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Grillparzer, Franz: Der arme Spielmann. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–344. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Des Morgens aber wecke ich sie, wenn ich mein Zimmer in Ordnung bringe. Da schelten sie wohl ein wenig und gehen.

Ich hatte ihn während dessen betrachtet. Er war höchst reinlich gekleidet, die Gestalt gut genug für seine Jahre, nur die Beine etwas zu kurz. Hand und Fuß von auffallender Zartheit. -- Sie sehen mich an, sagte er, und haben dabei Ihre Gedanken? -- Daß ich nach Ihrer Geschichte lüstern bin, versetzte ich. -- Geschichte? wiederholte er. Ich habe keine Geschichte. Heute wie gestern, und morgen wie heute. Uebermorgen freilich und weiter hinaus, wer kann das wissen? Doch Gott wird sorgen, der weiß es. -- Ihr jetziges Leben mag wohl einförmig genug sein, fuhr ich fort; aber Ihre früheren Schicksale. -- Wie es sich fügte -- daß ich unter die Musikleute kam? fiel er in die Pause ein, die ich unwillkürlich gemacht hatte. Ich erzählte ihm nun, wie er mir beim ersten Anblicke aufgefallen; den Eindruck, den die von ihm gesprochenen lateinischen Worte auf mich gemacht hätten. Lateinisch, tönte er nach. Lateinisch? das habe ich freilich auch einmal gelernt oder vielmehr hätte es lernen sollen und können. Loqueris latine? wandte er sich gegen mich, aber ich könnte es nicht fortsetzen. Es ist gar zu lange her. Das also nennen Sie meine Geschichte? Wie es kam? -- Ja so! da ist denn freilich allerlei geschehen; nichts besonders, aber doch allerlei. Möchte ich mir's doch selbst einmal wieder erzählen. Ob ich's nicht gar vergessen habe. Es

Des Morgens aber wecke ich sie, wenn ich mein Zimmer in Ordnung bringe. Da schelten sie wohl ein wenig und gehen.

Ich hatte ihn während dessen betrachtet. Er war höchst reinlich gekleidet, die Gestalt gut genug für seine Jahre, nur die Beine etwas zu kurz. Hand und Fuß von auffallender Zartheit. — Sie sehen mich an, sagte er, und haben dabei Ihre Gedanken? — Daß ich nach Ihrer Geschichte lüstern bin, versetzte ich. — Geschichte? wiederholte er. Ich habe keine Geschichte. Heute wie gestern, und morgen wie heute. Uebermorgen freilich und weiter hinaus, wer kann das wissen? Doch Gott wird sorgen, der weiß es. — Ihr jetziges Leben mag wohl einförmig genug sein, fuhr ich fort; aber Ihre früheren Schicksale. — Wie es sich fügte — daß ich unter die Musikleute kam? fiel er in die Pause ein, die ich unwillkürlich gemacht hatte. Ich erzählte ihm nun, wie er mir beim ersten Anblicke aufgefallen; den Eindruck, den die von ihm gesprochenen lateinischen Worte auf mich gemacht hätten. Lateinisch, tönte er nach. Lateinisch? das habe ich freilich auch einmal gelernt oder vielmehr hätte es lernen sollen und können. Loqueris latine? wandte er sich gegen mich, aber ich könnte es nicht fortsetzen. Es ist gar zu lange her. Das also nennen Sie meine Geschichte? Wie es kam? — Ja so! da ist denn freilich allerlei geschehen; nichts besonders, aber doch allerlei. Möchte ich mir's doch selbst einmal wieder erzählen. Ob ich's nicht gar vergessen habe. Es

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[0026] Des Morgens aber wecke ich sie, wenn ich mein Zimmer in Ordnung bringe. Da schelten sie wohl ein wenig und gehen. Ich hatte ihn während dessen betrachtet. Er war höchst reinlich gekleidet, die Gestalt gut genug für seine Jahre, nur die Beine etwas zu kurz. Hand und Fuß von auffallender Zartheit. — Sie sehen mich an, sagte er, und haben dabei Ihre Gedanken? — Daß ich nach Ihrer Geschichte lüstern bin, versetzte ich. — Geschichte? wiederholte er. Ich habe keine Geschichte. Heute wie gestern, und morgen wie heute. Uebermorgen freilich und weiter hinaus, wer kann das wissen? Doch Gott wird sorgen, der weiß es. — Ihr jetziges Leben mag wohl einförmig genug sein, fuhr ich fort; aber Ihre früheren Schicksale. — Wie es sich fügte — daß ich unter die Musikleute kam? fiel er in die Pause ein, die ich unwillkürlich gemacht hatte. Ich erzählte ihm nun, wie er mir beim ersten Anblicke aufgefallen; den Eindruck, den die von ihm gesprochenen lateinischen Worte auf mich gemacht hätten. Lateinisch, tönte er nach. Lateinisch? das habe ich freilich auch einmal gelernt oder vielmehr hätte es lernen sollen und können. Loqueris latine? wandte er sich gegen mich, aber ich könnte es nicht fortsetzen. Es ist gar zu lange her. Das also nennen Sie meine Geschichte? Wie es kam? — Ja so! da ist denn freilich allerlei geschehen; nichts besonders, aber doch allerlei. Möchte ich mir's doch selbst einmal wieder erzählen. Ob ich's nicht gar vergessen habe. Es

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:14:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Grillparzer, Franz: Der arme Spielmann. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–344. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_spielmann_1910/26>, abgerufen am 03.12.2024.