lauten nahe kommen oder in sie aufgehen, welches sich bei untersuchung der goth. ai und au verglichen mit den e, ia und eo anderer sprachstämme näher zei- gen wird; vergl. auch das nord. ö.
d) einiges lernt man aus den übergängen der im doppel- laut verbundenen vocale i und u in die halbvocale j und v bestimmen.
5) Triphthongen würden möglicherweise in noch größerer anzahl vorhanden seyn, wirklich aber bestehen sie in weit geringerer. Die ältere sprache kennt sie gar nicht, die späterer nur selten, und sie entspringen aus zusammengezogenen mehrern silben.
6) Der eintheilung der vocale in reine und trübe ist schon gedacht worden. Man könnte sie auch benennen: dichte und dünne. Zu den reinen gehört a, o, u, de- nen die trüben e, ö, ü entsprechen, zwischen beiden steht i eigentlich in der mitte, als keiner trübung fähig. Die von einem folgenden vocale bewirkte trübung (ver- dünnung) des vocals der wurzel heißt nun: umlaut. Man merke:
a) macht den umlaut zu zeugen wohnt gerade jenem in der mitte stehenden i oder dessen doppelung i bei. Späterhin hat das das i vertretende e dieselbe kraft. Im nordischen zieht auch u einen ähnlichen, doch ver- schiedenen umlaut nach sich. Beide i und u können in gewissen fällen hinten abgeworfen werden und ihre wirkung, der umlaut, bleibt dennoch stehen (ver- sleckter umlaut); in andern hört mit dem ausfallen des i der umlaut auf, und der anfängliche reine vo- cal kehrt zurück (rückumlaut).
b) jeder umlaut setzt also wirkliche oder wenigstens früher vorhanden gewesene zweisilbigkeit voraus; das i oder u aus der zweiten silbe wirkt den umlaut in die wurzel hinein. Ob ausnahmsweise der alth. diphthong ei als ein umgelautetes ai betrachtet werden? ob auch in mehr als zweisilbigen wörtern der umlaut übersprin- gen, d. h. über eine in der mitte liegende in die wur- zel spielen dürfe? kann erst im besondern erörtert werden.
c) nicht allein einfache, sondern auch doppelte vocale sind umlautsfähig; es versteht sich, daß letztere nur in
I. von den buchſtaben insgemein.
lauten nahe kommen oder in ſie aufgehen, welches ſich bei unterſuchung der goth. aí und aú verglichen mit den ë, ia und eo anderer ſprachſtämme näher zei- gen wird; vergl. auch das nord. ö.
d) einiges lernt man aus den übergängen der im doppel- laut verbundenen vocale i und u in die halbvocale j und v beſtimmen.
5) Triphthongen würden möglicherweiſe in noch größerer anzahl vorhanden ſeyn, wirklich aber beſtehen ſie in weit geringerer. Die ältere ſprache kennt ſie gar nicht, die ſpäterer nur ſelten, und ſie entſpringen aus zuſammengezogenen mehrern ſilben.
6) Der eintheilung der vocale in reine und trübe iſt ſchon gedacht worden. Man könnte ſie auch benennen: dichte und dünne. Zu den reinen gehört a, o, u, de- nen die trüben e, ö, ü entſprechen, zwiſchen beiden ſteht i eigentlich in der mitte, als keiner trübung fähig. Die von einem folgenden vocale bewirkte trübung (ver- dünnung) des vocals der wurzel heißt nun: umlaut. Man merke:
a) macht den umlaut zu zeugen wohnt gerade jenem in der mitte ſtehenden i oder deſſen doppelung i bei. Späterhin hat das das i vertretende e dieſelbe kraft. Im nordiſchen zieht auch u einen ähnlichen, doch ver- ſchiedenen umlaut nach ſich. Beide i und u können in gewiſſen fällen hinten abgeworfen werden und ihre wirkung, der umlaut, bleibt dennoch ſtehen (ver- ſleckter umlaut); in andern hört mit dem ausfallen des i der umlaut auf, und der anfängliche reine vo- cal kehrt zurück (rückumlaut).
b) jeder umlaut ſetzt alſo wirkliche oder wenigſtens früher vorhanden geweſene zweiſilbigkeit voraus; das i oder u aus der zweiten ſilbe wirkt den umlaut in die wurzel hinein. Ob ausnahmsweiſe der alth. diphthong ei als ein umgelautetes ai betrachtet werden? ob auch in mehr als zweiſilbigen wörtern der umlaut überſprin- gen, d. h. über eine in der mitte liegende in die wur- zel ſpielen dürfe? kann erſt im beſondern erörtert werden.
c) nicht allein einfache, ſondern auch doppelte vocale ſind umlautsfähig; es verſteht ſich, daß letztere nur in
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><list><item><pbfacs="#f0035"n="9"/><fwplace="top"type="header">I. <hirendition="#i">von den buchſtaben insgemein.</hi></fw><lb/>
lauten nahe kommen oder in ſie aufgehen, welches<lb/>ſich bei unterſuchung der goth. <hirendition="#i">aí</hi> und <hirendition="#i">aú</hi> verglichen<lb/>
mit den <hirendition="#i">ë, ia</hi> und <hirendition="#i">eo</hi> anderer ſprachſtämme näher zei-<lb/>
gen wird; vergl. auch das nord. ö.</item><lb/><item>d) einiges lernt man aus den übergängen der im doppel-<lb/>
laut verbundenen vocale i und u in die halbvocale j<lb/>
und v beſtimmen.</item></list><lb/><p>5) <hirendition="#i">Triphthongen</hi> würden möglicherweiſe in noch<lb/>
größerer anzahl vorhanden ſeyn, wirklich aber beſtehen<lb/>ſie in weit geringerer. Die ältere ſprache kennt ſie gar<lb/>
nicht, die ſpäterer nur ſelten, und ſie entſpringen aus<lb/>
zuſammengezogenen mehrern ſilben.</p><lb/><p>6) Der eintheilung der vocale in <hirendition="#i">reine</hi> und <hirendition="#i">trübe</hi> iſt<lb/>ſchon gedacht worden. Man könnte ſie auch benennen:<lb/>
dichte und dünne. Zu den reinen gehört a, o, u, de-<lb/>
nen die trüben e, ö, ü entſprechen, zwiſchen beiden<lb/>ſteht i eigentlich in der mitte, als keiner trübung fähig.<lb/>
Die von einem folgenden vocale bewirkte trübung (ver-<lb/>
dünnung) des vocals der wurzel heißt nun: <hirendition="#i">umlaut</hi>.<lb/>
Man merke:</p><lb/><list><item>a) macht den umlaut zu zeugen wohnt gerade jenem in<lb/>
der mitte ſtehenden i oder deſſen doppelung i bei.<lb/>
Späterhin hat das das i vertretende <hirendition="#i">e</hi> dieſelbe kraft.<lb/>
Im nordiſchen zieht auch <hirendition="#i">u</hi> einen ähnlichen, doch ver-<lb/>ſchiedenen umlaut nach ſich. Beide i und u können<lb/>
in gewiſſen fällen hinten abgeworfen werden und<lb/>
ihre wirkung, der umlaut, bleibt dennoch ſtehen (<hirendition="#i">ver-<lb/>ſleckter</hi> umlaut); in andern hört mit dem ausfallen<lb/>
des <hirendition="#i">i</hi> der umlaut auf, und der anfängliche reine vo-<lb/>
cal kehrt zurück (<hirendition="#i">rückumlaut</hi>).</item><lb/><item>b) jeder umlaut ſetzt alſo wirkliche oder wenigſtens<lb/>
früher vorhanden geweſene zweiſilbigkeit voraus; das<lb/>
i oder <hirendition="#i">u</hi> aus der zweiten ſilbe wirkt den umlaut in die<lb/>
wurzel hinein. Ob ausnahmsweiſe der alth. diphthong<lb/><hirendition="#i">ei</hi> als ein umgelautetes <hirendition="#i">ai</hi> betrachtet werden? ob auch<lb/>
in mehr als zweiſilbigen wörtern der umlaut überſprin-<lb/>
gen, d. h. über eine in der mitte liegende in die wur-<lb/>
zel ſpielen dürfe? kann erſt im beſondern erörtert<lb/>
werden.</item><lb/><item>c) nicht allein einfache, ſondern auch doppelte vocale<lb/>ſind umlautsfähig; es verſteht ſich, daß letztere nur in<lb/></item></list></div></div></body></text></TEI>
[9/0035]
I. von den buchſtaben insgemein.
lauten nahe kommen oder in ſie aufgehen, welches
ſich bei unterſuchung der goth. aí und aú verglichen
mit den ë, ia und eo anderer ſprachſtämme näher zei-
gen wird; vergl. auch das nord. ö.
d) einiges lernt man aus den übergängen der im doppel-
laut verbundenen vocale i und u in die halbvocale j
und v beſtimmen.
5) Triphthongen würden möglicherweiſe in noch
größerer anzahl vorhanden ſeyn, wirklich aber beſtehen
ſie in weit geringerer. Die ältere ſprache kennt ſie gar
nicht, die ſpäterer nur ſelten, und ſie entſpringen aus
zuſammengezogenen mehrern ſilben.
6) Der eintheilung der vocale in reine und trübe iſt
ſchon gedacht worden. Man könnte ſie auch benennen:
dichte und dünne. Zu den reinen gehört a, o, u, de-
nen die trüben e, ö, ü entſprechen, zwiſchen beiden
ſteht i eigentlich in der mitte, als keiner trübung fähig.
Die von einem folgenden vocale bewirkte trübung (ver-
dünnung) des vocals der wurzel heißt nun: umlaut.
Man merke:
a) macht den umlaut zu zeugen wohnt gerade jenem in
der mitte ſtehenden i oder deſſen doppelung i bei.
Späterhin hat das das i vertretende e dieſelbe kraft.
Im nordiſchen zieht auch u einen ähnlichen, doch ver-
ſchiedenen umlaut nach ſich. Beide i und u können
in gewiſſen fällen hinten abgeworfen werden und
ihre wirkung, der umlaut, bleibt dennoch ſtehen (ver-
ſleckter umlaut); in andern hört mit dem ausfallen
des i der umlaut auf, und der anfängliche reine vo-
cal kehrt zurück (rückumlaut).
b) jeder umlaut ſetzt alſo wirkliche oder wenigſtens
früher vorhanden geweſene zweiſilbigkeit voraus; das
i oder u aus der zweiten ſilbe wirkt den umlaut in die
wurzel hinein. Ob ausnahmsweiſe der alth. diphthong
ei als ein umgelautetes ai betrachtet werden? ob auch
in mehr als zweiſilbigen wörtern der umlaut überſprin-
gen, d. h. über eine in der mitte liegende in die wur-
zel ſpielen dürfe? kann erſt im beſondern erörtert
werden.
c) nicht allein einfache, ſondern auch doppelte vocale
ſind umlautsfähig; es verſteht ſich, daß letztere nur in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/35>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.