Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

Bild:
<< vorherige Seite
Verliebte und galante Gedichte.
Vor den Zinnober Mund-Rubin und Scharlach fallen/
Der Tyrer Schnecken-Blut/ und der gekröhnt Granat/
Die machen sich hinweg vor ihren Mund-Corallen/
Der Venus kostbahr Blut sich da verspritzet hat.
Die Zähne sind gepflantzt vom feinsten Helffen-beine/
Wodurch die holde Zung/ und ihres Athen West/
Gesichert sind umschantzt in Perlen-weisse Zäune/
Daß kein vergrelter Nord in ihre Kähle bläßt.
Das Kinn ist künstlich rund/ worauf Jesminen blühen/
Die ein beliebter Türcks der blauen Adern küßt;
Kein Archimedes kan so nette Scheidung ziehen
Als des galanten Kinns gespaltne Höle ist.
Der Hals verschwärtzt den Schnee und die gebleichte Seide/
Das feinste Post-Papier wird schlechtes Maclatur:
Zu Kohlen wird vor ihn die allerreinste Kreide/
Und seine Klarheit rühmt am meisten die Natur.
Die Brüste quilln hervor als glatte Marmor-Ballen/
Zinnober wächst auf Milch/ Granaten krönt Rubin/
Auf ihren Hügeln stehn die röhtsten Meer-Corallen/
Die in dem höchsten Schmuck auf Perlen-Mutter glühn.
Hier muß der Mahler weg und auch die Feder weichen/
Weil der verborgne Schatz in seinen Schaalen bleibt/
Das Contrefait wird auch sein Ende gleich erreichen
Wenn die galante Hand erst in den Federn treibt.
Allein! was soll der Hand ich an die Seiten stellen?
Der feinster Nessel-Tuch und Seide ist zu hart/
Wo man aus Marmor sieht den blauen Türckis quellen/
Der mit beliebten Schnee der Finger sich gepaart.
Beschaue nun dis Bild/ betrachte alle Züge
Und setze die Couleur wohin sich jede reist/
Sieh meine Worte durch/ erwege jede Riege/
Und sage mir hernach was vor ein Bild sich weißt.
Zwar köntest du hier wol die Mahlerey verlachen/
Weil ein verstumpffter Kiel kein Pinsel es gethan/
Und fragen/ was du solst mit diesen Sachen machen?
Doch wisse/ daß du siehst Cassandren selber an.
Er
Verliebte und galante Gedichte.
Vor den Zinnober Mund-Rubin und Scharlach fallen/
Der Tyrer Schnecken-Blut/ und der gekroͤhnt Granat/
Die machen ſich hinweg vor ihren Mund-Corallen/
Der Venus koſtbahr Blut ſich da verſpritzet hat.
Die Zaͤhne ſind gepflantzt vom feinſten Helffen-beine/
Wodurch die holde Zung/ und ihres Athen Weſt/
Geſichert ſind umſchantzt in Perlen-weiſſe Zaͤune/
Daß kein vergrelter Nord in ihre Kaͤhle blaͤßt.
Das Kinn iſt kuͤnſtlich rund/ worauf Jesminen bluͤhen/
Die ein beliebter Tuͤrcks der blauen Adern kuͤßt;
Kein Archimedes kan ſo nette Scheidung ziehen
Als des galanten Kinns geſpaltne Hoͤle iſt.
Der Hals verſchwaͤrtzt den Schnee und die gebleichte Seide/
Das feinſte Poſt-Papier wird ſchlechtes Maclatur:
Zu Kohlen wird vor ihn die allerreinſte Kreide/
Und ſeine Klarheit ruͤhmt am meiſten die Natur.
Die Bruͤſte quilln hervor als glatte Marmor-Ballen/
Zinnober waͤchſt auf Milch/ Granaten kroͤnt Rubin/
Auf ihren Huͤgeln ſtehn die roͤhtſten Meer-Corallen/
Die in dem hoͤchſten Schmuck auf Perlen-Mutter gluͤhn.
Hier muß der Mahler weg und auch die Feder weichen/
Weil der verborgne Schatz in ſeinen Schaalen bleibt/
Das Contrefait wird auch ſein Ende gleich erreichen
Wenn die galante Hand erſt in den Federn treibt.
Allein! was ſoll der Hand ich an die Seiten ſtellen?
Der feinſter Neſſel-Tuch und Seide iſt zu hart/
Wo man aus Marmor ſieht den blauen Tuͤrckis quellen/
Der mit beliebten Schnee der Finger ſich gepaart.
Beſchaue nun dis Bild/ betrachte alle Zuͤge
Und ſetze die Couleur wohin ſich jede reiſt/
Sieh meine Worte durch/ erwege jede Riege/
Und ſage mir hernach was vor ein Bild ſich weißt.
Zwar koͤnteſt du hier wol die Mahlerey verlachen/
Weil ein verſtumpffter Kiel kein Pinſel es gethan/
Und fragen/ was du ſolſt mit dieſen Sachen machen?
Doch wiſſe/ daß du ſiehſt Caſſandren ſelber an.
Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0079" n="61"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verliebte und <hi rendition="#aq">galante</hi> Gedichte.</hi> </fw><lb/>
            <l>Vor den Zinnober Mund-Rubin und Scharlach fallen/</l><lb/>
            <l>Der <hi rendition="#aq">Tyrer</hi> Schnecken-Blut/ und der gekro&#x0364;hnt Granat/</l><lb/>
            <l>Die machen &#x017F;ich hinweg vor ihren Mund-Corallen/</l><lb/>
            <l>Der <hi rendition="#aq">Venus</hi> ko&#x017F;tbahr Blut &#x017F;ich da ver&#x017F;pritzet hat.</l><lb/>
            <l>Die Za&#x0364;hne &#x017F;ind gepflantzt vom fein&#x017F;ten Helffen-beine/</l><lb/>
            <l>Wodurch die holde Zung/ und ihres Athen We&#x017F;t/</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;ichert &#x017F;ind um&#x017F;chantzt in Perlen-wei&#x017F;&#x017F;e Za&#x0364;une/</l><lb/>
            <l>Daß kein vergrelter Nord in ihre Ka&#x0364;hle bla&#x0364;ßt.</l><lb/>
            <l>Das Kinn i&#x017F;t ku&#x0364;n&#x017F;tlich rund/ worauf <hi rendition="#aq">Jesminen</hi> blu&#x0364;hen/</l><lb/>
            <l>Die ein beliebter Tu&#x0364;rcks der blauen Adern ku&#x0364;ßt;</l><lb/>
            <l>Kein <hi rendition="#aq">Archimedes</hi> kan &#x017F;o nette Scheidung ziehen</l><lb/>
            <l>Als des <hi rendition="#aq">galan</hi>ten Kinns ge&#x017F;paltne Ho&#x0364;le i&#x017F;t.</l><lb/>
            <l>Der Hals ver&#x017F;chwa&#x0364;rtzt den Schnee und die gebleichte Seide/</l><lb/>
            <l>Das fein&#x017F;te Po&#x017F;t-Papier wird &#x017F;chlechtes Maclatur:</l><lb/>
            <l>Zu Kohlen wird vor ihn die allerrein&#x017F;te Kreide/</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;eine Klarheit ru&#x0364;hmt am mei&#x017F;ten die Natur.</l><lb/>
            <l>Die Bru&#x0364;&#x017F;te quilln hervor als glatte Marmor-Ballen/</l><lb/>
            <l>Zinnober wa&#x0364;ch&#x017F;t auf Milch/ Granaten kro&#x0364;nt Rubin/</l><lb/>
            <l>Auf ihren Hu&#x0364;geln &#x017F;tehn die ro&#x0364;ht&#x017F;ten Meer-Corallen/</l><lb/>
            <l>Die in dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Schmuck auf Perlen-Mutter glu&#x0364;hn.</l><lb/>
            <l>Hier muß der Mahler weg und auch die Feder weichen/</l><lb/>
            <l>Weil der verborgne Schatz in &#x017F;einen Schaalen bleibt/</l><lb/>
            <l>Das <hi rendition="#aq">Contrefait</hi> wird auch &#x017F;ein Ende gleich erreichen</l><lb/>
            <l>Wenn die <hi rendition="#aq">galante</hi> Hand er&#x017F;t in den Federn treibt.</l><lb/>
            <l>Allein! was &#x017F;oll der Hand ich an die Seiten &#x017F;tellen?</l><lb/>
            <l>Der fein&#x017F;ter Ne&#x017F;&#x017F;el-Tuch und Seide i&#x017F;t zu hart/</l><lb/>
            <l>Wo man aus Marmor &#x017F;ieht den blauen Tu&#x0364;rckis quellen/</l><lb/>
            <l>Der mit beliebten Schnee der Finger &#x017F;ich gepaart.</l><lb/>
            <l>Be&#x017F;chaue nun dis Bild/ betrachte alle Zu&#x0364;ge</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;etze die <hi rendition="#aq">Couleur</hi> wohin &#x017F;ich jede rei&#x017F;t/</l><lb/>
            <l>Sieh meine Worte durch/ erwege jede Riege/</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;age mir hernach was vor ein Bild &#x017F;ich weißt.</l><lb/>
            <l>Zwar ko&#x0364;nte&#x017F;t du hier wol die Mahlerey verlachen/</l><lb/>
            <l>Weil ein ver&#x017F;tumpffter Kiel kein Pin&#x017F;el es gethan/</l><lb/>
            <l>Und fragen/ was du &#x017F;ol&#x017F;t mit die&#x017F;en Sachen machen?</l><lb/>
            <l>Doch wi&#x017F;&#x017F;e/ daß du &#x017F;ieh&#x017F;t <hi rendition="#aq">Ca&#x017F;&#x017F;andren</hi> &#x017F;elber an.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Er</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0079] Verliebte und galante Gedichte. Vor den Zinnober Mund-Rubin und Scharlach fallen/ Der Tyrer Schnecken-Blut/ und der gekroͤhnt Granat/ Die machen ſich hinweg vor ihren Mund-Corallen/ Der Venus koſtbahr Blut ſich da verſpritzet hat. Die Zaͤhne ſind gepflantzt vom feinſten Helffen-beine/ Wodurch die holde Zung/ und ihres Athen Weſt/ Geſichert ſind umſchantzt in Perlen-weiſſe Zaͤune/ Daß kein vergrelter Nord in ihre Kaͤhle blaͤßt. Das Kinn iſt kuͤnſtlich rund/ worauf Jesminen bluͤhen/ Die ein beliebter Tuͤrcks der blauen Adern kuͤßt; Kein Archimedes kan ſo nette Scheidung ziehen Als des galanten Kinns geſpaltne Hoͤle iſt. Der Hals verſchwaͤrtzt den Schnee und die gebleichte Seide/ Das feinſte Poſt-Papier wird ſchlechtes Maclatur: Zu Kohlen wird vor ihn die allerreinſte Kreide/ Und ſeine Klarheit ruͤhmt am meiſten die Natur. Die Bruͤſte quilln hervor als glatte Marmor-Ballen/ Zinnober waͤchſt auf Milch/ Granaten kroͤnt Rubin/ Auf ihren Huͤgeln ſtehn die roͤhtſten Meer-Corallen/ Die in dem hoͤchſten Schmuck auf Perlen-Mutter gluͤhn. Hier muß der Mahler weg und auch die Feder weichen/ Weil der verborgne Schatz in ſeinen Schaalen bleibt/ Das Contrefait wird auch ſein Ende gleich erreichen Wenn die galante Hand erſt in den Federn treibt. Allein! was ſoll der Hand ich an die Seiten ſtellen? Der feinſter Neſſel-Tuch und Seide iſt zu hart/ Wo man aus Marmor ſieht den blauen Tuͤrckis quellen/ Der mit beliebten Schnee der Finger ſich gepaart. Beſchaue nun dis Bild/ betrachte alle Zuͤge Und ſetze die Couleur wohin ſich jede reiſt/ Sieh meine Worte durch/ erwege jede Riege/ Und ſage mir hernach was vor ein Bild ſich weißt. Zwar koͤnteſt du hier wol die Mahlerey verlachen/ Weil ein verſtumpffter Kiel kein Pinſel es gethan/ Und fragen/ was du ſolſt mit dieſen Sachen machen? Doch wiſſe/ daß du ſiehſt Caſſandren ſelber an. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/79
Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/79>, abgerufen am 21.11.2024.