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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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mit Stumpfsinn.

Daher konnte es auch ausgezeichneten Beobachtern (Esquirol,
Georget, Ellis *) begegnen, diese Zustände als Blödsinn aufzufassen,
und die von Etoc-Demazy (1833) aufgefundene, von Sc. Pinel (1840.
1844.) aber allzusehr verallgemeinerte Thatsache, dass bei nicht
Wenigen dieser Kranken ein Gehirn-Oedem, also Gehirndruck,
sich findet, war dieser Betrachtungsweise nicht ungünstig. Doch ist
einerseits das Gehirn-Oedem nicht constant, andrerseits werden die
obigen, den Berichten der Genesenen selbst entnommenen Angaben
hinreichen, den innern Unterschied dieser Form von Melancholie
von dem Blödsinn ins Licht zu setzen. Jene verhält sich zu diesem
wie in den sensitiven Nerven vorübergehend verminderte Empfindung
der äussern Eindrücke mit Schmerz und neuen anomalen Empfindungen
zur dauernden völligen Anästhesie. Wie aber jener Zustand theils
auf derselben Ursache (Druck) beruhen kann, wie dieser, theils nicht
selten nur diesem voran und bald in ihn übergeht, so kann auch
diese Form der Schwermuth als melancholischer Stumpfsinn bei längerer
Dauer in wirkliche dauernde Schwäche des psychischen Lebens mit
Aufhören des schmerzlichen Affects, in Blödsinn übergehen.

Zur äusseren Unterscheidung beider Zustände dient, ausser der
schon erwähnten Rücksicht auf den Gesichtsausdruck und namentlich
den Blick der Kranken, theils eine in manchen Fällen primitive und
sehr rasche Entstehung, theils das nicht selten vorkommende Ver-
weigern der Nahrung und die zuweilen gemachten Selbstmordver-
suche, welche beide bei Blödsinnigen nicht leicht vorkommen.

Wenn diese Zustände nicht in Blödsinn übergehen, so währen
sie in der angegebenen Weise selten länger als einige Monate; viele
Kranke genesen, und zwar meistens schnell, in der Form eines Er-
wachens aus Träumen; Drastica und Vesicatore zeigen oft einen
evidenten Nutzen. Der Tod erfolgt manchmal unter Zunahme der
Erscheinungen des Gehirndrucks, (sehr langsamen Puls etc.) manch-
mal als Ausgang eines allmählig gesteigerten, auf intensem Darm-
catarrh oder Lungenphtise beruhenden Marasmus; einmal sahen wir
ihn durch Selbstmord erfolgen. Ueber das Gehirn-Oedem und seine
wahrscheinliche Entstehungsweise s. die pathologische Anatomie.

Beispiele.

XI. Schwermuth mit Stumpfsinn nach F. intermittens. Gene-
sung
. B., 25 Jahre, Beamter, kommt nach Charenton am 12. August 1833. --
Früher ein Anfall von Wahnsinn im 15ten, ein anderer im 22ten Jahre, der

*) Ellis, traite etc. par Archambault. Par. 1840. p. 199.
mit Stumpfsinn.

Daher konnte es auch ausgezeichneten Beobachtern (Esquirol,
Georget, Ellis *) begegnen, diese Zustände als Blödsinn aufzufassen,
und die von Etoc-Demazy (1833) aufgefundene, von Sc. Pinel (1840.
1844.) aber allzusehr verallgemeinerte Thatsache, dass bei nicht
Wenigen dieser Kranken ein Gehirn-Oedem, also Gehirndruck,
sich findet, war dieser Betrachtungsweise nicht ungünstig. Doch ist
einerseits das Gehirn-Oedem nicht constant, andrerseits werden die
obigen, den Berichten der Genesenen selbst entnommenen Angaben
hinreichen, den innern Unterschied dieser Form von Melancholie
von dem Blödsinn ins Licht zu setzen. Jene verhält sich zu diesem
wie in den sensitiven Nerven vorübergehend verminderte Empfindung
der äussern Eindrücke mit Schmerz und neuen anomalen Empfindungen
zur dauernden völligen Anästhesie. Wie aber jener Zustand theils
auf derselben Ursache (Druck) beruhen kann, wie dieser, theils nicht
selten nur diesem voran und bald in ihn übergeht, so kann auch
diese Form der Schwermuth als melancholischer Stumpfsinn bei längerer
Dauer in wirkliche dauernde Schwäche des psychischen Lebens mit
Aufhören des schmerzlichen Affects, in Blödsinn übergehen.

Zur äusseren Unterscheidung beider Zustände dient, ausser der
schon erwähnten Rücksicht auf den Gesichtsausdruck und namentlich
den Blick der Kranken, theils eine in manchen Fällen primitive und
sehr rasche Entstehung, theils das nicht selten vorkommende Ver-
weigern der Nahrung und die zuweilen gemachten Selbstmordver-
suche, welche beide bei Blödsinnigen nicht leicht vorkommen.

Wenn diese Zustände nicht in Blödsinn übergehen, so währen
sie in der angegebenen Weise selten länger als einige Monate; viele
Kranke genesen, und zwar meistens schnell, in der Form eines Er-
wachens aus Träumen; Drastica und Vesicatore zeigen oft einen
evidenten Nutzen. Der Tod erfolgt manchmal unter Zunahme der
Erscheinungen des Gehirndrucks, (sehr langsamen Puls etc.) manch-
mal als Ausgang eines allmählig gesteigerten, auf intensem Darm-
catarrh oder Lungenphtise beruhenden Marasmus; einmal sahen wir
ihn durch Selbstmord erfolgen. Ueber das Gehirn-Oedem und seine
wahrscheinliche Entstehungsweise s. die pathologische Anatomie.

Beispiele.

XI. Schwermuth mit Stumpfsinn nach F. intermittens. Gene-
sung
. B., 25 Jahre, Beamter, kommt nach Charenton am 12. August 1833. —
Früher ein Anfall von Wahnsinn im 15ten, ein anderer im 22ten Jahre, der

*) Ellis, traité etc. par Archambault. Par. 1840. p. 199.
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[189/0203] mit Stumpfsinn. Daher konnte es auch ausgezeichneten Beobachtern (Esquirol, Georget, Ellis *) begegnen, diese Zustände als Blödsinn aufzufassen, und die von Etoc-Demazy (1833) aufgefundene, von Sc. Pinel (1840. 1844.) aber allzusehr verallgemeinerte Thatsache, dass bei nicht Wenigen dieser Kranken ein Gehirn-Oedem, also Gehirndruck, sich findet, war dieser Betrachtungsweise nicht ungünstig. Doch ist einerseits das Gehirn-Oedem nicht constant, andrerseits werden die obigen, den Berichten der Genesenen selbst entnommenen Angaben hinreichen, den innern Unterschied dieser Form von Melancholie von dem Blödsinn ins Licht zu setzen. Jene verhält sich zu diesem wie in den sensitiven Nerven vorübergehend verminderte Empfindung der äussern Eindrücke mit Schmerz und neuen anomalen Empfindungen zur dauernden völligen Anästhesie. Wie aber jener Zustand theils auf derselben Ursache (Druck) beruhen kann, wie dieser, theils nicht selten nur diesem voran und bald in ihn übergeht, so kann auch diese Form der Schwermuth als melancholischer Stumpfsinn bei längerer Dauer in wirkliche dauernde Schwäche des psychischen Lebens mit Aufhören des schmerzlichen Affects, in Blödsinn übergehen. Zur äusseren Unterscheidung beider Zustände dient, ausser der schon erwähnten Rücksicht auf den Gesichtsausdruck und namentlich den Blick der Kranken, theils eine in manchen Fällen primitive und sehr rasche Entstehung, theils das nicht selten vorkommende Ver- weigern der Nahrung und die zuweilen gemachten Selbstmordver- suche, welche beide bei Blödsinnigen nicht leicht vorkommen. Wenn diese Zustände nicht in Blödsinn übergehen, so währen sie in der angegebenen Weise selten länger als einige Monate; viele Kranke genesen, und zwar meistens schnell, in der Form eines Er- wachens aus Träumen; Drastica und Vesicatore zeigen oft einen evidenten Nutzen. Der Tod erfolgt manchmal unter Zunahme der Erscheinungen des Gehirndrucks, (sehr langsamen Puls etc.) manch- mal als Ausgang eines allmählig gesteigerten, auf intensem Darm- catarrh oder Lungenphtise beruhenden Marasmus; einmal sahen wir ihn durch Selbstmord erfolgen. Ueber das Gehirn-Oedem und seine wahrscheinliche Entstehungsweise s. die pathologische Anatomie. Beispiele. XI. Schwermuth mit Stumpfsinn nach F. intermittens. Gene- sung. B., 25 Jahre, Beamter, kommt nach Charenton am 12. August 1833. — Früher ein Anfall von Wahnsinn im 15ten, ein anderer im 22ten Jahre, der *) Ellis, traité etc. par Archambault. Par. 1840. p. 199.

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/203>, abgerufen am 24.11.2024.