Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.Vorwort. wird, und die man von jeher der ganzen Medicin, wenn diese sich selbsttreu geblieben ist, zum Vorwurf gemacht hat, kann sie wohl annehmen; denn es ist einmal so, dass unsere Wissenschaft von der Anatomie und nicht von Abstractionen ausgeht. Vor einer Verdächtigung dieser An- schauungsweise werde ich sie zu schützen wissen; den Schwachen aber sei gesagt, dass die Wunder des Geistes nichts verlieren von ihrer Schönheit und Welt-bezwingenden Kraft, indem die psychische Seite des Lebens die ihr gebührende Stelle unter den organischen Naturphänomenen einnimmt, und dass die wahren und schlimmen Materialisten immer nur die sind, welche den Geist hassen. Dagegen möchte ich in Form und Darstellung Manches entschuldigt Tübingen, den 14. August 1845. W. G. Vorwort. wird, und die man von jeher der ganzen Medicin, wenn diese sich selbsttreu geblieben ist, zum Vorwurf gemacht hat, kann sie wohl annehmen; denn es ist einmal so, dass unsere Wissenschaft von der Anatomie und nicht von Abstractionen ausgeht. Vor einer Verdächtigung dieser An- schauungsweise werde ich sie zu schützen wissen; den Schwachen aber sei gesagt, dass die Wunder des Geistes nichts verlieren von ihrer Schönheit und Welt-bezwingenden Kraft, indem die psychische Seite des Lebens die ihr gebührende Stelle unter den organischen Naturphänomenen einnimmt, und dass die wahren und schlimmen Materialisten immer nur die sind, welche den Geist hassen. Dagegen möchte ich in Form und Darstellung Manches entschuldigt Tübingen, den 14. August 1845. W. G. <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="VI"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vorwort</hi>.</fw><lb/> wird, und die man von jeher der ganzen Medicin, wenn diese sich selbst<lb/> treu geblieben ist, zum Vorwurf gemacht hat, kann sie wohl annehmen;<lb/> denn es ist einmal so, dass unsere Wissenschaft von der Anatomie und<lb/> nicht von Abstractionen ausgeht. Vor einer Verdächtigung dieser An-<lb/> schauungsweise werde ich sie zu schützen wissen; den Schwachen aber<lb/> sei gesagt, dass die Wunder des Geistes nichts verlieren von ihrer<lb/> Schönheit und Welt-bezwingenden Kraft, indem die psychische Seite des<lb/> Lebens die ihr gebührende Stelle unter den organischen Naturphänomenen<lb/> einnimmt, und dass die wahren und schlimmen Materialisten immer nur die<lb/> sind, welche den Geist hassen.</p><lb/> <p>Dagegen möchte ich in Form und Darstellung Manches entschuldigt<lb/> wissen; die Bedeutung des Gegenstandes möchte eine künstlerische Sorgfalt<lb/> und Ruhe in der Gestaltung des Stoffes fordern, und solche ist schwer zu<lb/> erreichen, wo die Zeit von vielfacher anderer Beschäftigung mühsam erübrigt<lb/> wird. Uebrigens habe ich in der allmähligen Vollendung dieser Schrift,<lb/> ungeachtet ich viele Mängel an ihr wohl erkenne, den reichhaltigsten Genuss<lb/> gefunden; ihre Abfassung hat mir um so mehr Vergnügen gemacht, je mehr<lb/> sie mich an meine frühere Wirksamkeit als ausübender Irrenarzt in einer<lb/> der besten deutschen Anstalten erinnerte, wo meine ersten practischen<lb/> Studien in der Psychiatrie den Vortheil hatten, von einem hochverehrten<lb/> Freunde, Herrn <hi rendition="#g">Hofrath Dr. Zeller</hi> in Winnenthal, geleitet zu werden.<lb/> Möge auch ihm diese Schrift Anlass zu freundlicher Erinnerung werden.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Tübingen</hi>, den 14. August 1845.</p><lb/> <p> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#b">W. G.</hi> </hi> </p> </div><lb/> </front> </text> </TEI> [VI/0012]
Vorwort.
wird, und die man von jeher der ganzen Medicin, wenn diese sich selbst
treu geblieben ist, zum Vorwurf gemacht hat, kann sie wohl annehmen;
denn es ist einmal so, dass unsere Wissenschaft von der Anatomie und
nicht von Abstractionen ausgeht. Vor einer Verdächtigung dieser An-
schauungsweise werde ich sie zu schützen wissen; den Schwachen aber
sei gesagt, dass die Wunder des Geistes nichts verlieren von ihrer
Schönheit und Welt-bezwingenden Kraft, indem die psychische Seite des
Lebens die ihr gebührende Stelle unter den organischen Naturphänomenen
einnimmt, und dass die wahren und schlimmen Materialisten immer nur die
sind, welche den Geist hassen.
Dagegen möchte ich in Form und Darstellung Manches entschuldigt
wissen; die Bedeutung des Gegenstandes möchte eine künstlerische Sorgfalt
und Ruhe in der Gestaltung des Stoffes fordern, und solche ist schwer zu
erreichen, wo die Zeit von vielfacher anderer Beschäftigung mühsam erübrigt
wird. Uebrigens habe ich in der allmähligen Vollendung dieser Schrift,
ungeachtet ich viele Mängel an ihr wohl erkenne, den reichhaltigsten Genuss
gefunden; ihre Abfassung hat mir um so mehr Vergnügen gemacht, je mehr
sie mich an meine frühere Wirksamkeit als ausübender Irrenarzt in einer
der besten deutschen Anstalten erinnerte, wo meine ersten practischen
Studien in der Psychiatrie den Vortheil hatten, von einem hochverehrten
Freunde, Herrn Hofrath Dr. Zeller in Winnenthal, geleitet zu werden.
Möge auch ihm diese Schrift Anlass zu freundlicher Erinnerung werden.
Tübingen, den 14. August 1845.
W. G.
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