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Grillparzer, Franz: Ein treuer Diener seines Herrn. Wien, 1830.

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Otto.
Nein!
Königin.
Warum nicht?
Otto.
Ich habe schon gegessen.
Königin.
Ha! Ihr lüg't!
Otto.
Nun denn, ich mag, ich kann, ich will nicht.
Nicht essen und nicht athmen, leben nicht.

(Er wirft sich herum, so, daß er mit aufwärts gekehrtem Gesichte
auf dem Rücken liegt.)
Königin.
Unsinniger, sein selbst vergess'ner Thor! --
Geh't Ihr hinaus! Ich werde nach Euch rufen.

(Arzt und Diener ab.)
Königin.
Kannst also du der Gottheit Abglanz schänden?
Nicht Krankheit ist's, ich weiß, ich kenne dich!
Der Leidenschaft und ihrer Raserei
Wirfst du die Gaben vor des gottgegeb'nen Geistes.
Sie glüh't als Fieber durch dein kochend Blut,
Und wirft die Blasen, die sie Krankheit nennen.
Der Leidenschaft! Und wär' es Liebe noch,
Wenn auch verkehrt', verbrecherische Liebe! --
War doch in alter und in neuer Zeit
Otto.
Nein!
Königin.
Warum nicht?
Otto.
Ich habe ſchon gegeſſen.
Königin.
Ha! Ihr lüg’t!
Otto.
Nun denn, ich mag, ich kann, ich will nicht.
Nicht eſſen und nicht athmen, leben nicht.

(Er wirft ſich herum, ſo, daß er mit aufwärts gekehrtem Geſichte
auf dem Rücken liegt.)
Königin.
Unſinniger, ſein ſelbſt vergeſſ’ner Thor! —
Geh’t Ihr hinaus! Ich werde nach Euch rufen.

(Arzt und Diener ab.)
Königin.
Kannſt alſo du der Gottheit Abglanz ſchänden?
Nicht Krankheit iſt’s, ich weiß, ich kenne dich!
Der Leidenſchaft und ihrer Raſerei
Wirfſt du die Gaben vor des gottgegeb’nen Geiſtes.
Sie glüh’t als Fieber durch dein kochend Blut,
Und wirft die Blaſen, die ſie Krankheit nennen.
Der Leidenſchaft! Und wär’ es Liebe noch,
Wenn auch verkehrt’, verbrecheriſche Liebe! —
War doch in alter und in neuer Zeit
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[74/0082] Otto. Nein! Königin. Warum nicht? Otto. Ich habe ſchon gegeſſen. Königin. Ha! Ihr lüg’t! Otto. Nun denn, ich mag, ich kann, ich will nicht. Nicht eſſen und nicht athmen, leben nicht. (Er wirft ſich herum, ſo, daß er mit aufwärts gekehrtem Geſichte auf dem Rücken liegt.) Königin. Unſinniger, ſein ſelbſt vergeſſ’ner Thor! — Geh’t Ihr hinaus! Ich werde nach Euch rufen. (Arzt und Diener ab.) Königin. Kannſt alſo du der Gottheit Abglanz ſchänden? Nicht Krankheit iſt’s, ich weiß, ich kenne dich! Der Leidenſchaft und ihrer Raſerei Wirfſt du die Gaben vor des gottgegeb’nen Geiſtes. Sie glüh’t als Fieber durch dein kochend Blut, Und wirft die Blaſen, die ſie Krankheit nennen. Der Leidenſchaft! Und wär’ es Liebe noch, Wenn auch verkehrt’, verbrecheriſche Liebe! — War doch in alter und in neuer Zeit

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Zitationshilfe: Grillparzer, Franz: Ein treuer Diener seines Herrn. Wien, 1830, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_diener_1830/82>, abgerufen am 24.11.2024.