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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. allgemeine vergleichung der conjugation.
sg. bleiben im heutigen engl. und niederl. getrennt,
wogegen schwed. und dän. die sing. personen zus. fal-
len, die pluralen im schwed- noch geschieden werden.
Neuh. verfließt weder fg. noch pl. in seinen pers.,
wohl aber lautet das -nt des mittelh. III. pl. praes.
nun gleichfalls -n.
2) (vocale) die in der flexion vorkommenden vocale
stehen theils vor dem wesentlichen cons. der person.
flexion, theils nach demselben. Letzteres im goth.
-aima, -aina, -eima, -eima, -eina (dual. -aiva,
-eiva so wie allen passivflexionen) und alth. -mes;
vergleichbar den nominalflexionen -ana, -aize. Der
erste und gewöhnliche fall ist uns hier wichtiger, auf
ihm beruhte ursprünglich das verhältnis der zeit und
des modus. a) ( indicativus, kurzer vocal) im praes.
herrschen a und i, im praet. a und u; 1) praesens;
i der II. III. sg. bewährt der eintretende, a der drei
pl. personen der mangelnde alth. umlaut, altn. ist das
i von II. III. sg. ausgefallen, doch der umlaut geblie-
ben, das goth. und altn. i der II. pl. scheint unorga-
nisch, angels. gilt e (= e) für i, das a besteht. Altn.
hat auch die I. pl. praes. u nebst umlaut, fällt also mit
dem praet. zusammen; daß hier a richtiger und älter
sey, läßt sich nicht zweifeln und wird durch den
analogen vordrang des u im alth. und altn. dat. pl.
-um statt des goth. -am (s. 810. 812.) bestätigt. Schwie-
riger noch ist es, den vocal der I. sg. zu beurthei-
len: goth. -a, parallel dem -a des weibl. nom. sg.
erster starker deel.; alth. und alts. -u, parallel dem
nämlichen casus bei adj., vermuthlich früher bei
subst.; angels. -e, während gerade jene casus des
nomens -u behaupten; altn. apocopiertes -i, aber
mit nachwirkendem umlaut, unparallel dem apocopier-
ten -u, welches der umlaut des nom. sg. fem. ver-
räth. Resultat: für III. stimmen alle sprachen, sg. -i,
pl. -a, für II. die meisten sg. -i, pl. -a; I. schwankt,
organisch scheint sg. -a, pl. -a. In der schwachen
conj. verdunkelt sich diese einrichtung durch zwi-
schentritt des ableitungavocals, und zwar auf ver-
schiedene weise. Das ableitende i schadet dem a und
u der flexion nicht, sondern wandelt sich vor ihnen
in j (nasja, nasjam, nasjand, nerju, nerjum, nerjant);
auch dem i der flexion schadet es nicht bei kurzer
wurzelsilbe (nasjis, nasjith) und verschwindet lieber
selbst (alth. neris, nerit, st. nerjis, nerjit); bei lang-
II. allgemeine vergleichung der conjugation.
ſg. bleiben im heutigen engl. und niederl. getrennt,
wogegen ſchwed. und dän. die ſing. perſonen zuſ. fal-
len, die pluralen im ſchwed- noch geſchieden werden.
Neuh. verfließt weder fg. noch pl. in ſeinen perſ.,
wohl aber lautet das -nt des mittelh. III. pl. praeſ.
nun gleichfalls -n.
2) (vocale) die in der flexion vorkommenden vocale
ſtehen theils vor dem weſentlichen conſ. der perſon.
flexion, theils nach demſelben. Letzteres im goth.
-áima, -áina, -eima, -eima, -eina (dual. -áiva,
-eiva ſo wie allen paſſivflexionen) und alth. -mês;
vergleichbar den nominalflexionen -ana, -áizê. Der
erſte und gewöhnliche fall iſt uns hier wichtiger, auf
ihm beruhte urſprünglich das verhältnis der zeit und
des modus. α) ( indicativus, kurzer vocal) im praeſ.
herrſchen a und i, im praet. a und u; 1) praeſens;
i der II. III. ſg. bewährt der eintretende, a der drei
pl. perſonen der mangelnde alth. umlaut, altn. iſt das
i von II. III. ſg. ausgefallen, doch der umlaut geblie-
ben, das goth. und altn. i der II. pl. ſcheint unorga-
niſch, angelſ. gilt e (= ë) für i, das a beſteht. Altn.
hat auch die I. pl. praeſ. u nebſt umlaut, fällt alſo mit
dem praet. zuſammen; daß hier a richtiger und älter
ſey, läßt ſich nicht zweifeln und wird durch den
analogen vordrang des u im alth. und altn. dat. pl.
-um ſtatt des goth. -am (ſ. 810. 812.) beſtätigt. Schwie-
riger noch iſt es, den vocal der I. ſg. zu beurthei-
len: goth. -a, parallel dem -a des weibl. nom. ſg.
erſter ſtarker deel.; alth. und altſ. -u, parallel dem
nämlichen caſus bei adj., vermuthlich früher bei
ſubſt.; angelſ. -e, während gerade jene caſus des
nomens -u behaupten; altn. apocopiertes -i, aber
mit nachwirkendem umlaut, unparallel dem apocopier-
ten -u, welches der umlaut des nom. ſg. fem. ver-
räth. Reſultat: für III. ſtimmen alle ſprachen, ſg. -i,
pl. -a, für II. die meiſten ſg. -i, pl. -a; I. ſchwankt,
organiſch ſcheint ſg. -a, pl. -a. In der ſchwachen
conj. verdunkelt ſich dieſe einrichtung durch zwi-
ſchentritt des ableitungavocals, und zwar auf ver-
ſchiedene weiſe. Das ableitende i ſchadet dem a und
u der flexion nicht, ſondern wandelt ſich vor ihnen
in j (naſja, naſjam, naſjand, nerju, nerjum, nerjant);
auch dem i der flexion ſchadet es nicht bei kurzer
wurzelſilbe (naſjis, naſjiþ) und verſchwindet lieber
ſelbſt (alth. neris, nerit, ſt. nerjis, nerjit); bei lang-
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[1047/1073] II. allgemeine vergleichung der conjugation. ſg. bleiben im heutigen engl. und niederl. getrennt, wogegen ſchwed. und dän. die ſing. perſonen zuſ. fal- len, die pluralen im ſchwed- noch geſchieden werden. Neuh. verfließt weder fg. noch pl. in ſeinen perſ., wohl aber lautet das -nt des mittelh. III. pl. praeſ. nun gleichfalls -n. 2) (vocale) die in der flexion vorkommenden vocale ſtehen theils vor dem weſentlichen conſ. der perſon. flexion, theils nach demſelben. Letzteres im goth. -áima, -áina, -eima, -eima, -eina (dual. -áiva, -eiva ſo wie allen paſſivflexionen) und alth. -mês; vergleichbar den nominalflexionen -ana, -áizê. Der erſte und gewöhnliche fall iſt uns hier wichtiger, auf ihm beruhte urſprünglich das verhältnis der zeit und des modus. α) ( indicativus, kurzer vocal) im praeſ. herrſchen a und i, im praet. a und u; 1) praeſens; i der II. III. ſg. bewährt der eintretende, a der drei pl. perſonen der mangelnde alth. umlaut, altn. iſt das i von II. III. ſg. ausgefallen, doch der umlaut geblie- ben, das goth. und altn. i der II. pl. ſcheint unorga- niſch, angelſ. gilt e (= ë) für i, das a beſteht. Altn. hat auch die I. pl. praeſ. u nebſt umlaut, fällt alſo mit dem praet. zuſammen; daß hier a richtiger und älter ſey, läßt ſich nicht zweifeln und wird durch den analogen vordrang des u im alth. und altn. dat. pl. -um ſtatt des goth. -am (ſ. 810. 812.) beſtätigt. Schwie- riger noch iſt es, den vocal der I. ſg. zu beurthei- len: goth. -a, parallel dem -a des weibl. nom. ſg. erſter ſtarker deel.; alth. und altſ. -u, parallel dem nämlichen caſus bei adj., vermuthlich früher bei ſubſt.; angelſ. -e, während gerade jene caſus des nomens -u behaupten; altn. apocopiertes -i, aber mit nachwirkendem umlaut, unparallel dem apocopier- ten -u, welches der umlaut des nom. ſg. fem. ver- räth. Reſultat: für III. ſtimmen alle ſprachen, ſg. -i, pl. -a, für II. die meiſten ſg. -i, pl. -a; I. ſchwankt, organiſch ſcheint ſg. -a, pl. -a. In der ſchwachen conj. verdunkelt ſich dieſe einrichtung durch zwi- ſchentritt des ableitungavocals, und zwar auf ver- ſchiedene weiſe. Das ableitende i ſchadet dem a und u der flexion nicht, ſondern wandelt ſich vor ihnen in j (naſja, naſjam, naſjand, nerju, nerjum, nerjant); auch dem i der flexion ſchadet es nicht bei kurzer wurzelſilbe (naſjis, naſjiþ) und verſchwindet lieber ſelbſt (alth. neris, nerit, ſt. nerjis, nerjit); bei lang-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 1047. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/1073>, abgerufen am 22.11.2024.