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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. altnordische consonanten. gutturales.
im sächs. oben s. 258. note) alliterieren; oder wenn man
auch mitunter vocalische alliteration des j fände (vgl.
oben s. 310. über u und v) so müste doch als regel
die consonantische vorwalten. Sie ist aber in der gan-
zen edda, meines wißens, nicht ein einzigesmahl an-
zutreffen, vielmehr überall stehen alliterationen wie
iöfra: oborna; öll: iafn; önn: iötni; innan: iötna etc. --
Merkwürdig, allein nur neuisländ. steht der cons. j in
einigen wörtern st. des wegfallenden anlauts v, als:
jurt (herba) für urt. vurt; jarteikn (signum, dän. jer-
tegn, schwed. jertekn, vermuthlich aus dem hochd.
wahrzeichen).
2) inlautend entspringt j aus dem i der ableitung und
flexion, so oft weiterer vocal folgt, als: sitja, (sedere)
sitjum (sedeamus) berja (verberare) iljar (plantae pedis)
vili, gen. vilja (voluntas) hit nyja, midhja (novnm,
medium) etc. Folgt selber i. so fließt das entsprin-
gende ji in dem vocallant i zusammen, also vili (vo-
luntas) siti (sedeam) st. vilji, sitji, obwohl Rask §. 39.
in der aussprache fortdauernden jot-laut annimmt und
zu dessen bezeichnung vili, siti schreiben lehrt. Da
nach der neueren mundart k und g vor i wie kj, gj
lauten, so bekäme soekja (quaerere) segja (dicere) die
aussprache soekjia, segjia oder etwa soekija, segija?
oder verschmilzt das j aus der gutturalis mit dem j
der ableitung? -- Nicht Biörn etc. aber Rask §. 21.
verwandelt auch inlautend die diphth. ia, iö, io, iu
in ja, jö, jo, ju und schreibt bjarga, mjölnir, sjon,
sjukr etc.; mir scheint nach den vorhin beim anlaut
entwickelten gründen biarga, miölnir, sion beßer und
grammatischer; in der aussprache wird fast kein un-
terschied merkbar seyn, da in jenen diphth. das i nur
leise vorschlägt. Daß der Gothe siuns, siuks und ge-
wiß nicht sjuns, sjuks schreibt, gibt freilich keinen
grund gegen das isländ. sjon, sjukr, indem der goth.
diphth. iu, der nord. aber iu, io zu betonen ist. Allein
eben die accente drücken diese betonung aus und es
wäre entw. iu, io zu schreiben, oder bei ju, jo der
accent wegzulaßen, wie bei ja, jö; da sich iö ohne
einen neuen typus nicht accentuieren ließ, schrieb ich
lieber auch ia statt ia.

(H) vermischt sich weder mit ten. *) noch med.,
fällt aber häufig weg und zwar 1) anlautend theils spä-

*) Denn hneisr f. kneifr, hnöttr f. knöttr, hnörr f. knörr, hne
f. kne etc. sind als unorg. spätere entstellung zu misbilligen.
X 2
I. altnordiſche conſonanten. gutturales.
im ſächſ. oben ſ. 258. note) alliterieren; oder wenn man
auch mitunter vocaliſche alliteration des j fände (vgl.
oben ſ. 310. über u und v) ſo müſte doch als regel
die conſonantiſche vorwalten. Sie iſt aber in der gan-
zen edda, meines wißens, nicht ein einzigesmahl an-
zutreffen, vielmehr überall ſtehen alliterationen wie
iöfra: ôborna; öll: iafn; önn: iötni; innan: iötna etc. —
Merkwürdig, allein nur neuisländ. ſteht der conſ. j in
einigen wörtern ſt. des wegfallenden anlauts v, als:
jurt (herba) für urt. vurt; jarteikn (ſignum, dän. jer-
têgn, ſchwed. jertêkn, vermuthlich aus dem hochd.
wahrzeichen).
2) inlautend entſpringt j aus dem i der ableitung und
flexion, ſo oft weiterer vocal folgt, als: ſitja, (ſedere)
ſitjum (ſedeamus) berja (verberare) iljar (plantae pedis)
vili, gen. vilja (voluntas) hit nŷja, midhja (novnm,
medium) etc. Folgt ſelber i. ſo fließt das entſprin-
gende ji in dem vocallant i zuſammen, alſo vili (vo-
luntas) ſiti (ſedeam) ſt. vilji, ſitji, obwohl Raſk §. 39.
in der ausſprache fortdauernden jot-laut annimmt und
zu deſſen bezeichnung vilì, ſitì ſchreiben lehrt. Da
nach der neueren mundart k und g vor i wie kj, gj
lauten, ſo bekäme ſœkja (quaerere) ſegja (dicere) die
ausſprache ſœkjia, ſegjia oder etwa ſœkija, ſegija?
oder verſchmilzt das j aus der gutturalis mit dem j
der ableitung? — Nicht Biörn etc. aber Raſk §. 21.
verwandelt auch inlautend die diphth. ia, iö, ió, iú
in ja, jö, jó, jú und ſchreibt bjarga, mjölnir, ſjón,
ſjúkr etc.; mir ſcheint nach den vorhin beim anlaut
entwickelten gründen biarga, miölnir, ſión beßer und
grammatiſcher; in der ausſprache wird faſt kein un-
terſchied merkbar ſeyn, da in jenen diphth. das i nur
leiſe vorſchlägt. Daß der Gothe ſiuns, ſiuks und ge-
wiß nicht ſjuns, ſjuks ſchreibt, gibt freilich keinen
grund gegen das isländ. ſjón, ſjúkr, indem der goth.
diphth. íu, der nord. aber iú, ió zu betonen iſt. Allein
eben die accente drücken dieſe betonung aus und es
wäre entw. iú, ió zu ſchreiben, oder bei ju, jo der
accent wegzulaßen, wie bei ja, jö; da ſich iö ohne
einen neuen typus nicht accentuieren ließ, ſchrieb ich
lieber auch ia ſtatt iá.

(H) vermiſcht ſich weder mit ten. *) noch med.,
fällt aber häufig weg und zwar 1) anlautend theils ſpä-

*) Denn hnîſr f. knîfr, hnöttr f. knöttr, hnörr f. knörr, hnê
f. knê etc. ſind als unorg. ſpätere entſtellung zu misbilligen.
X 2
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[323/0349] I. altnordiſche conſonanten. gutturales. im ſächſ. oben ſ. 258. note) alliterieren; oder wenn man auch mitunter vocaliſche alliteration des j fände (vgl. oben ſ. 310. über u und v) ſo müſte doch als regel die conſonantiſche vorwalten. Sie iſt aber in der gan- zen edda, meines wißens, nicht ein einzigesmahl an- zutreffen, vielmehr überall ſtehen alliterationen wie iöfra: ôborna; öll: iafn; önn: iötni; innan: iötna etc. — Merkwürdig, allein nur neuisländ. ſteht der conſ. j in einigen wörtern ſt. des wegfallenden anlauts v, als: jurt (herba) für urt. vurt; jarteikn (ſignum, dän. jer- têgn, ſchwed. jertêkn, vermuthlich aus dem hochd. wahrzeichen). 2) inlautend entſpringt j aus dem i der ableitung und flexion, ſo oft weiterer vocal folgt, als: ſitja, (ſedere) ſitjum (ſedeamus) berja (verberare) iljar (plantae pedis) vili, gen. vilja (voluntas) hit nŷja, midhja (novnm, medium) etc. Folgt ſelber i. ſo fließt das entſprin- gende ji in dem vocallant i zuſammen, alſo vili (vo- luntas) ſiti (ſedeam) ſt. vilji, ſitji, obwohl Raſk §. 39. in der ausſprache fortdauernden jot-laut annimmt und zu deſſen bezeichnung vilì, ſitì ſchreiben lehrt. Da nach der neueren mundart k und g vor i wie kj, gj lauten, ſo bekäme ſœkja (quaerere) ſegja (dicere) die ausſprache ſœkjia, ſegjia oder etwa ſœkija, ſegija? oder verſchmilzt das j aus der gutturalis mit dem j der ableitung? — Nicht Biörn etc. aber Raſk §. 21. verwandelt auch inlautend die diphth. ia, iö, ió, iú in ja, jö, jó, jú und ſchreibt bjarga, mjölnir, ſjón, ſjúkr etc.; mir ſcheint nach den vorhin beim anlaut entwickelten gründen biarga, miölnir, ſión beßer und grammatiſcher; in der ausſprache wird faſt kein un- terſchied merkbar ſeyn, da in jenen diphth. das i nur leiſe vorſchlägt. Daß der Gothe ſiuns, ſiuks und ge- wiß nicht ſjuns, ſjuks ſchreibt, gibt freilich keinen grund gegen das isländ. ſjón, ſjúkr, indem der goth. diphth. íu, der nord. aber iú, ió zu betonen iſt. Allein eben die accente drücken dieſe betonung aus und es wäre entw. iú, ió zu ſchreiben, oder bei ju, jo der accent wegzulaßen, wie bei ja, jö; da ſich iö ohne einen neuen typus nicht accentuieren ließ, ſchrieb ich lieber auch ia ſtatt iá. (H) vermiſcht ſich weder mit ten. *) noch med., fällt aber häufig weg und zwar 1) anlautend theils ſpä- *) Denn hnîſr f. knîfr, hnöttr f. knöttr, hnörr f. knörr, hnê f. knê etc. ſind als unorg. ſpätere entſtellung zu misbilligen. X 2

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/349>, abgerufen am 20.05.2024.