zung des ei in i an, so kann bei der nahen berührung zwischen i und e lachame aus lechame folgen, wiewohl mir letzteres nicht vorgekommen ist.
(E) ursprünglich zweierlei, nämlich e und e, all- mählig aber in der aussprache e zus. gefloßen. Ich be- merke 1) der umlaut des a in e ist schon lange vor die- ser periode durchgeführt worden, an ein nichtumlauten- des ande (finis) angel (angelus) kannen (noscere) daher kein gedanke. 2) es gehörte schon zeit dazu, um den anfänglichen e-laut mit dem gewöhnlichen e (= i) zu vermischen. Daß die mundart kein reines e mehr kenne, beweisen nicht allein die reime, seget (dicit):pleget (so- let) beseven (intelligere):leven (vivere) hevet (habet): gevet (dat) versleghen (occisus):pleghen (solere) echt (postea):recht (rectus) hebben (habere):rebben (costis) ghedreghen (portatus):weghen (viis) verde (itineris):erde (terra) stede (loco):verde (pax) ghewelt (potestas):velt (campus) und ähnliche, die man bei jedem dichter über- all findet; sondern auch der wirkliche übergang in die schreibung und aussprache i (bei folgendem nn, ng, nk, nd) ingel (angelus) kinne (nosco) in und außer reim z. b. hinne (gallina) Rein. 344. Maerl. 1, 264. ingel, min- get (miscet) Maerl. 2, 62. ghehingen (concedere) scinden (ignominia afficere). Beweisende reime sind hier bekin- net:rinnet Maerl. 2, 62. vinger:inger (angustus) 2, 214. kinne (nosco):coninginne 1, 207. inden (finire):scinden (contumelia afficere) 1, 421. mingen (miscere):dingen 2, 399. bekint:vint 2, 401. kinne: minn [ - 3 Zeichen fehlen], 432. kinnen: minnen 2, 438. bekinde: gheninde (audacia) Rein. 357. scinken (vinum fundere):drinken Rein. 296. etc. Ich werde also (in den wurzeln) kein e, vielmehr immer e schreiben: seget. beseven, hevet, versleghen etc. ob- gleich durch diese aussprache zwei etymologisch ver- schiedne laute untereinander gerathen, z. b. verde kann bald pax (f. vrede), bald itinere bedeuten. Das niederd. e für e (s. 456.) wird durch dieses niederl. offenbar be- stärkt. -- 3) vor r mit verbundnem weiterem cons. spielt e in ae über, und es steht swaerde (ense) aerde (terra) paerde (equo) für swerde, erde, perde, beweis die reime aerde: mesbaerde Maerl. 3, 234. waert (versus): gespaert 3, 249. waerc (opus):maerc (marca) scaermen: ontfaermen, staert (cauda): reinaert Rein. 351. 287. 291. wodurch eine nachtheilige mischung der formen waert (fiebat) waert (versus) maerken (observare) maerken (mar- cis) etc. entspringt, welche im mittelh. wart und wert,
I. mittelniederländiſche vocale.
zung des î in i an, ſo kann bei der nahen berührung zwiſchen i und ë lachame aus lëchame folgen, wiewohl mir letzteres nicht vorgekommen iſt.
(E) urſprünglich zweierlei, nämlich e und ë, all- mählig aber in der ausſprache ë zuſ. gefloßen. Ich be- merke 1) der umlaut des a in e iſt ſchon lange vor die- ſer periode durchgeführt worden, an ein nichtumlauten- des ande (finis) angel (angelus) kannen (noſcere) daher kein gedanke. 2) es gehörte ſchon zeit dazu, um den anfänglichen e-laut mit dem gewöhnlichen ë (= i) zu vermiſchen. Daß die mundart kein reines e mehr kenne, beweiſen nicht allein die reime, ſeget (dicit):plëget (ſo- let) beſeven (intelligere):lëven (vivere) hevet (habet): gëvet (dat) verſleghen (occiſus):plëghen (ſolere) echt (poſtea):rëcht (rectus) hebben (habere):rëbben (coſtis) ghedreghen (portatus):wëghen (viis) verde (itineris):ërde (terra) ſtede (loco):vërde (pax) ghewelt (poteſtas):vëlt (campus) und ähnliche, die man bei jedem dichter über- all findet; ſondern auch der wirkliche übergang in die ſchreibung und ausſprache i (bei folgendem nn, ng, nk, nd) ingel (angelus) kinne (noſco) in und außer reim z. b. hinne (gallina) Rein. 344. Maerl. 1, 264. ingel, min- get (miſcet) Maerl. 2, 62. ghehingen (concedere) ſcinden (ignominia afficere). Beweiſende reime ſind hier bekin- net:rinnet Maerl. 2, 62. vinger:inger (anguſtus) 2, 214. kinne (noſco):coninginne 1, 207. inden (finire):ſcinden (contumelia afficere) 1, 421. mingen (miſcere):dingen 2, 399. bekint:vint 2, 401. kinne: minn [ – 3 Zeichen fehlen], 432. kinnen: minnen 2, 438. bekinde: gheninde (audacia) Rein. 357. ſcinken (vinum fundere):drinken Rein. 296. etc. Ich werde alſo (in den wurzeln) kein e, vielmehr immer ë ſchreiben: ſëget. beſëven, hëvet, verſlëghen etc. ob- gleich durch dieſe ausſprache zwei etymologiſch ver- ſchiedne laute untereinander gerathen, z. b. vërde kann bald pax (f. vrëde), bald itinere bedeuten. Das niederd. ë für e (ſ. 456.) wird durch dieſes niederl. offenbar be- ſtärkt. — 3) vor r mit verbundnem weiterem conſ. ſpielt ë in ae über, und es ſteht ſwaerde (enſe) aerde (terra) paerde (equo) für ſwërde, ërde, përde, beweis die reime aerde: mëſbaerde Maerl. 3, 234. waert (verſus): geſpaert 3, 249. waerc (opus):maerc (marca) ſcaermen: ontfaermen, ſtaert (cauda): reinaert Rein. 351. 287. 291. wodurch eine nachtheilige miſchung der formen waert (fiebat) waert (verſus) maerken (obſervare) maerken (mar- cis) etc. entſpringt, welche im mittelh. wart und wërt,
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[469/0495]
I. mittelniederländiſche vocale.
zung des î in i an, ſo kann bei der nahen berührung
zwiſchen i und ë lachame aus lëchame folgen, wiewohl
mir letzteres nicht vorgekommen iſt.
(E) urſprünglich zweierlei, nämlich e und ë, all-
mählig aber in der ausſprache ë zuſ. gefloßen. Ich be-
merke 1) der umlaut des a in e iſt ſchon lange vor die-
ſer periode durchgeführt worden, an ein nichtumlauten-
des ande (finis) angel (angelus) kannen (noſcere) daher
kein gedanke. 2) es gehörte ſchon zeit dazu, um den
anfänglichen e-laut mit dem gewöhnlichen ë (= i) zu
vermiſchen. Daß die mundart kein reines e mehr kenne,
beweiſen nicht allein die reime, ſeget (dicit):plëget (ſo-
let) beſeven (intelligere):lëven (vivere) hevet (habet):
gëvet (dat) verſleghen (occiſus):plëghen (ſolere) echt
(poſtea):rëcht (rectus) hebben (habere):rëbben (coſtis)
ghedreghen (portatus):wëghen (viis) verde (itineris):ërde
(terra) ſtede (loco):vërde (pax) ghewelt (poteſtas):vëlt
(campus) und ähnliche, die man bei jedem dichter über-
all findet; ſondern auch der wirkliche übergang in die
ſchreibung und ausſprache i (bei folgendem nn, ng, nk,
nd) ingel (angelus) kinne (noſco) in und außer reim
z. b. hinne (gallina) Rein. 344. Maerl. 1, 264. ingel, min-
get (miſcet) Maerl. 2, 62. ghehingen (concedere) ſcinden
(ignominia afficere). Beweiſende reime ſind hier bekin-
net:rinnet Maerl. 2, 62. vinger:inger (anguſtus) 2, 214.
kinne (noſco):coninginne 1, 207. inden (finire):ſcinden
(contumelia afficere) 1, 421. mingen (miſcere):dingen 2,
399. bekint:vint 2, 401. kinne: minn ___, 432. kinnen:
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ſcinken (vinum fundere):drinken Rein. 296. etc. Ich
werde alſo (in den wurzeln) kein e, vielmehr immer ë
ſchreiben: ſëget. beſëven, hëvet, verſlëghen etc. ob-
gleich durch dieſe ausſprache zwei etymologiſch ver-
ſchiedne laute untereinander gerathen, z. b. vërde kann
bald pax (f. vrëde), bald itinere bedeuten. Das niederd.
ë für e (ſ. 456.) wird durch dieſes niederl. offenbar be-
ſtärkt. — 3) vor r mit verbundnem weiterem conſ.
ſpielt ë in ae über, und es ſteht ſwaerde (enſe) aerde
(terra) paerde (equo) für ſwërde, ërde, përde, beweis
die reime aerde: mëſbaerde Maerl. 3, 234. waert (verſus):
geſpaert 3, 249. waerc (opus):maerc (marca) ſcaermen:
ontfaermen, ſtaert (cauda): reinaert Rein. 351. 287. 291.
wodurch eine nachtheilige miſchung der formen waert
(fiebat) waert (verſus) maerken (obſervare) maerken (mar-
cis) etc. entſpringt, welche im mittelh. wart und wërt,
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/495>, abgerufen am 22.11.2024.
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