(B) anlautend sehr häufig (wie im sächs.), weder in- lautend [außer in der gem. bb. und deren vereinfachung, z. b. hebse, habe eam; mb hat fich zu mm assimiliert; in fremden, wie maerber, franz. marbre, marmor dauert b; in zus. setzungen, wie ontberen, aerbeit, labor ist kein wahrer inlaut] noch auslautend, sondern das goth. giban, gaf, gebun heißt hier gheven, gaf, gaven, wie im alts. gibhan, gaf, gabhun. Daß der anlaut b sich in v verwandle, scheint unerhört, findet aber in einer merkwürdigen ausnahme, nämlich in ontsaermen (mi- sereri) statt. Einmahl steht hier faermen (wegen des anstoßenden t, wie ontflien f. ontvlien) f. vaermen (welches einfache wort außer gebrauch ist) dieses so- dann für baermen, wie der alth. alts. und angels. stamm param, baram, barm, bearm (sinus) beweist. Ohne den übertritt in vaerm (oder varem) wäre das f ungedenk- bar, da die b nach ont- unverändert bleiben (ontbie- den, ontberen). Freilich heißt das alth. wort irpar- men nicht antparmen; im neuniederl. gilt erbarmen neben ontfermen.
(F) sollte anlautend wie im goth. alts. angels. und fries. stehn, hat sich aber inconsequent durch das hochd. v verdrängen laßen. Nur in den s. 486. bezeichneten fällen gilt es als umlaut des v, vader, volc, varen wird zu ffader, tfolc, ontfaren (st. des vader, het volc) Ro- manische wörter behalten ihr f, als fosseide, fier (super- bus) favele etc. -- Inlautend 1) zwischen zwei vocalen nur wo es dem inlautenden mittelh. v entspricht, z. b. tafel, twifel nicht tavel, twivel, obwohl der gegensatz nicht durchzuführen ist, da ich brieve (Rein. 372. Maerl. 1, 309.) wolve etc. finde. 2) in der verbindung ft dem ft der übrigen sprachen gleich, z. b. scrift, ghift (do- num) etc. 3) durch syncope des vocals hinter v aus diesem entspringend, gewöhnlich vor lingualen, als heft, hoft f. hevet (habet) hovet (caput) hofde (capite) ver- doft (verdovet) befde (bevede, tremuit) hofsch f. hovesc wolfs, halfs f. wolves, halves, weifs f. wives etc. Aus- nahmsweise scheint sich v vor s in den vocal u (statt f) aufzulösen, z. b. paeus (papae) f. paves, eigentlich pa- veses, nicht paefs, Rein. 360. (wo fehlerhaft pacus ge- druckt steht). -- Der auslaut f ist häufig und antwortet meist dem mittelh. p, als gaf, scref, blef. lof (folium) lof (laus) caf (palea) af (praep.) half (dimid.) staerf (mittelh. starp) etc. zuweilen dem mittelh. f als brief, hof, wolf.
I. mittelniederländiſche conſonanten. labiales.
(B) anlautend ſehr häufig (wie im ſächſ.), weder in- lautend [außer in der gem. bb. und deren vereinfachung, z. b. hëbſe, habe eam; mb hat fich zu mm aſſimiliert; in fremden, wie maerber, franz. marbre, marmor dauert b; in zuſ. ſetzungen, wie ontbëren, aerbeit, labor iſt kein wahrer inlaut] noch auslautend, ſondern das goth. giban, gaf, gêbun heißt hier ghëven, gaf, gaven, wie im altſ. gibhan, gaf, gâbhun. Daß der anlaut b ſich in v verwandle, ſcheint unerhört, findet aber in einer merkwürdigen ausnahme, nämlich in ontſaermen (mi- ſereri) ſtatt. Einmahl ſteht hier faermen (wegen des anſtoßenden t, wie ontflien f. ontvlien) f. vaermen (welches einfache wort außer gebrauch iſt) dieſes ſo- dann für baermen, wie der alth. altſ. und angelſ. ſtamm param, baram, barm, bëarm (ſinus) beweiſt. Ohne den übertritt in vaerm (oder varem) wäre das f ungedenk- bar, da die b nach ont- unverändert bleiben (ontbie- den, ontbëren). Freilich heißt das alth. wort irpar- men nicht antparmen; im neuniederl. gilt erbarmen neben ontfermen.
(F) ſollte anlautend wie im goth. altſ. angelſ. und frieſ. ſtehn, hat ſich aber inconſequent durch das hochd. v verdrängen laßen. Nur in den ſ. 486. bezeichneten fällen gilt es als umlaut des v, vader, volc, varen wird zu ffader, tfolc, ontfaren (ſt. des vader, hët volc) Ro- maniſche wörter behalten ihr f, als foſſeide, fier (ſuper- bus) favele etc. — Inlautend 1) zwiſchen zwei vocalen nur wo es dem inlautenden mittelh. v entſpricht, z. b. tafel, twifel nicht tavel, twivel, obwohl der gegenſatz nicht durchzuführen iſt, da ich brieve (Rein. 372. Maerl. 1, 309.) wolve etc. finde. 2) in der verbindung ft dem ft der übrigen ſprachen gleich, z. b. ſcrift, ghift (do- num) etc. 3) durch ſyncope des vocals hinter v aus dieſem entſpringend, gewöhnlich vor lingualen, als hêft, hôft f. hëvet (habet) hovet (caput) hôfde (capite) ver- dôft (verdovet) bêfde (bëvede, tremuit) hôfſch f. hoveſc wolfs, halfs f. wolves, halves, wîfs f. wives etc. Aus- nahmsweiſe ſcheint ſich v vor ſ in den vocal u (ſtatt f) aufzulöſen, z. b. paeus (papae) f. paves, eigentlich pa- veſes, nicht paefs, Rein. 360. (wo fehlerhaft pacus ge- druckt ſteht). — Der auslaut f iſt häufig und antwortet meiſt dem mittelh. p, als gaf, ſcrêf, blêf. lôf (folium) lof (laus) caf (palea) af (praep.) half (dimid.) ſtaerf (mittelh. ſtarp) etc. zuweilen dem mittelh. f als brief, hof, wolf.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0516"n="490"/><fwplace="top"type="header">I. <hirendition="#i">mittelniederländiſche conſonanten. labiales.</hi></fw><lb/><p>(B) anlautend ſehr häufig (wie im ſächſ.), weder in-<lb/>
lautend [außer in der gem. bb. und deren vereinfachung,<lb/>
z. b. hëbſe, habe eam; mb hat fich zu mm aſſimiliert;<lb/>
in fremden, wie maerber, franz. marbre, marmor dauert<lb/>
b; in zuſ. ſetzungen, wie ontbëren, aerbeit, labor iſt<lb/>
kein wahrer inlaut] noch auslautend, ſondern das goth.<lb/>
giban, gaf, gêbun heißt hier ghëven, gaf, gaven, wie<lb/>
im altſ. gibhan, gaf, gâbhun. Daß der anlaut b ſich<lb/>
in v verwandle, ſcheint unerhört, findet aber in einer<lb/>
merkwürdigen ausnahme, nämlich in ontſaermen (mi-<lb/>ſereri) ſtatt. Einmahl ſteht hier faermen (wegen des<lb/>
anſtoßenden t, wie ontflien f. ontvlien) f. vaermen<lb/>
(welches einfache wort außer gebrauch iſt) dieſes ſo-<lb/>
dann für baermen, wie der alth. altſ. und angelſ. ſtamm<lb/>
param, baram, barm, bëarm (ſinus) beweiſt. Ohne den<lb/>
übertritt in vaerm (oder varem) wäre das f ungedenk-<lb/>
bar, da die b nach ont- unverändert bleiben (ontbie-<lb/>
den, ontbëren). Freilich heißt das alth. wort irpar-<lb/>
men nicht antparmen; im neuniederl. gilt erbarmen<lb/>
neben ontfermen.</p><lb/><p>(F) ſollte anlautend wie im goth. altſ. angelſ. und<lb/>
frieſ. ſtehn, hat ſich aber inconſequent durch das hochd.<lb/>
v verdrängen laßen. Nur in den ſ. 486. bezeichneten<lb/>
fällen gilt es als umlaut des v, vader, volc, varen wird<lb/>
zu ffader, tfolc, ontfaren (ſt. des vader, hët volc) Ro-<lb/>
maniſche wörter behalten ihr f, als foſſeide, fier (ſuper-<lb/>
bus) favele etc. — Inlautend 1) zwiſchen zwei vocalen<lb/>
nur wo es dem inlautenden mittelh. v entſpricht, z. b.<lb/>
tafel, twifel nicht tavel, twivel, obwohl der gegenſatz<lb/>
nicht durchzuführen iſt, da ich brieve (Rein. 372. Maerl.<lb/>
1, 309.) wolve etc. finde. 2) in der verbindung ft dem<lb/>
ft der übrigen ſprachen gleich, z. b. ſcrift, ghift (do-<lb/>
num) etc. 3) durch ſyncope des vocals hinter v aus<lb/>
dieſem entſpringend, gewöhnlich vor lingualen, als hêft,<lb/>
hôft f. hëvet (habet) hovet (caput) hôfde (capite) ver-<lb/>
dôft (verdovet) bêfde (bëvede, tremuit) hôfſch f. hoveſc<lb/>
wolfs, halfs f. wolves, halves, wîfs f. wives etc. Aus-<lb/>
nahmsweiſe ſcheint ſich v vor ſ in den vocal u (ſtatt f)<lb/>
aufzulöſen, z. b. paeus (papae) f. paves, eigentlich pa-<lb/>
veſes, nicht paefs, Rein. 360. (wo fehlerhaft pacus ge-<lb/>
druckt ſteht). — Der auslaut f iſt häufig und antwortet<lb/>
meiſt dem mittelh. p, als gaf, ſcrêf, blêf. lôf (folium)<lb/>
lof (laus) caf (palea) af (praep.) half (dimid.) ſtaerf<lb/>
(mittelh. ſtarp) etc. zuweilen dem mittelh. f als brief,<lb/>
hof, wolf.</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[490/0516]
I. mittelniederländiſche conſonanten. labiales.
(B) anlautend ſehr häufig (wie im ſächſ.), weder in-
lautend [außer in der gem. bb. und deren vereinfachung,
z. b. hëbſe, habe eam; mb hat fich zu mm aſſimiliert;
in fremden, wie maerber, franz. marbre, marmor dauert
b; in zuſ. ſetzungen, wie ontbëren, aerbeit, labor iſt
kein wahrer inlaut] noch auslautend, ſondern das goth.
giban, gaf, gêbun heißt hier ghëven, gaf, gaven, wie
im altſ. gibhan, gaf, gâbhun. Daß der anlaut b ſich
in v verwandle, ſcheint unerhört, findet aber in einer
merkwürdigen ausnahme, nämlich in ontſaermen (mi-
ſereri) ſtatt. Einmahl ſteht hier faermen (wegen des
anſtoßenden t, wie ontflien f. ontvlien) f. vaermen
(welches einfache wort außer gebrauch iſt) dieſes ſo-
dann für baermen, wie der alth. altſ. und angelſ. ſtamm
param, baram, barm, bëarm (ſinus) beweiſt. Ohne den
übertritt in vaerm (oder varem) wäre das f ungedenk-
bar, da die b nach ont- unverändert bleiben (ontbie-
den, ontbëren). Freilich heißt das alth. wort irpar-
men nicht antparmen; im neuniederl. gilt erbarmen
neben ontfermen.
(F) ſollte anlautend wie im goth. altſ. angelſ. und
frieſ. ſtehn, hat ſich aber inconſequent durch das hochd.
v verdrängen laßen. Nur in den ſ. 486. bezeichneten
fällen gilt es als umlaut des v, vader, volc, varen wird
zu ffader, tfolc, ontfaren (ſt. des vader, hët volc) Ro-
maniſche wörter behalten ihr f, als foſſeide, fier (ſuper-
bus) favele etc. — Inlautend 1) zwiſchen zwei vocalen
nur wo es dem inlautenden mittelh. v entſpricht, z. b.
tafel, twifel nicht tavel, twivel, obwohl der gegenſatz
nicht durchzuführen iſt, da ich brieve (Rein. 372. Maerl.
1, 309.) wolve etc. finde. 2) in der verbindung ft dem
ft der übrigen ſprachen gleich, z. b. ſcrift, ghift (do-
num) etc. 3) durch ſyncope des vocals hinter v aus
dieſem entſpringend, gewöhnlich vor lingualen, als hêft,
hôft f. hëvet (habet) hovet (caput) hôfde (capite) ver-
dôft (verdovet) bêfde (bëvede, tremuit) hôfſch f. hoveſc
wolfs, halfs f. wolves, halves, wîfs f. wives etc. Aus-
nahmsweiſe ſcheint ſich v vor ſ in den vocal u (ſtatt f)
aufzulöſen, z. b. paeus (papae) f. paves, eigentlich pa-
veſes, nicht paefs, Rein. 360. (wo fehlerhaft pacus ge-
druckt ſteht). — Der auslaut f iſt häufig und antwortet
meiſt dem mittelh. p, als gaf, ſcrêf, blêf. lôf (folium)
lof (laus) caf (palea) af (praep.) half (dimid.) ſtaerf
(mittelh. ſtarp) etc. zuweilen dem mittelh. f als brief,
hof, wolf.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/516>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.