Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.Dritter Aufzug. Gegend wie in den vorigen Aufzügen. Phaon liegt schlummernd auf der Rasenbank. Erster Auftritt. Sappho (kömmt aus der Grotte.) Es ist umsonst! Weit schwärmen die Gedanken, Und kehren ohne Ladung mir zurück. Was ich auch thue, was ich auch beginne, Doch steht mir jenes tiefverhaßte Bild, Dem ich entfliehen möchte, wär' es auch Weit über dieser Erde dunkle Gränzen, Mit frischen Farben vor der heißen Stirn. Wie er sie hielt! Wie sie sein Arm umschlang! Und nun, dem Drange weichend hingegeben, Auf seinem Mund sie -- fort! ich will's nicht denken! Schon der Gedanke tödtet tausendfach! -- Doch bin ich denn nicht thöricht, mich zu quälen, Und zu beklagen, was wohl gar nicht ist? Wer weiß, welch leichtverwischter, flücht'ger Ein- druck, Dritter Aufzug. Gegend wie in den vorigen Aufzügen. Phaon liegt ſchlummernd auf der Raſenbank. Erſter Auftritt. Sappho (kömmt aus der Grotte.) Es iſt umſonſt! Weit ſchwärmen die Gedanken, Und kehren ohne Ladung mir zurück. Was ich auch thue, was ich auch beginne, Doch ſteht mir jenes tiefverhaßte Bild, Dem ich entfliehen möchte, wär' es auch Weit über dieſer Erde dunkle Gränzen, Mit friſchen Farben vor der heißen Stirn. Wie er ſie hielt! Wie ſie ſein Arm umſchlang! Und nun, dem Drange weichend hingegeben, Auf ſeinem Mund ſie — fort! ich will's nicht denken! Schon der Gedanke tödtet tauſendfach! — Doch bin ich denn nicht thöricht, mich zu quälen, Und zu beklagen, was wohl gar nicht iſt? Wer weiß, welch leichtverwiſchter, flücht'ger Ein- druck, <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0060" n="50"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Dritter Aufzug</hi>.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <stage>Gegend wie in den vorigen Aufzügen. <hi rendition="#g">Phaon</hi> liegt<lb/> ſchlummernd auf der Raſenbank.</stage><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Erſter Auftritt</hi>.</head><lb/> <sp who="#SAP"> <speaker> <hi rendition="#g">Sappho</hi> </speaker><lb/> <stage>(kömmt aus der Grotte.)</stage><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s iſt umſonſt! Weit ſchwärmen die Gedanken,<lb/> Und kehren ohne Ladung mir zurück.<lb/> Was ich auch thue, was ich auch beginne,<lb/> Doch ſteht mir jenes tiefverhaßte Bild,<lb/> Dem ich entfliehen möchte, wär' es auch<lb/> Weit über dieſer Erde dunkle Gränzen,<lb/> Mit friſchen Farben vor der heißen Stirn.<lb/> Wie er ſie hielt! Wie ſie ſein Arm umſchlang!<lb/> Und nun, dem Drange weichend hingegeben,<lb/> Auf ſeinem Mund ſie — fort! ich will's nicht denken!<lb/> Schon der Gedanke tödtet tauſendfach! —</p><lb/> <p>Doch bin ich denn nicht thöricht, mich zu quälen,<lb/> Und zu beklagen, was wohl gar nicht iſt?<lb/> Wer weiß, welch leichtverwiſchter, flücht'ger Ein-<lb/> druck,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0060]
Dritter Aufzug.
Gegend wie in den vorigen Aufzügen. Phaon liegt
ſchlummernd auf der Raſenbank.
Erſter Auftritt.
Sappho
(kömmt aus der Grotte.)
Es iſt umſonſt! Weit ſchwärmen die Gedanken,
Und kehren ohne Ladung mir zurück.
Was ich auch thue, was ich auch beginne,
Doch ſteht mir jenes tiefverhaßte Bild,
Dem ich entfliehen möchte, wär' es auch
Weit über dieſer Erde dunkle Gränzen,
Mit friſchen Farben vor der heißen Stirn.
Wie er ſie hielt! Wie ſie ſein Arm umſchlang!
Und nun, dem Drange weichend hingegeben,
Auf ſeinem Mund ſie — fort! ich will's nicht denken!
Schon der Gedanke tödtet tauſendfach! —
Doch bin ich denn nicht thöricht, mich zu quälen,
Und zu beklagen, was wohl gar nicht iſt?
Wer weiß, welch leichtverwiſchter, flücht'ger Ein-
druck,
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