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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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Personal der Irren-Anstalten.
Naturschönheiten reichen Gegend liegen, vielleicht am besten in un-
mittelbarer Nähe eines kleinen Städtchens, aus welchem sie ihre
Bedürfnisse bequem beziehen, mit dessen Bewohnern sie leicht eini-
gen Verkehr unterhalten kann; sehr grosse Städte brauchen indessen
gleichfalls Anstalten in ihrer Nähe, und solche haben den Vortheil,
viele frische Fälle zu bekommen; unter keinen Umständen aber soll
eine Anstalt innerhalb der Mauern einer Stadt errichtet werden. Die
Anstalt muss rings von Grundstücken, die ihr Eigenthum sind, um-
geben sein; ihr näheres Gebiet wird gewöhnlich mit einer Mauer
umgeben, und es ist vortheilhaft, wenn ihr Boden über deren Niveau
erhaben liegt; sie sollte wo möglich fliessendes Wasser besitzen, um
Bäder und Waschanstalten reichlich zu speisen, und noch Gelegenheit
zu kalten Bädern zu erhalten. Die Gärten müssen geräumig und
freundlich sein, gerne bringt man in ihnen einen Turnplatz, Kegel-
bahn, Spielplätze u. dgl. an.

Wo besondere Pflegeanstalten bestehen, bedarf man in ihnen
weiter grössere Werkstätten, in denen die Kranken besonders Win-
ters mit verschiedenen Handwerken beschäftigt, und wo viele Be-
dürfnisse der Anstalt selbst producirt werden. Im Uebrigen muss
die Pflegeanstalt gleichfalls die genannten Abtheilungen, für Unruhige,
Stille, Gesittete, für die verschiedenen Stände haben, kann aber im
Ganzen einfacher gehalten sein, und es ist zweckmässig, wegen der
grösseren Menge Unreinlicher, Paralytischer etc. mehr Erdgeschoss-
wohnungen einzurichten.

§. 191.

An der Spitze des Personals der Irrenanstalt steht, unter der
höheren Aufsichtsbehörde des Staats, der dirigirende Arzt, von dessen
wissenschaftlichen und persönlichen Eigenschaften zum grössten Theil
der in der Anstalt herrschende Geist abhängt. Neben dem ersten,
Allem Uebrigem vorangehenden Bedürfnisse gründlicher ärztlicher
Kenntnisse wird von dem Irrenarzt mit Recht noch ein Complex
besonderer geistiger Eigenschaften gefordert, wohlwollender Sinn,
grosse Geduld, Selbstbeherrschung, eine besondere Freiheit von allen
Vorurtheilen, ein aus einer reicheren Weltkenntniss geschöpftes Ver-
ständniss der Menschen, Gewandtheit der Conversation und eine
besondere Neigung zu seinem Beruf, die ihn allein über dessen
vielfache Mühen und Anstrengungen hinwegsetzt. Ein oder mehre
Hülfsärzte unterstützen den Director in der Krankenbehandlung, in
der Führung der Journale und Correspondenz, besorgen die Leichen-

Personal der Irren-Anstalten.
Naturschönheiten reichen Gegend liegen, vielleicht am besten in un-
mittelbarer Nähe eines kleinen Städtchens, aus welchem sie ihre
Bedürfnisse bequem beziehen, mit dessen Bewohnern sie leicht eini-
gen Verkehr unterhalten kann; sehr grosse Städte brauchen indessen
gleichfalls Anstalten in ihrer Nähe, und solche haben den Vortheil,
viele frische Fälle zu bekommen; unter keinen Umständen aber soll
eine Anstalt innerhalb der Mauern einer Stadt errichtet werden. Die
Anstalt muss rings von Grundstücken, die ihr Eigenthum sind, um-
geben sein; ihr näheres Gebiet wird gewöhnlich mit einer Mauer
umgeben, und es ist vortheilhaft, wenn ihr Boden über deren Niveau
erhaben liegt; sie sollte wo möglich fliessendes Wasser besitzen, um
Bäder und Waschanstalten reichlich zu speisen, und noch Gelegenheit
zu kalten Bädern zu erhalten. Die Gärten müssen geräumig und
freundlich sein, gerne bringt man in ihnen einen Turnplatz, Kegel-
bahn, Spielplätze u. dgl. an.

Wo besondere Pflegeanstalten bestehen, bedarf man in ihnen
weiter grössere Werkstätten, in denen die Kranken besonders Win-
ters mit verschiedenen Handwerken beschäftigt, und wo viele Be-
dürfnisse der Anstalt selbst producirt werden. Im Uebrigen muss
die Pflegeanstalt gleichfalls die genannten Abtheilungen, für Unruhige,
Stille, Gesittete, für die verschiedenen Stände haben, kann aber im
Ganzen einfacher gehalten sein, und es ist zweckmässig, wegen der
grösseren Menge Unreinlicher, Paralytischer etc. mehr Erdgeschoss-
wohnungen einzurichten.

§. 191.

An der Spitze des Personals der Irrenanstalt steht, unter der
höheren Aufsichtsbehörde des Staats, der dirigirende Arzt, von dessen
wissenschaftlichen und persönlichen Eigenschaften zum grössten Theil
der in der Anstalt herrschende Geist abhängt. Neben dem ersten,
Allem Uebrigem vorangehenden Bedürfnisse gründlicher ärztlicher
Kenntnisse wird von dem Irrenarzt mit Recht noch ein Complex
besonderer geistiger Eigenschaften gefordert, wohlwollender Sinn,
grosse Geduld, Selbstbeherrschung, eine besondere Freiheit von allen
Vorurtheilen, ein aus einer reicheren Weltkenntniss geschöpftes Ver-
ständniss der Menschen, Gewandtheit der Conversation und eine
besondere Neigung zu seinem Beruf, die ihn allein über dessen
vielfache Mühen und Anstrengungen hinwegsetzt. Ein oder mehre
Hülfsärzte unterstützen den Director in der Krankenbehandlung, in
der Führung der Journale und Correspondenz, besorgen die Leichen-

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[392/0406] Personal der Irren-Anstalten. Naturschönheiten reichen Gegend liegen, vielleicht am besten in un- mittelbarer Nähe eines kleinen Städtchens, aus welchem sie ihre Bedürfnisse bequem beziehen, mit dessen Bewohnern sie leicht eini- gen Verkehr unterhalten kann; sehr grosse Städte brauchen indessen gleichfalls Anstalten in ihrer Nähe, und solche haben den Vortheil, viele frische Fälle zu bekommen; unter keinen Umständen aber soll eine Anstalt innerhalb der Mauern einer Stadt errichtet werden. Die Anstalt muss rings von Grundstücken, die ihr Eigenthum sind, um- geben sein; ihr näheres Gebiet wird gewöhnlich mit einer Mauer umgeben, und es ist vortheilhaft, wenn ihr Boden über deren Niveau erhaben liegt; sie sollte wo möglich fliessendes Wasser besitzen, um Bäder und Waschanstalten reichlich zu speisen, und noch Gelegenheit zu kalten Bädern zu erhalten. Die Gärten müssen geräumig und freundlich sein, gerne bringt man in ihnen einen Turnplatz, Kegel- bahn, Spielplätze u. dgl. an. Wo besondere Pflegeanstalten bestehen, bedarf man in ihnen weiter grössere Werkstätten, in denen die Kranken besonders Win- ters mit verschiedenen Handwerken beschäftigt, und wo viele Be- dürfnisse der Anstalt selbst producirt werden. Im Uebrigen muss die Pflegeanstalt gleichfalls die genannten Abtheilungen, für Unruhige, Stille, Gesittete, für die verschiedenen Stände haben, kann aber im Ganzen einfacher gehalten sein, und es ist zweckmässig, wegen der grösseren Menge Unreinlicher, Paralytischer etc. mehr Erdgeschoss- wohnungen einzurichten. §. 191. An der Spitze des Personals der Irrenanstalt steht, unter der höheren Aufsichtsbehörde des Staats, der dirigirende Arzt, von dessen wissenschaftlichen und persönlichen Eigenschaften zum grössten Theil der in der Anstalt herrschende Geist abhängt. Neben dem ersten, Allem Uebrigem vorangehenden Bedürfnisse gründlicher ärztlicher Kenntnisse wird von dem Irrenarzt mit Recht noch ein Complex besonderer geistiger Eigenschaften gefordert, wohlwollender Sinn, grosse Geduld, Selbstbeherrschung, eine besondere Freiheit von allen Vorurtheilen, ein aus einer reicheren Weltkenntniss geschöpftes Ver- ständniss der Menschen, Gewandtheit der Conversation und eine besondere Neigung zu seinem Beruf, die ihn allein über dessen vielfache Mühen und Anstrengungen hinwegsetzt. Ein oder mehre Hülfsärzte unterstützen den Director in der Krankenbehandlung, in der Führung der Journale und Correspondenz, besorgen die Leichen-

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/406>, abgerufen am 23.11.2024.