nämlich in der conj. dem praes. malan, malu, melis, melit etc. in der ableitung dem man, mennisk; hasal hesilein (colurnus), tanna, tennein (abiegnus). Näher erwogen vermag ich keinen umlaut des e in i anzunehmen, a) der umlaut trübt den reinen vocal, i aber ist selbst einfacher, reiner laut. b) die endung i müste dann überall das e umlauten, nie aber wird man zu herza den gen. hirzin finden. c) die endung i lautet a in e um, faran, ferit, ferjan (transfretare); aber so bald sie wegfällt, hört der umlaut auf, daher faru (veho) und im imp. far! mal! (mole). In unsern fällen waltet also ein anderes gesetz, denn es heißt neben gibit, wirfit auch gibu, wirfu, gip! wirf! Die ableitungen irfirren, gahirzan zeigen ebensowenig ein endungs-i. -- Aus diesen gründen halte ich das mit e wechselnde i für keinen umlaut, vielmehr für den in gewissen flexionen und ableitungen länger haften- den, ursprünglichen laut, der von der endung unab- hängig sich zuweilen noch fester erhalten (z. b. durchs ganze verbum ligan), zuweilen ungeachtet der endung verloren hat (z. b. von kneht heißt das adj. knehtisk, nicht knihtisk). Vgl. was unten über die ähnliche er- scheinung des u statt o, des iu statt io gesagt wer- den wird.
4) die beobachtung des richtigen lautes e und e unter- scheidet viele wörter, z. b. bero (ursus) beri (bacca); hera (huc) heri (exercitus); namentlich starke verba von den abgeleiteten schwachen z. b. ginesan (sanari), ginerjan (sanare); gizeman (decere), gizemjan, (do- mare); beran (ferre), berjan (ferire) etc.
5) einige doch seltene übergänge des e in o erinnern an das parallele angels. eo und die oben s. 44. bemerkte verwandtschaft des lat. o, überhaupt aber an das ab- lautsverhältniß zwischen neman und ginoman. Ein merkwürdiges beispiel ist Otfrieds worolt, da alle an- deren alth. quellen weralt haben. Aehnlich wola (bene) O. T. N. und wela K. gl. jun.; so wie das subst. wolo (opes) alts. welo, angels. wela; oder muß statt e ein e stehen? vgl. goth. vaila und im verbum das ältere wellent mit dem späteren wollent, wobei das lat. bonus und bene (mit kurzem e), volo und velle selbst erläutern. Vgl. oba (num) goth. iba, nord. ef, und das alth. wehha (hebdomas) goth. viko mit dem mittelh. woche; endlich das alth. queman und quena
I. althochdeutſche vocale.
nämlich in der conj. dem praeſ. malan, malu, melis, melit etc. in der ableitung dem man, menniſk; haſal heſilîn (colurnus), tanna, tennîn (abiegnus). Näher erwogen vermag ich keinen umlaut des ë in i anzunehmen, a) der umlaut trübt den reinen vocal, i aber iſt ſelbſt einfacher, reiner laut. b) die endung i müſte dann überall das ë umlauten, nie aber wird man zu hërza den gen. hirzin finden. c) die endung i lautet a in e um, faran, ferit, ferjan (transfretare); aber ſo bald ſie wegfällt, hört der umlaut auf, daher faru (veho) und im imp. far! mal! (mole). In unſern fällen waltet alſo ein anderes geſetz, denn es heißt neben gibit, wirfit auch gibu, wirfu, gip! wirf! Die ableitungen irfirrên, gahirzan zeigen ebenſowenig ein endungs-i. — Aus dieſen gründen halte ich das mit ë wechſelnde i für keinen umlaut, vielmehr für den in gewiſſen flexionen und ableitungen länger haften- den, urſprünglichen laut, der von der endung unab- hängig ſich zuweilen noch feſter erhalten (z. b. durchs ganze verbum ligan), zuweilen ungeachtet der endung verloren hat (z. b. von knëht heißt das adj. knëhtiſk, nicht knihtiſk). Vgl. was unten über die ähnliche er- ſcheinung des u ſtatt o, des iu ſtatt io geſagt wer- den wird.
4) die beobachtung des richtigen lautes e und ë unter- ſcheidet viele wörter, z. b. bëro (urſus) beri (bacca); hëra (huc) heri (exercitus); namentlich ſtarke verba von den abgeleiteten ſchwachen z. b. ginëſan (ſanari), ginerjan (ſanare); gizëman (decere), gizemjan, (do- mare); bëran (ferre), berjan (ferire) etc.
5) einige doch ſeltene übergänge des ë in o erinnern an das parallele angelſ. eo und die oben ſ. 44. bemerkte verwandtſchaft des lat. o, überhaupt aber an das ab- lautsverhältniß zwiſchen nëman und ginoman. Ein merkwürdiges beiſpiel iſt Otfrieds worolt, da alle an- deren alth. quellen wëralt haben. Aehnlich wola (bene) O. T. N. und wëla K. gl. jun.; ſo wie das ſubſt. wolo (opes) altſ. wëlo, angelſ. wëla; oder muß ſtatt ë ein ê ſtehen? vgl. goth. váila und im verbum das ältere wëllent mit dem ſpäteren wollent, wobei das lat. bonus und bene (mit kurzem e), volo und velle ſelbſt erläutern. Vgl. oba (num) goth. ïba, nord. ëf, und das alth. wëhha (hebdomas) goth. vikô mit dem mittelh. woche; endlich das alth. quëman und quëna
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[82/0108]
I. althochdeutſche vocale.
nämlich in der conj. dem praeſ. malan, malu, melis,
melit etc. in der ableitung dem man, menniſk; haſal
heſilîn (colurnus), tanna, tennîn (abiegnus). Näher
erwogen vermag ich keinen umlaut des ë in i
anzunehmen, a) der umlaut trübt den reinen vocal, i
aber iſt ſelbſt einfacher, reiner laut. b) die endung i
müſte dann überall das ë umlauten, nie aber wird
man zu hërza den gen. hirzin finden. c) die endung
i lautet a in e um, faran, ferit, ferjan (transfretare);
aber ſo bald ſie wegfällt, hört der umlaut auf, daher
faru (veho) und im imp. far! mal! (mole). In unſern
fällen waltet alſo ein anderes geſetz, denn es heißt
neben gibit, wirfit auch gibu, wirfu, gip! wirf! Die
ableitungen irfirrên, gahirzan zeigen ebenſowenig ein
endungs-i. — Aus dieſen gründen halte ich das mit
ë wechſelnde i für keinen umlaut, vielmehr für den
in gewiſſen flexionen und ableitungen länger haften-
den, urſprünglichen laut, der von der endung unab-
hängig ſich zuweilen noch feſter erhalten (z. b. durchs
ganze verbum ligan), zuweilen ungeachtet der endung
verloren hat (z. b. von knëht heißt das adj. knëhtiſk,
nicht knihtiſk). Vgl. was unten über die ähnliche er-
ſcheinung des u ſtatt o, des iu ſtatt io geſagt wer-
den wird.
4) die beobachtung des richtigen lautes e und ë unter-
ſcheidet viele wörter, z. b. bëro (urſus) beri (bacca);
hëra (huc) heri (exercitus); namentlich ſtarke verba
von den abgeleiteten ſchwachen z. b. ginëſan (ſanari),
ginerjan (ſanare); gizëman (decere), gizemjan, (do-
mare); bëran (ferre), berjan (ferire) etc.
5) einige doch ſeltene übergänge des ë in o erinnern
an das parallele angelſ. eo und die oben ſ. 44. bemerkte
verwandtſchaft des lat. o, überhaupt aber an das ab-
lautsverhältniß zwiſchen nëman und ginoman. Ein
merkwürdiges beiſpiel iſt Otfrieds worolt, da alle an-
deren alth. quellen wëralt haben. Aehnlich wola
(bene) O. T. N. und wëla K. gl. jun.; ſo wie das ſubſt.
wolo (opes) altſ. wëlo, angelſ. wëla; oder muß ſtatt
ë ein ê ſtehen? vgl. goth. váila und im verbum das
ältere wëllent mit dem ſpäteren wollent, wobei das
lat. bonus und bene (mit kurzem e), volo und velle
ſelbſt erläutern. Vgl. oba (num) goth. ïba, nord. ëf,
und das alth. wëhha (hebdomas) goth. vikô mit dem
mittelh. woche; endlich das alth. quëman und quëna
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/108>, abgerufen am 21.11.2024.
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