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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche consonanten insgemein.
(Wilh. 1, 107b). Diese beispiele belegen hinlänglich die
progression der gem.; meistens aber muß sie als reimge-
fällige *) ausnahme, die einf. consonanz hingegen als
regel betrachtet werden. -- g) jeder gem. muß ein
kurzer vocal vorhergehen (oben s. 198.). Bei dieser ge-
legenheit einige worte über ff und ß, die ich s. 133.
149. 169. für unrichtig erklärt habe, im mittelh. aber,
der überwiegenden schreibung alter hss. halber, beibe-
halte. Die einfachen zeichen f, ß für den aspirierten
lippen- und zungenlaut verführten zur gem. nach ana-
logie der übrigen wirklich einf. cons., unfolgerecht
dazu, weil man ch nicht geminierte. f. ß. ch bilden
eine linie, alle drei stehen nach langem sowohl als
kurzem voc. und in letzterm fall wirken sie stets po-
sition; anders ausgedrückt, auf f. ß. ch. kann nie ein
stummes e folgen **). Durch die alth. einführung der
asp. an stelle der goth. ten. gieng der sprache eine
bedeutende anzahl alter kürzen verloren, wie zumahl
die starke conj. bewährt, im goth. grip-un, it-an,
bit-un, brik-an waren die ersten silben kurz, im
alth. grif-un, eß-an, biß-un, brehh-an wurden sie
positionell ***). Man darf vielleicht ein nachgefühl der
alten ungehemmten kürze auf die anwendung der
gem. in griff-en, eß-en, biß-en einwirkend zu-
geben; das princip der gem. mahnte an bestimmt
kurzen vocal, die position war aus der silbe nicht zu
entfernen, d. h. bißen:wißen, waßer:laßer,
aßer (f. aß er) reimen nicht klingender als bißen:
wißen, waßer:aßer und die inclination fordert nicht
einmahl äußerliche gem. (oben s. 371.) da bater (bat
*) Scheinbarer grund wider den satz, daß der reim am sicher-
sten die aussprache lehre. Freilich der regelfeste, häufige
reim, nicht der seltene, ausnahmsweise, der auf schrei-
bung und aussprache des worts innerhalb der zeile nicht
gerade anzuwenden ist. Wenn ein dichter immer : zimmer
reimt. lein, hein:bein, so wird er außer dem reim sehr
wohl imer und zimber gebrauchen, ja gewiß heim, leim.
Aber gap, beleip ständig in und außer reim, es müste
denn ein unbetonter vocalanlaut folgen.
**) Freilich auch nicht auf p. k. (wohl aufs parallele t) aber
zufällig, weil sie im mittelh. nicht mehr inlauten.
***) Dafür auch kein hinreichender ersatz, da die goth. aspi-
ratae (welche nun von alth. mediis vertreten werden) in
der stark. conj. vor voc. weit seltner auftreten, f. gar nicht,
nur th in quithan, vithan, sneithan etc. Die wahrnehmung
kann weiter führen.
B b
I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
(Wilh. 1, 107b). Dieſe beiſpiele belegen hinlänglich die
progreſſion der gem.; meiſtens aber muß ſie als reimge-
fällige *) ausnahme, die einf. conſonanz hingegen als
regel betrachtet werden. — γ) jeder gem. muß ein
kurzer vocal vorhergehen (oben ſ. 198.). Bei dieſer ge-
legenheit einige worte über ff und ƷƷ, die ich ſ. 133.
149. 169. für unrichtig erklärt habe, im mittelh. aber,
der überwiegenden ſchreibung alter hſſ. halber, beibe-
halte. Die einfachen zeichen f, Ʒ für den aſpirierten
lippen- und zungenlaut verführten zur gem. nach ana-
logie der übrigen wirklich einf. conſ., unfolgerecht
dazu, weil man ch nicht geminierte. f. Ʒ. ch bilden
eine linie, alle drei ſtehen nach langem ſowohl als
kurzem voc. und in letzterm fall wirken ſie ſtets po-
ſition; anders ausgedrückt, auf f. Ʒ. ch. kann nie ein
ſtummes e folgen **). Durch die alth. einführung der
aſp. an ſtelle der goth. ten. gieng der ſprache eine
bedeutende anzahl alter kürzen verloren, wie zumahl
die ſtarke conj. bewährt, im goth. grip-un, it-an,
bit-un, brik-an waren die erſten ſilben kurz, im
alth. grif-un, ëƷ-an, biƷ-un, brëhh-an wurden ſie
poſitionell ***). Man darf vielleicht ein nachgefühl der
alten ungehemmten kürze auf die anwendung der
gem. in griff-en, ëƷƷ-en, biƷƷ-en einwirkend zu-
geben; das princip der gem. mahnte an beſtimmt
kurzen vocal, die poſition war aus der ſilbe nicht zu
entfernen, d. h. biƷƷen:wiƷƷen, waƷƷer:laƷƷer,
aƷƷer (f. aƷ ër) reimen nicht klingender als biƷen:
wiƷen, waƷer:aƷer und die inclination fordert nicht
einmahl äußerliche gem. (oben ſ. 371.) da bater (bat
*) Scheinbarer grund wider den ſatz, daß der reim am ſicher-
ſten die ausſprache lehre. Freilich der regelfeſte, häufige
reim, nicht der ſeltene, ausnahmsweiſe, der auf ſchrei-
bung und ausſprache des worts innerhalb der zeile nicht
gerade anzuwenden iſt. Wenn ein dichter immer : zimmer
reimt. lein, hein:bein, ſo wird er außer dem reim ſehr
wohl imer und zimber gebrauchen, ja gewiß heim, leim.
Aber gap, beleip ſtändig in und außer reim, es müſte
denn ein unbetonter vocalanlaut folgen.
**) Freilich auch nicht auf p. k. (wohl aufs parallele t) aber
zufällig, weil ſie im mittelh. nicht mehr inlauten.
***) Dafür auch kein hinreichender erſatz, da die goth. aſpi-
ratae (welche nun von alth. mediis vertreten werden) in
der ſtark. conj. vor voc. weit ſeltner auftreten, f. gar nicht,
nur þ in quiþan, viþan, ſneiþan etc. Die wahrnehmung
kann weiter führen.
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[385/0411] I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein. (Wilh. 1, 107b). Dieſe beiſpiele belegen hinlänglich die progreſſion der gem.; meiſtens aber muß ſie als reimge- fällige *) ausnahme, die einf. conſonanz hingegen als regel betrachtet werden. — γ) jeder gem. muß ein kurzer vocal vorhergehen (oben ſ. 198.). Bei dieſer ge- legenheit einige worte über ff und ƷƷ, die ich ſ. 133. 149. 169. für unrichtig erklärt habe, im mittelh. aber, der überwiegenden ſchreibung alter hſſ. halber, beibe- halte. Die einfachen zeichen f, Ʒ für den aſpirierten lippen- und zungenlaut verführten zur gem. nach ana- logie der übrigen wirklich einf. conſ., unfolgerecht dazu, weil man ch nicht geminierte. f. Ʒ. ch bilden eine linie, alle drei ſtehen nach langem ſowohl als kurzem voc. und in letzterm fall wirken ſie ſtets po- ſition; anders ausgedrückt, auf f. Ʒ. ch. kann nie ein ſtummes e folgen **). Durch die alth. einführung der aſp. an ſtelle der goth. ten. gieng der ſprache eine bedeutende anzahl alter kürzen verloren, wie zumahl die ſtarke conj. bewährt, im goth. grip-un, it-an, bit-un, brik-an waren die erſten ſilben kurz, im alth. grif-un, ëƷ-an, biƷ-un, brëhh-an wurden ſie poſitionell ***). Man darf vielleicht ein nachgefühl der alten ungehemmten kürze auf die anwendung der gem. in griff-en, ëƷƷ-en, biƷƷ-en einwirkend zu- geben; das princip der gem. mahnte an beſtimmt kurzen vocal, die poſition war aus der ſilbe nicht zu entfernen, d. h. biƷƷen:wiƷƷen, waƷƷer:laƷƷer, aƷƷer (f. aƷ ër) reimen nicht klingender als biƷen: wiƷen, waƷer:aƷer und die inclination fordert nicht einmahl äußerliche gem. (oben ſ. 371.) da bater (bat *) Scheinbarer grund wider den ſatz, daß der reim am ſicher- ſten die ausſprache lehre. Freilich der regelfeſte, häufige reim, nicht der ſeltene, ausnahmsweiſe, der auf ſchrei- bung und ausſprache des worts innerhalb der zeile nicht gerade anzuwenden iſt. Wenn ein dichter immer : zimmer reimt. lein, hein:bein, ſo wird er außer dem reim ſehr wohl imer und zimber gebrauchen, ja gewiß heim, leim. Aber gap, beleip ſtändig in und außer reim, es müſte denn ein unbetonter vocalanlaut folgen. **) Freilich auch nicht auf p. k. (wohl aufs parallele t) aber zufällig, weil ſie im mittelh. nicht mehr inlauten. ***) Dafür auch kein hinreichender erſatz, da die goth. aſpi- ratae (welche nun von alth. mediis vertreten werden) in der ſtark. conj. vor voc. weit ſeltner auftreten, f. gar nicht, nur þ in quiþan, viþan, ſneiþan etc. Die wahrnehmung kann weiter führen. B b

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/411>, abgerufen am 22.11.2024.