Grillparzer, Franz: Ein treuer Diener seines Herrn. Wien, 1830.
Doch wer mich kennt, der weiß: in Hofes Mitte, Am off'nen Markt heiß' ich Euch Rede steh'n; Und leg' Euch vor dieselben Fragen, die -- Nichts mehr, als dies, -- ich hier Euch stellen wollte. Doch ist's Euch nicht genehm; -- gut, wir verschieben's. Erny. O Uebermaß des sträflichsten Erkühnens! Otto. Ihr seyd 'was eitel, merk' ich, gute Gräfin. Ihr glaubt mich wohl verliebt? Mag seyn! -- Vielleicht! Vielleicht auch nicht! Ich bin nicht so erregbar. Ein Menschenkenner bin ich, Menschenforscher, Zumal auf Frau'n geh't meine Wißbegier. Die tausend Formen zu erspäh'n, die Krümmen, In denen sich das Eins und Eine birgt; Das Eine: Heuchelei. Pfui, feige Schwäche! Bin ich nicht gut, so wollt ich's auch nicht scheinen. Ihr aber scheinet Tauben, fromme Tauben, Und seyd's in Einem nur: in ew'ger Gluth. Erny. Das anzuhören ziemt mir nicht. Otto. (aus dem Wege weichend). O ja! Die Eine läßt sich trauen einem Greise, Mit grauem Bart und Haar, ein schlott'rig Scheusal; Voll Launen, abgeschmackt, zum Tollhaus reif, -- Doch ehr't und lieb't sie ihn.
Doch wer mich kennt, der weiß: in Hofes Mitte, Am off’nen Markt heiß’ ich Euch Rede ſteh’n; Und leg’ Euch vor dieſelben Fragen, die — Nichts mehr, als dies, — ich hier Euch ſtellen wollte. Doch iſt’s Euch nicht genehm; — gut, wir verſchieben’s. Erny. O Uebermaß des ſträflichſten Erkühnens! Otto. Ihr ſeyd ’was eitel, merk’ ich, gute Gräfin. Ihr glaubt mich wohl verliebt? Mag ſeyn! — Vielleicht! Vielleicht auch nicht! Ich bin nicht ſo erregbar. Ein Menſchenkenner bin ich, Menſchenforſcher, Zumal auf Frau’n geh’t meine Wißbegier. Die tauſend Formen zu erſpäh’n, die Krümmen, In denen ſich das Eins und Eine birgt; Das Eine: Heuchelei. Pfui, feige Schwäche! Bin ich nicht gut, ſo wollt ich’s auch nicht ſcheinen. Ihr aber ſcheinet Tauben, fromme Tauben, Und ſeyd’s in Einem nur: in ew’ger Gluth. Erny. Das anzuhören ziemt mir nicht. Otto. (aus dem Wege weichend). O ja! Die Eine läßt ſich trauen einem Greiſe, Mit grauem Bart und Haar, ein ſchlott’rig Scheuſal; Voll Launen, abgeſchmackt, zum Tollhaus reif, — Doch ehr’t und lieb’t ſie ihn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#OTTO"> <p><pb facs="#f0060" n="52"/> Doch wer mich kennt, der weiß: in Hofes Mitte,<lb/> Am off’nen Markt heiß’ ich Euch Rede ſteh’n;<lb/> Und leg’ Euch vor dieſelben Fragen, die —<lb/> Nichts mehr, als dies, — ich hier Euch ſtellen wollte.<lb/> Doch iſt’s Euch nicht genehm; — gut, wir verſchieben’s.</p> </sp><lb/> <sp who="#ERN"> <speaker><hi rendition="#g">Erny</hi>.</speaker><lb/> <p>O Uebermaß des ſträflichſten Erkühnens!</p> </sp><lb/> <sp who="#OTTO"> <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker><lb/> <p>Ihr ſeyd ’was eitel, merk’ ich, gute Gräfin.<lb/> Ihr glaubt mich wohl verliebt? Mag ſeyn! — Vielleicht!<lb/> Vielleicht auch nicht! Ich bin nicht ſo erregbar.<lb/> Ein Menſchenkenner bin ich, Menſchenforſcher,<lb/> Zumal auf Frau’n geh’t meine Wißbegier.<lb/> Die tauſend Formen zu erſpäh’n, die Krümmen,<lb/> In denen ſich das Eins und Eine birgt;<lb/> Das Eine: Heuchelei. Pfui, feige Schwäche!<lb/> Bin ich nicht gut, ſo wollt ich’s auch nicht ſcheinen.<lb/> Ihr aber ſcheinet Tauben, fromme Tauben,<lb/> Und ſeyd’s in Einem nur: in ew’ger Gluth.</p> </sp><lb/> <sp who="#ERN"> <speaker><hi rendition="#g">Erny</hi>.</speaker><lb/> <p>Das anzuhören ziemt mir nicht.</p> </sp><lb/> <sp who="#OTTO"> <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker><lb/> <stage>(aus dem Wege weichend).</stage><lb/> <p>O ja!<lb/> Die Eine läßt ſich trauen einem Greiſe,<lb/> Mit grauem Bart und Haar, ein ſchlott’rig Scheuſal;<lb/> Voll Launen, abgeſchmackt, zum Tollhaus reif, —<lb/> Doch ehr’t und lieb’t ſie ihn.</p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [52/0060]
Doch wer mich kennt, der weiß: in Hofes Mitte,
Am off’nen Markt heiß’ ich Euch Rede ſteh’n;
Und leg’ Euch vor dieſelben Fragen, die —
Nichts mehr, als dies, — ich hier Euch ſtellen wollte.
Doch iſt’s Euch nicht genehm; — gut, wir verſchieben’s.
Erny.
O Uebermaß des ſträflichſten Erkühnens!
Otto.
Ihr ſeyd ’was eitel, merk’ ich, gute Gräfin.
Ihr glaubt mich wohl verliebt? Mag ſeyn! — Vielleicht!
Vielleicht auch nicht! Ich bin nicht ſo erregbar.
Ein Menſchenkenner bin ich, Menſchenforſcher,
Zumal auf Frau’n geh’t meine Wißbegier.
Die tauſend Formen zu erſpäh’n, die Krümmen,
In denen ſich das Eins und Eine birgt;
Das Eine: Heuchelei. Pfui, feige Schwäche!
Bin ich nicht gut, ſo wollt ich’s auch nicht ſcheinen.
Ihr aber ſcheinet Tauben, fromme Tauben,
Und ſeyd’s in Einem nur: in ew’ger Gluth.
Erny.
Das anzuhören ziemt mir nicht.
Otto.
(aus dem Wege weichend).
O ja!
Die Eine läßt ſich trauen einem Greiſe,
Mit grauem Bart und Haar, ein ſchlott’rig Scheuſal;
Voll Launen, abgeſchmackt, zum Tollhaus reif, —
Doch ehr’t und lieb’t ſie ihn.
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Zitationshilfe: | Grillparzer, Franz: Ein treuer Diener seines Herrn. Wien, 1830, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_diener_1830/60>, abgerufen am 16.02.2025. |