Grillparzer, Franz: Ein treuer Diener seines Herrn. Wien, 1830.
Ein kühnes Weib, vergleichbar einem Mann'. Ich war's -- ich bin's -- und doch -- seh't mich hier knie'n. (Sie kniet.) Geb't meinen Bruder mir als Reichsgehülfen! Gönn't ihm den Namen nur! Ich will ihn hüten. Er soll nichts thun, um was ich nicht gewußt. Wie einem Vogel man die Flügel schneidet, Nun hüpf't er frei, und dünk't sich frei, und ist's nicht; So will ich halten ihn, mit Liebe füttern, Und er soll Dank mir zwitschern, und gedeih'n. Gönn't ihm den Namen nur, daß er sich fühle, Zufrieden sey, zum erstenmal zufrieden. (Der König hat sie aufgehoben.) Ihr seh't mich schwach. Ich schäme mich, und doch Kann ich nur wiederholen: Thut's, o thut's! König. Macht mich der Bruder eifersüchtig nicht? Königin. Nicht so! Ich liebe dich, weiß Gott, wie innig! Doch war die Zeit, da ich dich noch nicht kannte; Erst nach durchlebter Jugend fand ich dich, Und seitdem wandelt auch mein Geist mit dir. Doch er -- an seiner Wiege stand ich schon, Er war die Puppe, die ich tändelnd schmückte; Mein Vaterland, der Eltern stilles Haus, Mein erst' Gefühl, die Kindheit leb't in ihm. Ich grollte stets, daß ich ein Mädchen war, Ein Knabe wünscht' ich mir zu seyn, wie Otto. Er wuchs heran. -- In ihm war ich ein Jüngling, In ihm ging ich zur Jagd, bestieg das Roß;
Ein kühnes Weib, vergleichbar einem Mann’. Ich war’s — ich bin’s — und doch — ſeh’t mich hier knie’n. (Sie kniet.) Geb’t meinen Bruder mir als Reichsgehülfen! Gönn’t ihm den Namen nur! Ich will ihn hüten. Er ſoll nichts thun, um was ich nicht gewußt. Wie einem Vogel man die Flügel ſchneidet, Nun hüpf’t er frei, und dünk’t ſich frei, und iſt’s nicht; So will ich halten ihn, mit Liebe füttern, Und er ſoll Dank mir zwitſchern, und gedeih’n. Gönn’t ihm den Namen nur, daß er ſich fühle, Zufrieden ſey, zum erſtenmal zufrieden. (Der König hat ſie aufgehoben.) Ihr ſeh’t mich ſchwach. Ich ſchäme mich, und doch Kann ich nur wiederholen: Thut’s, o thut’s! König. Macht mich der Bruder eiferſüchtig nicht? Königin. Nicht ſo! Ich liebe dich, weiß Gott, wie innig! Doch war die Zeit, da ich dich noch nicht kannte; Erſt nach durchlebter Jugend fand ich dich, Und ſeitdem wandelt auch mein Geiſt mit dir. Doch er — an ſeiner Wiege ſtand ich ſchon, Er war die Puppe, die ich tändelnd ſchmückte; Mein Vaterland, der Eltern ſtilles Haus, Mein erſt’ Gefühl, die Kindheit leb’t in ihm. Ich grollte ſtets, daß ich ein Mädchen war, Ein Knabe wünſcht’ ich mir zu ſeyn, wie Otto. Er wuchs heran. — In ihm war ich ein Jüngling, In ihm ging ich zur Jagd, beſtieg das Roß; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#KOENIGIN"> <p><pb facs="#f0031" n="23"/> Ein kühnes Weib, vergleichbar einem Mann’.<lb/> Ich war’s — ich bin’s — und doch — ſeh’t mich hier knie’n.</p><lb/> <stage>(Sie kniet.)</stage><lb/> <p>Geb’t meinen Bruder mir als Reichsgehülfen!<lb/> Gönn’t ihm den Namen nur! Ich will ihn hüten.<lb/> Er ſoll nichts thun, um was ich nicht gewußt.<lb/> Wie einem Vogel man die Flügel ſchneidet,<lb/> Nun hüpf’t er frei, und dünk’t ſich frei, und iſt’s nicht;<lb/> So will ich halten ihn, mit Liebe füttern,<lb/> Und er ſoll Dank mir zwitſchern, und gedeih’n.<lb/> Gönn’t ihm den Namen nur, daß er ſich fühle,<lb/> Zufrieden ſey, zum erſtenmal zufrieden.</p><lb/> <stage>(Der König hat ſie aufgehoben.)</stage><lb/> <p>Ihr ſeh’t mich ſchwach. Ich ſchäme mich, und doch<lb/> Kann ich nur wiederholen: Thut’s, o thut’s!</p> </sp><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/> <p>Macht mich der Bruder eiferſüchtig nicht?</p> </sp><lb/> <sp who="#KOENIGIN"> <speaker><hi rendition="#g">Königin</hi>.</speaker><lb/> <p>Nicht ſo! Ich liebe dich, weiß Gott, wie innig!<lb/> Doch war die Zeit, da ich dich noch nicht kannte;<lb/> Erſt nach durchlebter Jugend fand ich dich,<lb/> Und ſeitdem wandelt auch mein Geiſt mit dir.<lb/> Doch er — an ſeiner Wiege ſtand ich ſchon,<lb/> Er war die Puppe, die ich tändelnd ſchmückte;<lb/> Mein Vaterland, der Eltern ſtilles Haus,<lb/> Mein erſt’ Gefühl, die Kindheit leb’t in ihm.<lb/> Ich grollte ſtets, daß ich ein Mädchen war,<lb/> Ein Knabe wünſcht’ ich mir zu ſeyn, wie Otto.<lb/> Er wuchs heran. — In ihm war ich ein Jüngling,<lb/> In ihm ging ich zur Jagd, beſtieg das Roß;<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [23/0031]
Ein kühnes Weib, vergleichbar einem Mann’.
Ich war’s — ich bin’s — und doch — ſeh’t mich hier knie’n.
(Sie kniet.)
Geb’t meinen Bruder mir als Reichsgehülfen!
Gönn’t ihm den Namen nur! Ich will ihn hüten.
Er ſoll nichts thun, um was ich nicht gewußt.
Wie einem Vogel man die Flügel ſchneidet,
Nun hüpf’t er frei, und dünk’t ſich frei, und iſt’s nicht;
So will ich halten ihn, mit Liebe füttern,
Und er ſoll Dank mir zwitſchern, und gedeih’n.
Gönn’t ihm den Namen nur, daß er ſich fühle,
Zufrieden ſey, zum erſtenmal zufrieden.
(Der König hat ſie aufgehoben.)
Ihr ſeh’t mich ſchwach. Ich ſchäme mich, und doch
Kann ich nur wiederholen: Thut’s, o thut’s!
König.
Macht mich der Bruder eiferſüchtig nicht?
Königin.
Nicht ſo! Ich liebe dich, weiß Gott, wie innig!
Doch war die Zeit, da ich dich noch nicht kannte;
Erſt nach durchlebter Jugend fand ich dich,
Und ſeitdem wandelt auch mein Geiſt mit dir.
Doch er — an ſeiner Wiege ſtand ich ſchon,
Er war die Puppe, die ich tändelnd ſchmückte;
Mein Vaterland, der Eltern ſtilles Haus,
Mein erſt’ Gefühl, die Kindheit leb’t in ihm.
Ich grollte ſtets, daß ich ein Mädchen war,
Ein Knabe wünſcht’ ich mir zu ſeyn, wie Otto.
Er wuchs heran. — In ihm war ich ein Jüngling,
In ihm ging ich zur Jagd, beſtieg das Roß;
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