Grillparzer, Franz: Ein treuer Diener seines Herrn. Wien, 1830. Erny. Sie ehr't und lieb't ihn! Otto. Wenn je und dann sie schielt nach hübschen Jungen, Minutenlang mit ihrem Blick verweil't -- Je, Neugier! Ei, zum Seh'n ward uns das Auge! Wie? oder auch schon Menschenforscherin? Auflauernd der Entwick'lung des Geschlecht's, Und vom Gefühl gewendet zum Erkennen? Erny. Ich weiß, Ihr wollt beleid'gen und e[r]niedern; Was sonst Ihr meint, weiß und versteh' ich nicht. Otto. Ihr blicktet nie nach Andern; ei, ich weiß! Ihr war't auch Jene nicht -- wie, oder doch? -- Die, als man ihr beim Tanz die Hand -- Erny. Ihr lüg't! Otto. Vertheidig't nicht, bevor man noch beschuldig't! -- Die, als man ihr beim Tanz die Hand gedrückt, Den Druck zurücke gab. -- Ich fühl't es, ja! Erny. So mögen diese Finger denn verdorren, Und Feuer sie bestrafen, lohe Gluth, Wenn absichtlos sie und dem Willen fremd, Euch Ander's kündeten, als Haß und Abscheu. Erny. Sie ehr’t und lieb’t ihn! Otto. Wenn je und dann ſie ſchielt nach hübſchen Jungen, Minutenlang mit ihrem Blick verweil’t — Je, Neugier! Ei, zum Seh’n ward uns das Auge! Wie? oder auch ſchon Menſchenforſcherin? Auflauernd der Entwick’lung des Geſchlecht’s, Und vom Gefühl gewendet zum Erkennen? Erny. Ich weiß, Ihr wollt beleid’gen und e[r]niedern; Was ſonſt Ihr meint, weiß und verſteh’ ich nicht. Otto. Ihr blicktet nie nach Andern; ei, ich weiß! Ihr war’t auch Jene nicht — wie, oder doch? — Die, als man ihr beim Tanz die Hand — Erny. Ihr lüg’t! Otto. Vertheidig’t nicht, bevor man noch beſchuldig’t! — Die, als man ihr beim Tanz die Hand gedrückt, Den Druck zurücke gab. — Ich fühl’t es, ja! Erny. So mögen dieſe Finger denn verdorren, Und Feuer ſie beſtrafen, lohe Gluth, Wenn abſichtlos ſie und dem Willen fremd, Euch Ander’s kündeten, als Haß und Abſcheu. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0061" n="53"/> <sp who="#ERN"> <speaker><hi rendition="#g">Erny</hi>.</speaker><lb/> <p>Sie ehr’t und lieb’t ihn!</p> </sp><lb/> <sp who="#OTTO"> <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker><lb/> <p>Wenn je und dann ſie ſchielt nach hübſchen Jungen,<lb/> Minutenlang mit ihrem Blick verweil’t —<lb/> Je, Neugier! Ei, zum Seh’n ward uns das Auge!<lb/> Wie? oder auch ſchon Menſchenforſcherin?<lb/> Auflauernd der Entwick’lung des Geſchlecht’s,<lb/> Und vom Gefühl gewendet zum Erkennen?</p> </sp><lb/> <sp who="#ERN"> <speaker><hi rendition="#g">Erny</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich weiß, Ihr wollt beleid’gen und e<supplied>r</supplied>niedern;<lb/> Was ſonſt Ihr meint, weiß und verſteh’ ich nicht.</p> </sp><lb/> <sp who="#OTTO"> <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker><lb/> <p>Ihr blicktet nie nach Andern; ei, ich weiß!<lb/> Ihr war’t auch Jene nicht — wie, oder doch? —<lb/> Die, als man ihr beim Tanz die Hand —</p> </sp><lb/> <sp who="#ERN"> <speaker><hi rendition="#g">Erny</hi>.</speaker><lb/> <p>Ihr lüg’t!</p> </sp><lb/> <sp who="#OTTO"> <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker><lb/> <p>Vertheidig’t nicht, bevor man noch beſchuldig’t! —<lb/> Die, als man ihr beim Tanz die Hand gedrückt,<lb/> Den Druck zurücke gab. — Ich fühl’t es, ja!</p> </sp><lb/> <sp who="#ERN"> <speaker><hi rendition="#g">Erny</hi>.</speaker><lb/> <p>So mögen dieſe Finger denn verdorren,<lb/> Und Feuer ſie beſtrafen, lohe Gluth,<lb/> Wenn abſichtlos ſie und dem Willen fremd,<lb/> Euch Ander’s kündeten, als Haß und Abſcheu.</p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [53/0061]
Erny.
Sie ehr’t und lieb’t ihn!
Otto.
Wenn je und dann ſie ſchielt nach hübſchen Jungen,
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Je, Neugier! Ei, zum Seh’n ward uns das Auge!
Wie? oder auch ſchon Menſchenforſcherin?
Auflauernd der Entwick’lung des Geſchlecht’s,
Und vom Gefühl gewendet zum Erkennen?
Erny.
Ich weiß, Ihr wollt beleid’gen und erniedern;
Was ſonſt Ihr meint, weiß und verſteh’ ich nicht.
Otto.
Ihr blicktet nie nach Andern; ei, ich weiß!
Ihr war’t auch Jene nicht — wie, oder doch? —
Die, als man ihr beim Tanz die Hand —
Erny.
Ihr lüg’t!
Otto.
Vertheidig’t nicht, bevor man noch beſchuldig’t! —
Die, als man ihr beim Tanz die Hand gedrückt,
Den Druck zurücke gab. — Ich fühl’t es, ja!
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So mögen dieſe Finger denn verdorren,
Und Feuer ſie beſtrafen, lohe Gluth,
Wenn abſichtlos ſie und dem Willen fremd,
Euch Ander’s kündeten, als Haß und Abſcheu.
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