorläufer Meyer Beer's betrachtet werden, oder vielmehr kann dieser sich ans jenen berufen, um eine Autorität für seine, freilich mit noch einem, nämlich dem fran¬ zösischen Volke, coquettirende Muse zu haben. Erst die dritte Manier gehört Mozart an, aber auch hier mehr der Bildung, der gu¬ ten harmonischen Schule, als dem freien Talent. So könnte man denn ohne Schwärmerei und pietistische Dumpfheit mit unbefangenen, klaren Augen an Mozart bemerken, daß hier nicht das stolze Sternbild eines ewigen, tadellosen Musikers glüht, als welches man ihn noch immer gerne betrachten möchte. Mozart verdankte mehr der unfreigebigen Erfahrung, als der freigebigen Natur. Seine Compositionen sind ungleichmäßig, mehr im Einzelnen, als im Ganzen vollendet, weil nicht der eigentliche Genius, sondern die cultivirte Erfahrung die Mittel hergab.“ Ein neues Compagnie-Lustspiel. Abermals ein Compagnie Lustspiel, dießmal in vier Acten. Gerle ist wieder einer der Mitarbeiter, der andere Herr Lederer, Doctor Juris, in Prag. Urteilsfähige Män¬ ner rühmen tüchtige Characteristik und geistvollen Dialog an diesem neuen Lustspiel. Wollte Gott! Wir brauchen derlei. Die Preisausschreibung in Berlin läßt wenig Glänzendes hoffen. Das Stück führt den Titel: Zwei Kranke, Lustspiel von Bei¬ den. Es kömmt in Stuttgart zuerst in die Scene. Stuttgart ist ein freundliches Feld für die junge dramatische Literatur, und der feingebildete Regisseur Moritz ein tüchtiger Taufpathe. Nachahmungswürdig! Antwerpen, die Geburtsstadt so vieler großer Männer, hat unlängst in einer seiner Magistratssitzungen den Beschluß gefaßt, alle jene Häuser, in welchen einer ihrer be¬ rühmten Söhne geboren wurde, oder gelebt hat (Rubens, Van Dyk, Jordaens, Quentin Metsys ꝛc. sind bekanntlich Antwerpner Bürger gewesen), durch eine in Stein gehauene Tafel, worauf Name, Datum ꝛc. sich befinden, auszuzeichnen. Es wäre zu wünschen, daß man in Deutschland diesem Beispiele folgte.

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Bayerische Staatbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Signatur Per 61 k-1). (2013-11-19T17:23:38Z)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/76>, abgerufen am 22.11.2024.