Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
I. mittelhochdeutsche consonanten. liquidae.
er):vater stumpf reimt. Der (s. 376.) angeführte in-
reim haß-ent: baß spricht sogar für die schreibung
des einf. zeichens.


(L. M. N. R.) liquidae.

Beim l zu merken, daß es in sehr seltnen fällen r
vertritt und durch n vertreten wird (oben s. 122.). Jenes
in kilche bei Walther, Nith. (1, 103a 105b 2, 72b) Amur 50;
alle hss. der Nib. und Maria 84. 101. 210. haben chirche.
Wechsel zwischen l und n findet sich in knobelouch
(Barl. 265.) alth. chlobilouch und enelende f. ellende (cod.
pal. 361. 6[8]b 69c etc.) alth. elilendi. Neben ode, oder,
sehr häufig alde (oben s. 123.) zwischen l und r nur in ei-
nig n ableitungsendungen abwechselung, z. b. pfellel,
pfeller, vgl. friedel:lieder (M. S. 2, 78b). -- Der auslaut
m hat sich nicht nur längst in allen flexionen (die dat.
sg. ausgenommen) zu n geschwächt, er thut es jetzt auch
oft in wurzeln bei Walther, Rud. Strick. Conrad etc. vgl.
hein, ohein: bein, ein, schein etc. (M. S. 1, 105a Karl
14b 39b troj. 112a 115c Frig. 21b Nib. nur 4020c) ruon:
tuon (Bit. 62b) lein:stein (Barl. 318.) lan:kan, arn:gevarn
(Reinfr. 16a 2[ - 1 Zeichen fehlt]d etc.) kan, nan:han, an (Boner 8. 26.)
nichts dergl. bei Veld. Herb. Wolfr. Hartm. Wirnt., Gotfr.
etc. Doch gilt auch jenen u nur als ausnahme im reim
d. h. theils reimen die ächten m daneben, theils stehen
diese außer dem reim, es sey denn, daß gewisse zusam-
mensetzungen (die nach s. 379. keinen inlaut erzielen)
ein solches n zeigen, vgl. heinlich, heinrich, heinmuot
heinmuete (die ganze form misgebriff statt heimoete alth.
heimodi, vgl s. [ - 1 Zeichen fehlt]59. über o und uo). Inlautend wird das
unorg. n wieder zu m, lein, leimes (nie leines) *) und
nur die späteren Reinfr, Boner, etc. gestatten es sich vor t,
vgl. nint, kunt:sint, stunt; den althergebrachten reim
künic:frünic (Wilh. 2, 21b Wigal. 16. Wigam. 26b) rechne
ich nicht dahin, vgl. Maria 186. Rother (mehrmahls)
Ben. z. Wig. p. 438. übrigens auch Nib. 507. frum:sun;
man schreibe also frümic, wie Bit. 94a 130b greimen:schei-
nen, heime:eine. Es ist unleugbar, daß jene aus-
lautenden n der ausl. ten. st. med. und der einf. cons.
st. der gem. parallel stehen, d. h. theoretisch; nicht ganz
practisch, weil beide letztere fälle als regel durchgreifen,

*) Einzelne durchgreifende übergänge des m in n abgerech-
net, wie sliune (acceleratio) sliunic (oeler) st. des alth.
sliumei.
I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae.
ër):vater ſtumpf reimt. Der (ſ. 376.) angeführte in-
reim haƷ-ent: baƷ ſpricht ſogar für die ſchreibung
des einf. zeichens.


(L. M. N. R.) liquidae.

Beim l zu merken, daß es in ſehr ſeltnen fällen r
vertritt und durch n vertreten wird (oben ſ. 122.). Jenes
in kilche bei Walther, Nith. (1, 103a 105b 2, 72b) Amur 50;
alle hſſ. der Nib. und Maria 84. 101. 210. haben chirche.
Wechſel zwiſchen l und n findet ſich in knobelouch
(Barl. 265.) alth. chlobilouch und enelende f. ellende (cod.
pal. 361. 6[8]b 69c etc.) alth. elilendi. Neben ode, oder,
ſehr häufig alde (oben ſ. 123.) zwiſchen l und r nur in ei-
nig n ableitungsendungen abwechſelung, z. b. pfellel,
pfeller, vgl. friedel:lieder (M. S. 2, 78b). — Der auslaut
m hat ſich nicht nur längſt in allen flexionen (die dat.
ſg. ausgenommen) zu n geſchwächt, er thut es jetzt auch
oft in wurzeln bei Walther, Rud. Strick. Conrad etc. vgl.
hein, ohein: bein, ein, ſchein etc. (M. S. 1, 105a Karl
14b 39b troj. 112a 115c Frig. 21b Nib. nur 4020c) ruon:
tuon (Bit. 62b) lein:ſtein (Barl. 318.) lan:kan, arn:gevarn
(Reinfr. 16a 2[ – 1 Zeichen fehlt]d etc.) kan, nan:han, an (Boner 8. 26.)
nichts dergl. bei Veld. Herb. Wolfr. Hartm. Wirnt., Gotfr.
etc. Doch gilt auch jenen u nur als ausnahme im reim
d. h. theils reimen die ächten m daneben, theils ſtehen
dieſe außer dem reim, es ſey denn, daß gewiſſe zuſam-
menſetzungen (die nach ſ. 379. keinen inlaut erzielen)
ein ſolches n zeigen, vgl. heinlich, heinrich, heinmuot
heinmuete (die ganze form misgebriff ſtatt heimœte alth.
heimôdi, vgl ſ. [ – 1 Zeichen fehlt]59. über ô und uo). Inlautend wird das
unorg. n wieder zu m, lein, leimes (nie leines) *) und
nur die ſpäteren Reinfr, Boner, etc. geſtatten es ſich vor t,
vgl. nint, kunt:ſint, ſtunt; den althergebrachten reim
künic:frünic (Wilh. 2, 21b Wigal. 16. Wigam. 26b) rechne
ich nicht dahin, vgl. Maria 186. Rother (mehrmahls)
Ben. z. Wig. p. 438. übrigens auch Nib. 507. frum:ſun;
man ſchreibe alſo frümic, wie Bit. 94a 130b grîmen:ſchî-
nen, heime:eine. Es iſt unleugbar, daß jene aus-
lautenden n der ausl. ten. ſt. med. und der einf. conſ.
ſt. der gem. parallel ſtehen, d. h. theoretiſch; nicht ganz
practiſch, weil beide letztere fälle als regel durchgreifen,

*) Einzelne durchgreifende übergänge des m in n abgerech-
net, wie ſliune (acceleratio) ſliunic (oeler) ſt. des alth.
ſliumî.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item><pb facs="#f0412" n="386"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">mittelhochdeut&#x017F;che con&#x017F;onanten. liquidae.</hi></fw><lb/>
ër):vater &#x017F;tumpf reimt. Der (&#x017F;. 376.) angeführte in-<lb/>
reim ha&#x01B7;-ent: ba&#x01B7; &#x017F;pricht &#x017F;ogar für die &#x017F;chreibung<lb/>
des einf. zeichens.</item>
            </list><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head>(L. M. N. R.) <hi rendition="#i">liquidae.</hi></head><lb/>
              <p>Beim l zu merken, daß es in &#x017F;ehr &#x017F;eltnen fällen r<lb/>
vertritt und durch n vertreten wird (oben &#x017F;. 122.). Jenes<lb/>
in kilche bei Walther, Nith. (1, 103<hi rendition="#sup">a</hi> 105<hi rendition="#sup">b</hi> 2, 72<hi rendition="#sup">b</hi>) Amur 50;<lb/>
alle h&#x017F;&#x017F;. der Nib. und Maria 84. 101. 210. haben chirche.<lb/>
Wech&#x017F;el zwi&#x017F;chen l und n findet &#x017F;ich in knobelouch<lb/>
(Barl. 265.) alth. chlobilouch und enelende f. ellende (cod.<lb/>
pal. 361. 6<supplied>8</supplied><hi rendition="#sup">b</hi> 69<hi rendition="#sup">c</hi> etc.) alth. elilendi. Neben ode, oder,<lb/>
&#x017F;ehr häufig alde (oben &#x017F;. 123.) zwi&#x017F;chen l und r nur in ei-<lb/>
nig n ableitungsendungen abwech&#x017F;elung, z. b. pfellel,<lb/>
pfeller, vgl. friedel:lieder (M. S. 2, 78<hi rendition="#sup">b</hi>). &#x2014; Der auslaut<lb/>
m hat &#x017F;ich nicht nur läng&#x017F;t in allen flexionen (die dat.<lb/>
&#x017F;g. ausgenommen) zu n ge&#x017F;chwächt, er thut es jetzt auch<lb/>
oft in wurzeln bei Walther, Rud. Strick. Conrad etc. vgl.<lb/><hi rendition="#i">hein, ohein</hi>: bein, ein, &#x017F;chein etc. (M. S. 1, 105<hi rendition="#sup">a</hi> Karl<lb/>
14<hi rendition="#sup">b</hi> 39<hi rendition="#sup">b</hi> troj. 112<hi rendition="#sup">a</hi> 115<hi rendition="#sup">c</hi> Frig. 21<hi rendition="#sup">b</hi> Nib. nur 4020<hi rendition="#sup">c</hi>) <hi rendition="#i">ruon</hi>:<lb/>
tuon (Bit. 62<hi rendition="#sup">b</hi>) <hi rendition="#i">lein</hi>:&#x017F;tein (Barl. 318.) <hi rendition="#i">lan</hi>:kan, <hi rendition="#i">arn</hi>:gevarn<lb/>
(Reinfr. 16<hi rendition="#sup">a</hi> 2<gap unit="chars" quantity="1"/><hi rendition="#sup">d</hi> etc.) <hi rendition="#i">kan, nan</hi>:han, an (Boner 8. 26.)<lb/>
nichts dergl. bei Veld. Herb. Wolfr. Hartm. Wirnt., Gotfr.<lb/>
etc. Doch gilt auch jenen u nur als ausnahme im reim<lb/>
d. h. theils reimen die ächten m daneben, theils &#x017F;tehen<lb/>
die&#x017F;e außer dem reim, es &#x017F;ey denn, daß gewi&#x017F;&#x017F;e zu&#x017F;am-<lb/>
men&#x017F;etzungen (die nach &#x017F;. 379. keinen inlaut erzielen)<lb/>
ein &#x017F;olches n zeigen, vgl. heinlich, heinrich, heinmuot<lb/>
heinmuete (die ganze form misgebriff &#x017F;tatt heim&#x0153;te alth.<lb/>
heimôdi, vgl &#x017F;. <gap unit="chars" quantity="1"/>59. über ô und uo). Inlautend wird das<lb/>
unorg. n wieder zu m, lein, leimes (nie leines) <note place="foot" n="*)">Einzelne durchgreifende übergänge des m in n abgerech-<lb/>
net, wie &#x017F;liune (acceleratio) &#x017F;liunic (oeler) &#x017F;t. des alth.<lb/>
&#x017F;liumî.</note> und<lb/>
nur die &#x017F;päteren Reinfr, Boner, etc. ge&#x017F;tatten es &#x017F;ich vor t,<lb/>
vgl. <hi rendition="#i">nint, kunt</hi>:&#x017F;int, &#x017F;tunt; den althergebrachten reim<lb/>
künic:<hi rendition="#i">frünic</hi> (Wilh. 2, 21<hi rendition="#sup">b</hi> Wigal. 16. Wigam. 26<hi rendition="#sup">b</hi>) rechne<lb/>
ich nicht dahin, vgl. Maria 186. Rother (mehrmahls)<lb/>
Ben. z. Wig. p. 438. übrigens auch Nib. 507. frum:&#x017F;un;<lb/>
man &#x017F;chreibe al&#x017F;o frümic, wie Bit. 94<hi rendition="#sup">a</hi> 130<hi rendition="#sup">b</hi> grîmen:&#x017F;chî-<lb/>
nen, heime:eine. Es i&#x017F;t unleugbar, daß jene aus-<lb/>
lautenden n der ausl. ten. &#x017F;t. med. und der einf. con&#x017F;.<lb/>
&#x017F;t. der gem. parallel &#x017F;tehen, d. h. theoreti&#x017F;ch; nicht ganz<lb/>
practi&#x017F;ch, weil beide letztere fälle als regel durchgreifen,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[386/0412] I. mittelhochdeutſche conſonanten. liquidae. ër):vater ſtumpf reimt. Der (ſ. 376.) angeführte in- reim haƷ-ent: baƷ ſpricht ſogar für die ſchreibung des einf. zeichens. (L. M. N. R.) liquidae. Beim l zu merken, daß es in ſehr ſeltnen fällen r vertritt und durch n vertreten wird (oben ſ. 122.). Jenes in kilche bei Walther, Nith. (1, 103a 105b 2, 72b) Amur 50; alle hſſ. der Nib. und Maria 84. 101. 210. haben chirche. Wechſel zwiſchen l und n findet ſich in knobelouch (Barl. 265.) alth. chlobilouch und enelende f. ellende (cod. pal. 361. 68b 69c etc.) alth. elilendi. Neben ode, oder, ſehr häufig alde (oben ſ. 123.) zwiſchen l und r nur in ei- nig n ableitungsendungen abwechſelung, z. b. pfellel, pfeller, vgl. friedel:lieder (M. S. 2, 78b). — Der auslaut m hat ſich nicht nur längſt in allen flexionen (die dat. ſg. ausgenommen) zu n geſchwächt, er thut es jetzt auch oft in wurzeln bei Walther, Rud. Strick. Conrad etc. vgl. hein, ohein: bein, ein, ſchein etc. (M. S. 1, 105a Karl 14b 39b troj. 112a 115c Frig. 21b Nib. nur 4020c) ruon: tuon (Bit. 62b) lein:ſtein (Barl. 318.) lan:kan, arn:gevarn (Reinfr. 16a 2_d etc.) kan, nan:han, an (Boner 8. 26.) nichts dergl. bei Veld. Herb. Wolfr. Hartm. Wirnt., Gotfr. etc. Doch gilt auch jenen u nur als ausnahme im reim d. h. theils reimen die ächten m daneben, theils ſtehen dieſe außer dem reim, es ſey denn, daß gewiſſe zuſam- menſetzungen (die nach ſ. 379. keinen inlaut erzielen) ein ſolches n zeigen, vgl. heinlich, heinrich, heinmuot heinmuete (die ganze form misgebriff ſtatt heimœte alth. heimôdi, vgl ſ. _59. über ô und uo). Inlautend wird das unorg. n wieder zu m, lein, leimes (nie leines) *) und nur die ſpäteren Reinfr, Boner, etc. geſtatten es ſich vor t, vgl. nint, kunt:ſint, ſtunt; den althergebrachten reim künic:frünic (Wilh. 2, 21b Wigal. 16. Wigam. 26b) rechne ich nicht dahin, vgl. Maria 186. Rother (mehrmahls) Ben. z. Wig. p. 438. übrigens auch Nib. 507. frum:ſun; man ſchreibe alſo frümic, wie Bit. 94a 130b grîmen:ſchî- nen, heime:eine. Es iſt unleugbar, daß jene aus- lautenden n der ausl. ten. ſt. med. und der einf. conſ. ſt. der gem. parallel ſtehen, d. h. theoretiſch; nicht ganz practiſch, weil beide letztere fälle als regel durchgreifen, *) Einzelne durchgreifende übergänge des m in n abgerech- net, wie ſliune (acceleratio) ſliunic (oeler) ſt. des alth. ſliumî.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/412
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/412>, abgerufen am 22.11.2024.