Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.Verliebte und galante Gedichte. Er sendet jemanden das Contrefait seiner Nachbarinnen. Weil du/ geehrter Freund/ schon offtmahls hast geschrieben/ Daß ich das Contrefait der schönen Nachbarinn/ So ich dir zugesagt/ zu schicken möcht belieben/ So flieget dieses Blat zu deinem Schlosse hin. Es gläntzet zwar nicht fein mit bunt-couleurten Farben/ Doch ihrer Trefflichkeit blitzt auch von dem Papier; Des Mahlers seine Kunst muß/ arm am Witze/ darben/ Denn ihre Nettigkeit geht seiner Schmincke für/ Kan nun kein Mahler nicht der Schönheit Strahl erheben? So wird mein rüder Kiel viel wenger tüchtig seyn Der schönen Nachbarinn die Farben recht zu geben/ Da ihre Augen gleich den Zweiffels-Saamen streun. Wo fang ich aber an die Schönheit abzumahlen? Ein jedes Glied verdient den schönen Ehren-Krantz/ Die Venus siehet man aus allen Theilen Strahlen Und Cynthia verschwendt den hellen Silber Glantz. Doch! schau/ ich will zu erst bey ihrem Haar anfangen/ Das Serens Wurm-Gespinst an Zartheit angewinnt/ Die Berenice mag mit güldnen Zöpffen prangen/ So wird der Sternen Schein bey ihrer Nacht doch blind. Die Stirne macht beschämt was Junens Milch gezeuget/ Narcissens weisse Pracht die stoltzen Segel streicht: Der glatte Alabast vor solchen Schmuck sich neiget/ Und in die schwartze Grufft der ersten Wohnung weicht. Die Augen sind ein Blitz der durch die Lüffte fähret Davor der Diamant der Strahlen Glantz verliehrt/ Ein Dunckel/ das die Nacht mit düstern Schatten nehret Und doch den Sonnen Schein aus schwartzen Pech gebiehrt. Die Nase prahlt mit Schnee/ die aller Dinge Amme/ Die gütige Natur recht zierlich ausgemacht/ Nicht daß man sie als klein noch als zu groß verdamme/ Dianens silber Horn hat ihr den Glantz gebracht. Die Wangen siegen an den wunder-schöner Nelcken/ Die Morgen-Röht' erstaunt vor ihrer Purpur-Pracht/ Die Anemonen gleich vor den Corall verwelcken/ Die Tulpe giebt der Welt auf ewig gute Nacht. Vor
Verliebte und galante Gedichte. Er ſendet jemanden das Contrefait ſeiner Nachbarinnen. Weil du/ geehrter Freund/ ſchon offtmahls haſt geſchrieben/ Daß ich das Contrefait der ſchoͤnen Nachbarinn/ So ich dir zugeſagt/ zu ſchicken moͤcht belieben/ So flieget dieſes Blat zu deinem Schloſſe hin. Es glaͤntzet zwar nicht fein mit bunt-couleurten Farben/ Doch ihrer Trefflichkeit blitzt auch von dem Papier; Des Mahlers ſeine Kunſt muß/ arm am Witze/ darben/ Denn ihre Nettigkeit geht ſeiner Schmincke fuͤr/ Kan nun kein Mahler nicht der Schoͤnheit Strahl erheben? So wird mein ruͤder Kiel viel wenger tuͤchtig ſeyn Der ſchoͤnen Nachbarinn die Farben recht zu geben/ Da ihre Augen gleich den Zweiffels-Saamen ſtreun. Wo fang ich aber an die Schoͤnheit abzumahlen? Ein jedes Glied verdient den ſchoͤnen Ehren-Krantz/ Die Venus ſiehet man aus allen Theilen Strahlen Und Cynthia verſchwendt den hellen Silber Glantz. Doch! ſchau/ ich will zu erſt bey ihrem Haar anfangen/ Das Serens Wurm-Geſpinſt an Zartheit angewinnt/ Die Berenice mag mit guͤldnen Zoͤpffen prangen/ So wird der Sternen Schein bey ihrer Nacht doch blind. Die Stirne macht beſchaͤmt was Junens Milch gezeuget/ Narciſſens weiſſe Pracht die ſtoltzen Segel ſtreicht: Der glatte Alabaſt vor ſolchen Schmuck ſich neiget/ Und in die ſchwartze Grufft der erſten Wohnung weicht. Die Augen ſind ein Blitz der durch die Luͤffte faͤhret Davor der Diamant der Strahlen Glantz verliehrt/ Ein Dunckel/ das die Nacht mit duͤſtern Schatten nehret Und doch den Sonnen Schein aus ſchwartzen Pech gebiehrt. Die Naſe prahlt mit Schnee/ die aller Dinge Amme/ Die guͤtige Natur recht zierlich ausgemacht/ Nicht daß man ſie als klein noch als zu groß verdamme/ Dianens ſilber Horn hat ihr den Glantz gebracht. Die Wangen ſiegen an den wunder-ſchoͤner Nelcken/ Die Morgen-Roͤht’ erſtaunt vor ihrer Purpur-Pracht/ Die Anemonen gleich vor den Corall verwelcken/ Die Tulpe giebt der Welt auf ewig gute Nacht. Vor
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Verliebte und galante Gedichte.
Er ſendet jemanden das Contrefait ſeiner
Nachbarinnen.
Weil du/ geehrter Freund/ ſchon offtmahls haſt geſchrieben/
Daß ich das Contrefait der ſchoͤnen Nachbarinn/
So ich dir zugeſagt/ zu ſchicken moͤcht belieben/
So flieget dieſes Blat zu deinem Schloſſe hin.
Es glaͤntzet zwar nicht fein mit bunt-couleurten Farben/
Doch ihrer Trefflichkeit blitzt auch von dem Papier;
Des Mahlers ſeine Kunſt muß/ arm am Witze/ darben/
Denn ihre Nettigkeit geht ſeiner Schmincke fuͤr/
Kan nun kein Mahler nicht der Schoͤnheit Strahl erheben?
So wird mein ruͤder Kiel viel wenger tuͤchtig ſeyn
Der ſchoͤnen Nachbarinn die Farben recht zu geben/
Da ihre Augen gleich den Zweiffels-Saamen ſtreun.
Wo fang ich aber an die Schoͤnheit abzumahlen?
Ein jedes Glied verdient den ſchoͤnen Ehren-Krantz/
Die Venus ſiehet man aus allen Theilen Strahlen
Und Cynthia verſchwendt den hellen Silber Glantz.
Doch! ſchau/ ich will zu erſt bey ihrem Haar anfangen/
Das Serens Wurm-Geſpinſt an Zartheit angewinnt/
Die Berenice mag mit guͤldnen Zoͤpffen prangen/
So wird der Sternen Schein bey ihrer Nacht doch blind.
Die Stirne macht beſchaͤmt was Junens Milch gezeuget/
Narciſſens weiſſe Pracht die ſtoltzen Segel ſtreicht:
Der glatte Alabaſt vor ſolchen Schmuck ſich neiget/
Und in die ſchwartze Grufft der erſten Wohnung weicht.
Die Augen ſind ein Blitz der durch die Luͤffte faͤhret
Davor der Diamant der Strahlen Glantz verliehrt/
Ein Dunckel/ das die Nacht mit duͤſtern Schatten nehret
Und doch den Sonnen Schein aus ſchwartzen Pech gebiehrt.
Die Naſe prahlt mit Schnee/ die aller Dinge Amme/
Die guͤtige Natur recht zierlich ausgemacht/
Nicht daß man ſie als klein noch als zu groß verdamme/
Dianens ſilber Horn hat ihr den Glantz gebracht.
Die Wangen ſiegen an den wunder-ſchoͤner Nelcken/
Die Morgen-Roͤht’ erſtaunt vor ihrer Purpur-Pracht/
Die Anemonen gleich vor den Corall verwelcken/
Die Tulpe giebt der Welt auf ewig gute Nacht.
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