Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.
Gehoben ihre ganze Lichtgestalt, Verklärungsschimmer über sie gegossen, Als Ueberird'sche hätt' er sie begrüßt, Und zum Gebeth gebeugt die schwanken Kniee. Doch regungslos und stumm, so wie sie war, Fühlt' ich von Schauder mich und Grau'n ergriffen, Ihr lebend todter Blick entsetzte mich, -- Drum eilt' ich -- Rhamnes. Und verließest sie! -- Zu ihr! Doch sieh! Naht nicht? -- Sie ist's, sie selber kömmt! Sechster Auftritt. (Sappho, reich gekleidet, wie im ersten Aufzuge, den Purpurmantel um die Schultern, den Lorbeer auf dem Haupte, die goldne Leyer in der Hand, erscheint, von ihren Dienerinnen umgeben, auf den Stufen des Säu- lenganges, und schreitet ernst und feyerlich herunter.) (Lange Pause.) Melitta. O Sappho, o Gebietherinn! Sappho (ernst und ruhig.) Was willst du? Melitta. Gefallen ist die Binde meiner Augen! O laß mich wieder deine Sklavinn seyn, Was dir gehört, besitz' es, und verzeih! F
Gehoben ihre ganze Lichtgeſtalt, Verklärungsſchimmer über ſie gegoſſen, Als Ueberird'ſche hätt' er ſie begrüßt, Und zum Gebeth gebeugt die ſchwanken Kniee. Doch regungslos und ſtumm, ſo wie ſie war, Fühlt' ich von Schauder mich und Grau'n ergriffen, Ihr lebend todter Blick entſetzte mich, — Drum eilt' ich — Rhamnes. Und verließeſt ſie! — Zu ihr! Doch ſieh! Naht nicht? — Sie iſt's, ſie ſelber kömmt! Sechster Auftritt. (Sappho, reich gekleidet, wie im erſten Aufzuge, den Purpurmantel um die Schultern, den Lorbeer auf dem Haupte, die goldne Leyer in der Hand, erſcheint, von ihren Dienerinnen umgeben, auf den Stufen des Säu- lenganges, und ſchreitet ernſt und feyerlich herunter.) (Lange Pauſe.) Melitta. O Sappho, o Gebietherinn! Sappho (ernſt und ruhig.) Was willſt du? Melitta. Gefallen iſt die Binde meiner Augen! O laß mich wieder deine Sklavinn ſeyn, Was dir gehört, beſitz' es, und verzeih! F
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Gehoben ihre ganze Lichtgeſtalt,
Verklärungsſchimmer über ſie gegoſſen,
Als Ueberird'ſche hätt' er ſie begrüßt,
Und zum Gebeth gebeugt die ſchwanken Kniee.
Doch regungslos und ſtumm, ſo wie ſie war,
Fühlt' ich von Schauder mich und Grau'n ergriffen,
Ihr lebend todter Blick entſetzte mich, —
Drum eilt' ich —
Rhamnes.
Und verließeſt ſie! — Zu ihr!
Doch ſieh! Naht nicht? — Sie iſt's, ſie ſelber kömmt!
Sechster Auftritt.
(Sappho, reich gekleidet, wie im erſten Aufzuge, den
Purpurmantel um die Schultern, den Lorbeer auf dem
Haupte, die goldne Leyer in der Hand, erſcheint, von
ihren Dienerinnen umgeben, auf den Stufen des Säu-
lenganges, und ſchreitet ernſt und feyerlich herunter.)
(Lange Pauſe.)
Melitta.
O Sappho, o Gebietherinn!
Sappho (ernſt und ruhig.)
Was willſt du?
Melitta.
Gefallen iſt die Binde meiner Augen!
O laß mich wieder deine Sklavinn ſeyn,
Was dir gehört, beſitz' es, und verzeih!
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