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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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Gesichts-Gehörshallucinationen.
verzehren muss!" -- Sie starb nach vier Wochen, und -- Feuer!
Feuer! waren noch ihre letzten Worte. *)

Ein gewisser P. hat tausenderlei Visionen. Gottes Sohn erscheint
ihm manchmal, er sieht ihn auf Wolken getragen, von Engeln um-
geben, ein Kreuz in der Hand. Er vertraut ihm seine Befehle, aber
nicht durch Worte, sondern durch Zeichen, die in der Luft er-
scheinen. Er zeichnet die Gestalten, die er in der Luft sieht; es
sind bald geometrische Figuren, bald Thiere, bald Wirthschaftssachen,
Blumen und musicalische Instrumente, bald sind es bizarre Figuren,
denen nichts ähnlich sieht, etc. (Esquirol.)

Ein Anderer schreibt: "Ich sah mehrmals Gott den Vater, der
die Güte hatte, mit mir zu sprechen -- er gieng in verschiedene
Höhlen, wo er mehre ungeheure Thiere tödtete und Löcher zugraben
liess, aus denen man, wie ich glaube, falsche Orakel gab. Ich sah
mehremal im Himmel Johannes den Täufer in einem Wagen mit
sieben Pferden, etc. **)

Ein Herr, der von hypochondrischer Melancholie befallen war,
schlug unaufhörlich mit seinem Stock auf die Möbel seines Zimmers.
Je schneller er gieng, desto mehr schlug er. Ich erfuhr später,
dass er den Schatten, der von den Möbeln auf den Fussboden fiel
und den er selbst warf, für Ratten hielt. Je mehr er gieng, desto
mehr glaubte er, dass die Ratten sich vermehrt hätten. ***)

Der Sitz der Gesichtshallucinationen muss die innere Ausbreitung der Seh-
nerven sein. Die anatomischen Thatsachen sind dürftig; bei Scctionen muss die
Oberfläche der thalami, der corpp. quadrigemina und ihrer Umgebung besonders
berücksichtigt werden. In einem Falle von Bright (Guys hosp. rep. 1837) +) fand
sich bei einem Kranken, der nach zwei apoplectischen Anfällen an Gesichtshalluci-
nationen gelitten hatte, ein 1/2" grosser, bis an die Oberfläche dringender Heerd
im corpus genicul. infer.

§. 52.

Gehörsinn. Die Gehörsphantasmen sind nicht ganz so häufig,
wie die des Gesichts; am meisten beobachtet man sie bei Schwer-
müthigen und Verrückten; bei jenen sind sie zuweilen Anlässe zu
tobsüchtigem Ausbruch. Sie weisen meist auf eine schwerere, weni-
ger heilbare Gehirnaffection hin, und werden zudem oft sehr lange

*) Sinogowitz. l. c. p. 258.
**) Esquirol, l. c. p. 100, 102. Vgl. auch die von Hirsch mitgetheilte Selbst-
beschreibung eines Visionärs von seinen Erscheinungen. Nasses Zeitschr. für
Anthropol. 1832. Heft 1.
***) Ibidem p. 129.
+) Bei Sinogowitz, l. c. p. 257 citirt.
Griesinger, psych. Krankhtn. 6

Gesichts-Gehörshallucinationen.
verzehren muss!“ — Sie starb nach vier Wochen, und — Feuer!
Feuer! waren noch ihre letzten Worte. *)

Ein gewisser P. hat tausenderlei Visionen. Gottes Sohn erscheint
ihm manchmal, er sieht ihn auf Wolken getragen, von Engeln um-
geben, ein Kreuz in der Hand. Er vertraut ihm seine Befehle, aber
nicht durch Worte, sondern durch Zeichen, die in der Luft er-
scheinen. Er zeichnet die Gestalten, die er in der Luft sieht; es
sind bald geometrische Figuren, bald Thiere, bald Wirthschaftssachen,
Blumen und musicalische Instrumente, bald sind es bizarre Figuren,
denen nichts ähnlich sieht, etc. (Esquirol.)

Ein Anderer schreibt: „Ich sah mehrmals Gott den Vater, der
die Güte hatte, mit mir zu sprechen — er gieng in verschiedene
Höhlen, wo er mehre ungeheure Thiere tödtete und Löcher zugraben
liess, aus denen man, wie ich glaube, falsche Orakel gab. Ich sah
mehremal im Himmel Johannes den Täufer in einem Wagen mit
sieben Pferden, etc. **)

Ein Herr, der von hypochondrischer Melancholie befallen war,
schlug unaufhörlich mit seinem Stock auf die Möbel seines Zimmers.
Je schneller er gieng, desto mehr schlug er. Ich erfuhr später,
dass er den Schatten, der von den Möbeln auf den Fussboden fiel
und den er selbst warf, für Ratten hielt. Je mehr er gieng, desto
mehr glaubte er, dass die Ratten sich vermehrt hätten. ***)

Der Sitz der Gesichtshallucinationen muss die innere Ausbreitung der Seh-
nerven sein. Die anatomischen Thatsachen sind dürftig; bei Scctionen muss die
Oberfläche der thalami, der corpp. quadrigemina und ihrer Umgebung besonders
berücksichtigt werden. In einem Falle von Bright (Guys hosp. rep. 1837) †) fand
sich bei einem Kranken, der nach zwei apoplectischen Anfällen an Gesichtshalluci-
nationen gelitten hatte, ein ½″ grosser, bis an die Oberfläche dringender Heerd
im corpus genicul. infer.

§. 52.

Gehörsinn. Die Gehörsphantasmen sind nicht ganz so häufig,
wie die des Gesichts; am meisten beobachtet man sie bei Schwer-
müthigen und Verrückten; bei jenen sind sie zuweilen Anlässe zu
tobsüchtigem Ausbruch. Sie weisen meist auf eine schwerere, weni-
ger heilbare Gehirnaffection hin, und werden zudem oft sehr lange

*) Sinogowitz. l. c. p. 258.
**) Esquirol, l. c. p. 100, 102. Vgl. auch die von Hirsch mitgetheilte Selbst-
beschreibung eines Visionärs von seinen Erscheinungen. Nasses Zeitschr. für
Anthropol. 1832. Heft 1.
***) Ibidem p. 129.
†) Bei Sinogowitz, l. c. p. 257 citirt.
Griesinger, psych. Krankhtn. 6
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[81/0095] Gesichts-Gehörshallucinationen. verzehren muss!“ — Sie starb nach vier Wochen, und — Feuer! Feuer! waren noch ihre letzten Worte. *) Ein gewisser P. hat tausenderlei Visionen. Gottes Sohn erscheint ihm manchmal, er sieht ihn auf Wolken getragen, von Engeln um- geben, ein Kreuz in der Hand. Er vertraut ihm seine Befehle, aber nicht durch Worte, sondern durch Zeichen, die in der Luft er- scheinen. Er zeichnet die Gestalten, die er in der Luft sieht; es sind bald geometrische Figuren, bald Thiere, bald Wirthschaftssachen, Blumen und musicalische Instrumente, bald sind es bizarre Figuren, denen nichts ähnlich sieht, etc. (Esquirol.) Ein Anderer schreibt: „Ich sah mehrmals Gott den Vater, der die Güte hatte, mit mir zu sprechen — er gieng in verschiedene Höhlen, wo er mehre ungeheure Thiere tödtete und Löcher zugraben liess, aus denen man, wie ich glaube, falsche Orakel gab. Ich sah mehremal im Himmel Johannes den Täufer in einem Wagen mit sieben Pferden, etc. **) Ein Herr, der von hypochondrischer Melancholie befallen war, schlug unaufhörlich mit seinem Stock auf die Möbel seines Zimmers. Je schneller er gieng, desto mehr schlug er. Ich erfuhr später, dass er den Schatten, der von den Möbeln auf den Fussboden fiel und den er selbst warf, für Ratten hielt. Je mehr er gieng, desto mehr glaubte er, dass die Ratten sich vermehrt hätten. ***) Der Sitz der Gesichtshallucinationen muss die innere Ausbreitung der Seh- nerven sein. Die anatomischen Thatsachen sind dürftig; bei Scctionen muss die Oberfläche der thalami, der corpp. quadrigemina und ihrer Umgebung besonders berücksichtigt werden. In einem Falle von Bright (Guys hosp. rep. 1837) †) fand sich bei einem Kranken, der nach zwei apoplectischen Anfällen an Gesichtshalluci- nationen gelitten hatte, ein ½″ grosser, bis an die Oberfläche dringender Heerd im corpus genicul. infer. §. 52. Gehörsinn. Die Gehörsphantasmen sind nicht ganz so häufig, wie die des Gesichts; am meisten beobachtet man sie bei Schwer- müthigen und Verrückten; bei jenen sind sie zuweilen Anlässe zu tobsüchtigem Ausbruch. Sie weisen meist auf eine schwerere, weni- ger heilbare Gehirnaffection hin, und werden zudem oft sehr lange *) Sinogowitz. l. c. p. 258. **) Esquirol, l. c. p. 100, 102. Vgl. auch die von Hirsch mitgetheilte Selbst- beschreibung eines Visionärs von seinen Erscheinungen. Nasses Zeitschr. für Anthropol. 1832. Heft 1. ***) Ibidem p. 129. †) Bei Sinogowitz, l. c. p. 257 citirt. Griesinger, psych. Krankhtn. 6

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/95>, abgerufen am 23.11.2024.