mit dem mittelh. komen und kone. Die formenlehre wird fernere belege liefern, z. b. in dem pronom. nihhein und nohhein.
(I) i steht dem goth. i gleich. hat aber beschränktern umfang *), da, wie wir eben gesehn, viele goth. i zu alth. e geworden sind. Dabei macht sich wieder die vorhin beim a mitgetheilte bemerkung geltend, daß vo- cale mit folgendem einfachen cons. den laut leichter wechseln, die mit position ihn länger halten, vgl. geban, weban, eban, weg, thegan, regan, helan, stelan, neman, wesan, lesan etc. wo im goth. i steht und andrerseits wildi, willo, zimbar, bindan, windan, ring, hinkan, ginnan, plint, thinsan, rippea, fisk etc. Nur laßen sich doch nicht alle fälle hiernach regeln; ausnahmen treten auf beiden seiten über. So sind die formen id meistens dem i treu geblieben, als nidar, widar, fridn, lidei (membra), ausgenommen qvedan (dicere) **); einige auf ib, als: biba (tremor) sibun, nebst andern namentlich einsilbigen und partikeln: himil, in, miti, hina, ir (ex); pronomina mir, dir, is (ejus) imu, im, inan, ira, iru, aber im nom. er und ez (goth. is, ita) so wie zer- (goth. dis-). Einige schwanken nach verschiedenheit der denkmähler, z. b. scif (navis) O.; scef M. T. N. gl. hrab. jun. und Ried no. 43. -- die alten runennamen haben noch gibu st. des späteren geba (donum), ebenso wechseln wissa und wessa (scivit) etc. -- in gewissen flexionen und ableitun- gen tritt das alte i hervor, wie oben beim e angemerkt worden ist, es mag position in dem wort seyn oder nicht, eben so bleibt in den ablauten midun, ritun, scinun etc. das i stets unversehrt und geht nie in e über. Endlich merke man, daß einige alth. i auch dem goth. ai ent- sprechen, also in den formen ih und ir, vgl. fihu, hirtei, wirs (pejus); sogar pittar dem goth. ai in baitrs (s. oben s. 45.)
(O) o, wird gleich dem e in den runen nicht aus- gedrückt, mangelt auch in der gothischen sprache ***).
*) Die einzigen auf i auslautenden einsilb. wörter sind die negation ni und partikeln bi-gi-, die aber bei N schon ne und pe, ke lauten (d. h. ne, pe, ke).
**) vgl. den eigennamen Sido, Tac. ann. 12, 29. hist. 3, 5. Vibilius, ann. 2, 63. 12, 29. idistaviso, ann. 2, 16. oder wäre Seido, Veibilius etc. zu setzen?
***) Ungeachtet dieser ähnlichkeit mit dem e, um derentwillen auch das o kein ursprünglicher und einfacher deutscher
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I. althochdeutſche vocale.
mit dem mittelh. komen und kone. Die formenlehre wird fernere belege liefern, z. b. in dem pronom. nihhein und nohhein.
(I) i ſteht dem goth. i gleich. hat aber beſchränktern umfang *), da, wie wir eben geſehn, viele goth. i zu alth. ë geworden ſind. Dabei macht ſich wieder die vorhin beim a mitgetheilte bemerkung geltend, daß vo- cale mit folgendem einfachen conſ. den laut leichter wechſeln, die mit poſition ihn länger halten, vgl. gëban, wëban, ëban, wëg, thëgan, rëgan, hëlan, ſtëlan, nëman, wëſan, lëſan etc. wo im goth. i ſteht und andrerſeits wildi, willo, zimbar, bindan, windan, ring, hinkan, ginnan, plint, thinſan, rippea, fiſk etc. Nur laßen ſich doch nicht alle fälle hiernach regeln; ausnahmen treten auf beiden ſeiten über. So ſind die formen id meiſtens dem i treu geblieben, als nidar, widar, fridn, lidî (membra), ausgenommen qvëdan (dicere) **); einige auf ib, als: biba (tremor) ſibun, nebſt andern namentlich einſilbigen und partikeln: himil, in, miti, hina, ir (ex); pronomina mir, dir, is (ejus) imu, im, inan, ira, iru, aber im nom. ër und ëz (goth. is, ita) ſo wie zër- (goth. dis-). Einige ſchwanken nach verſchiedenheit der denkmähler, z. b. ſcif (navis) O.; ſcëf M. T. N. gl. hrab. jun. und Ried no. 43. — die alten runennamen haben noch gibu ſt. des ſpäteren gëba (donum), ebenſo wechſeln wiſſa und wëſſa (ſcivit) etc. — in gewiſſen flexionen und ableitun- gen tritt das alte i hervor, wie oben beim ë angemerkt worden iſt, es mag poſition in dem wort ſeyn oder nicht, eben ſo bleibt in den ablauten midun, ritun, ſcinun etc. das i ſtets unverſehrt und geht nie in ë über. Endlich merke man, daß einige alth. i auch dem goth. aí ent- ſprechen, alſo in den formen ih und ir, vgl. fihu, hirtî, wirs (pejus); ſogar pittar dem goth. ái in báitrs (ſ. oben ſ. 45.)
(O) o, wird gleich dem e in den runen nicht aus- gedrückt, mangelt auch in der gothiſchen ſprache ***).
*) Die einzigen auf i auslautenden einſilb. wörter ſind die negation ni und partikeln bi-gi-, die aber bei N ſchon ne und pe, ke lauten (d. h. në, pë, kë).
**) vgl. den eigennamen Sido, Tac. ann. 12, 29. hiſt. 3, 5. Vibilius, ann. 2, 63. 12, 29. idiſtaviſo, ann. 2, 16. oder wäre Sîdo, Vîbilius etc. zu ſetzen?
***) Ungeachtet dieſer ähnlichkeit mit dem ë, um derentwillen auch das o kein urſprünglicher und einfacher deutſcher
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I. althochdeutſche vocale.
mit dem mittelh. komen und kone. Die formenlehre
wird fernere belege liefern, z. b. in dem pronom.
nihhein und nohhein.
(I) i ſteht dem goth. i gleich. hat aber beſchränktern
umfang *), da, wie wir eben geſehn, viele goth. i zu
alth. ë geworden ſind. Dabei macht ſich wieder die
vorhin beim a mitgetheilte bemerkung geltend, daß vo-
cale mit folgendem einfachen conſ. den laut leichter
wechſeln, die mit poſition ihn länger halten, vgl. gëban,
wëban, ëban, wëg, thëgan, rëgan, hëlan, ſtëlan, nëman,
wëſan, lëſan etc. wo im goth. i ſteht und andrerſeits wildi,
willo, zimbar, bindan, windan, ring, hinkan, ginnan,
plint, thinſan, rippea, fiſk etc. Nur laßen ſich doch
nicht alle fälle hiernach regeln; ausnahmen treten auf
beiden ſeiten über. So ſind die formen id meiſtens dem
i treu geblieben, als nidar, widar, fridn, lidî (membra),
ausgenommen qvëdan (dicere) **); einige auf ib, als:
biba (tremor) ſibun, nebſt andern namentlich einſilbigen
und partikeln: himil, in, miti, hina, ir (ex); pronomina
mir, dir, is (ejus) imu, im, inan, ira, iru, aber im
nom. ër und ëz (goth. is, ita) ſo wie zër- (goth. dis-).
Einige ſchwanken nach verſchiedenheit der denkmähler,
z. b. ſcif (navis) O.; ſcëf M. T. N. gl. hrab. jun. und
Ried no. 43. — die alten runennamen haben noch gibu
ſt. des ſpäteren gëba (donum), ebenſo wechſeln wiſſa und
wëſſa (ſcivit) etc. — in gewiſſen flexionen und ableitun-
gen tritt das alte i hervor, wie oben beim ë angemerkt
worden iſt, es mag poſition in dem wort ſeyn oder nicht,
eben ſo bleibt in den ablauten midun, ritun, ſcinun etc.
das i ſtets unverſehrt und geht nie in ë über. Endlich
merke man, daß einige alth. i auch dem goth. aí ent-
ſprechen, alſo in den formen ih und ir, vgl. fihu, hirtî,
wirs (pejus); ſogar pittar dem goth. ái in báitrs
(ſ. oben ſ. 45.)
(O) o, wird gleich dem e in den runen nicht aus-
gedrückt, mangelt auch in der gothiſchen ſprache ***).
*) Die einzigen auf i auslautenden einſilb. wörter ſind die
negation ni und partikeln bi-gi-, die aber bei N ſchon
ne und pe, ke lauten (d. h. në, pë, kë).
**) vgl. den eigennamen Sido, Tac. ann. 12, 29. hiſt. 3, 5.
Vibilius, ann. 2, 63. 12, 29. idiſtaviſo, ann. 2, 16. oder wäre
Sîdo, Vîbilius etc. zu ſetzen?
***) Ungeachtet dieſer ähnlichkeit mit dem ë, um derentwillen
auch das o kein urſprünglicher und einfacher deutſcher
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/109>, abgerufen am 24.11.2024.
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