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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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der Form der Krankheit.
denen Flemming's übereinstimmenden Beobachtungen die günstigere.
Wenn dagegen viele andere Irrenärzte (Jessen, Ideler, Falret, Ferrus,
Haslam, Rush etc.) die Manie, namentlich die Tobsucht durchgängig
für die heilbarste Form des Irreseins erklären, so kann sich dies
nur auf die Ergebnisse in den Irrenanstalten beziehen, welchen
selten leichte, sondern meist nur schwere und veraltete, und dann
allerdings an Heilbarkeit hinter der Tobsucht zurückstehende Fälle
von Schwermuth übergeben werden, während natürlich schon für die
leichteren Fälle der Exaltationszustände die Hülfe der Anstalten ge-
sucht wird. Viele Zustände mässiger Schwermuth werden, zur rechten
Zeit behandelt, ausser den Anstalten glücklich gehoben; für die chroni-
schen protrahirteren Zustände von Melancholie und Manie aber muss
der Unterschied in der Prognose um so geringer ausfallen, je häufiger
hier eben ein oft rascher Wechsel beider Formen, ein stetes Schwanken
zwischen Depression und Exaltation vorkommt.

Innerhalb der primären Formen ist ein Zustand vager, objectloser
Affecte, seien es traurige oder heitere, und vagen allgemeinen De-
liriums immer günstiger als das Auftreten und Beharren festerer dem
Affecte entsprungener Wahn-Ideen. Eben desshalb steht die Form
des Wahnsinns an Heilbarkeit schon weit hinter der Tobsucht zurück;
auch in der Schwermuth ist die Fixirung einzelner Erklärungsversuche
entschieden ungünstig, namentlich diejenigen werden hier gerne festge-
halten und leiten später einen Zustand von Verrücktheit ein, welche
sich auf ein Beherrschtwerden durch die Aussenwelt, eine Beein-
trächtigung durch Andere etc. beziehen, während der Kranke weit
eher geneigt ist, die Wahnvorstellungen, mit denen er den Grund
seines Zustandes in sich selbst (z. B. einem imaginären Verbrechen)
suchte, wieder fallen zu lassen (Zeller).

Bei diesem aus der Krankheitsform geschöpften prognostischen
Urtheile ist immer das Wichtigste die Bestimmung, ob man noch
lebendige, flüssige, psychische Krankheitsprocesse, oder nur beharrende
Residuen schon abgelaufener, erloschener Processe vor sich hat. Da
nun die Manie offenbar die Acme aller Stadien und Formen darstellt,
so ist für die grosse Mehrzahl der Fälle als practische Regel der
Satz aufzustellen, dass, wenn ein Stadium maniacum mit nunmehriger
völliger Beruhigung, aber ohne entschieden günstige Entscheidung
abgelaufen ist, der Kranke sich in der grössten Gefahr der Unheil-
barkeit befindet. Besonders schwierig ist übrigens die Prognose in
den Zeiten des Uebergangs der primären Formen zur Verrücktheit
und Schwäche, welcher oft unter langen Schwankungen zwischen

der Form der Krankheit.
denen Flemming’s übereinstimmenden Beobachtungen die günstigere.
Wenn dagegen viele andere Irrenärzte (Jessen, Ideler, Falret, Ferrus,
Haslam, Rush etc.) die Manie, namentlich die Tobsucht durchgängig
für die heilbarste Form des Irreseins erklären, so kann sich dies
nur auf die Ergebnisse in den Irrenanstalten beziehen, welchen
selten leichte, sondern meist nur schwere und veraltete, und dann
allerdings an Heilbarkeit hinter der Tobsucht zurückstehende Fälle
von Schwermuth übergeben werden, während natürlich schon für die
leichteren Fälle der Exaltationszustände die Hülfe der Anstalten ge-
sucht wird. Viele Zustände mässiger Schwermuth werden, zur rechten
Zeit behandelt, ausser den Anstalten glücklich gehoben; für die chroni-
schen protrahirteren Zustände von Melancholie und Manie aber muss
der Unterschied in der Prognose um so geringer ausfallen, je häufiger
hier eben ein oft rascher Wechsel beider Formen, ein stetes Schwanken
zwischen Depression und Exaltation vorkommt.

Innerhalb der primären Formen ist ein Zustand vager, objectloser
Affecte, seien es traurige oder heitere, und vagen allgemeinen De-
liriums immer günstiger als das Auftreten und Beharren festerer dem
Affecte entsprungener Wahn-Ideen. Eben desshalb steht die Form
des Wahnsinns an Heilbarkeit schon weit hinter der Tobsucht zurück;
auch in der Schwermuth ist die Fixirung einzelner Erklärungsversuche
entschieden ungünstig, namentlich diejenigen werden hier gerne festge-
halten und leiten später einen Zustand von Verrücktheit ein, welche
sich auf ein Beherrschtwerden durch die Aussenwelt, eine Beein-
trächtigung durch Andere etc. beziehen, während der Kranke weit
eher geneigt ist, die Wahnvorstellungen, mit denen er den Grund
seines Zustandes in sich selbst (z. B. einem imaginären Verbrechen)
suchte, wieder fallen zu lassen (Zeller).

Bei diesem aus der Krankheitsform geschöpften prognostischen
Urtheile ist immer das Wichtigste die Bestimmung, ob man noch
lebendige, flüssige, psychische Krankheitsprocesse, oder nur beharrende
Residuen schon abgelaufener, erloschener Processe vor sich hat. Da
nun die Manie offenbar die Acme aller Stadien und Formen darstellt,
so ist für die grosse Mehrzahl der Fälle als practische Regel der
Satz aufzustellen, dass, wenn ein Stadium maniacum mit nunmehriger
völliger Beruhigung, aber ohne entschieden günstige Entscheidung
abgelaufen ist, der Kranke sich in der grössten Gefahr der Unheil-
barkeit befindet. Besonders schwierig ist übrigens die Prognose in
den Zeiten des Uebergangs der primären Formen zur Verrücktheit
und Schwäche, welcher oft unter langen Schwankungen zwischen

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[333/0347] der Form der Krankheit. denen Flemming’s übereinstimmenden Beobachtungen die günstigere. Wenn dagegen viele andere Irrenärzte (Jessen, Ideler, Falret, Ferrus, Haslam, Rush etc.) die Manie, namentlich die Tobsucht durchgängig für die heilbarste Form des Irreseins erklären, so kann sich dies nur auf die Ergebnisse in den Irrenanstalten beziehen, welchen selten leichte, sondern meist nur schwere und veraltete, und dann allerdings an Heilbarkeit hinter der Tobsucht zurückstehende Fälle von Schwermuth übergeben werden, während natürlich schon für die leichteren Fälle der Exaltationszustände die Hülfe der Anstalten ge- sucht wird. Viele Zustände mässiger Schwermuth werden, zur rechten Zeit behandelt, ausser den Anstalten glücklich gehoben; für die chroni- schen protrahirteren Zustände von Melancholie und Manie aber muss der Unterschied in der Prognose um so geringer ausfallen, je häufiger hier eben ein oft rascher Wechsel beider Formen, ein stetes Schwanken zwischen Depression und Exaltation vorkommt. Innerhalb der primären Formen ist ein Zustand vager, objectloser Affecte, seien es traurige oder heitere, und vagen allgemeinen De- liriums immer günstiger als das Auftreten und Beharren festerer dem Affecte entsprungener Wahn-Ideen. Eben desshalb steht die Form des Wahnsinns an Heilbarkeit schon weit hinter der Tobsucht zurück; auch in der Schwermuth ist die Fixirung einzelner Erklärungsversuche entschieden ungünstig, namentlich diejenigen werden hier gerne festge- halten und leiten später einen Zustand von Verrücktheit ein, welche sich auf ein Beherrschtwerden durch die Aussenwelt, eine Beein- trächtigung durch Andere etc. beziehen, während der Kranke weit eher geneigt ist, die Wahnvorstellungen, mit denen er den Grund seines Zustandes in sich selbst (z. B. einem imaginären Verbrechen) suchte, wieder fallen zu lassen (Zeller). Bei diesem aus der Krankheitsform geschöpften prognostischen Urtheile ist immer das Wichtigste die Bestimmung, ob man noch lebendige, flüssige, psychische Krankheitsprocesse, oder nur beharrende Residuen schon abgelaufener, erloschener Processe vor sich hat. Da nun die Manie offenbar die Acme aller Stadien und Formen darstellt, so ist für die grosse Mehrzahl der Fälle als practische Regel der Satz aufzustellen, dass, wenn ein Stadium maniacum mit nunmehriger völliger Beruhigung, aber ohne entschieden günstige Entscheidung abgelaufen ist, der Kranke sich in der grössten Gefahr der Unheil- barkeit befindet. Besonders schwierig ist übrigens die Prognose in den Zeiten des Uebergangs der primären Formen zur Verrücktheit und Schwäche, welcher oft unter langen Schwankungen zwischen

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/347>, abgerufen am 23.11.2024.