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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. declination der eigennamen.
nom. gleich ohne e, den gen. dat. aber mit oder (nach
s. 677. anm. 3.) ebenfalls ohne e bilden. Zus. setzungen
wie brünhilde -weinen, chriemhilde-man, adelheide-
barn, siglinde-kint zeigen den richtigen gen. -- 4) fem.
schw. form: berte, else, uote, helche etc. gen. berten,
elsen und viele fremde namen; bildungen mit -el sind
selten, vgl. gisele, guetel (alth. kisila, kuotila) gen. gi-
selen, gueteln. -- 5) bei fremden namen herrscht einige
willkür. Theils wird die lat. flexion beibehalten, z. b.
Conrad v. W. setzt den nom. preiamus, acc. preiamum,
dat. preiamo (neben preiant, preiande, preianden) peleus,
peleum, peleo, (den acc. dat. preiamusen, peleusen,
preiamuse, peleuse finde ich nicht) desgl. den dat. hectorei
(: bei troj. 31b) oder den acc. f. helenam (: freisam troj.
139a) neben der deutschen form helenen; das lat. -us,
-es fällt nach bequemlichkeit ab, z. b. neben bachus,
achilles besteht die form bache (: sprache, rache) achille
(: wille) acc. achillen während achilles den acc. achille-
sen annimmt; ebenso philippes, philippesen oder phi-
lippe, philippen. Theils schwankt die quantität der vo-
cale, z. b. pollus reimt auf alsus troj. 174a; pollaus : haus
troj. 152a 170c; pareis: weis troj. 32c, tantris: gewis Trist.
56b welche bemerkung kaum hierher gehörte, wenn es
nicht schiene, daß der nom. mehr, die zutretende
flexion weniger den kurzen vocal dulde. Conr. hat die
nom. jonas, calcas: gras, was; schiron, agamemnon:
gedon; castor, nestor: spor; hingegen den acc. jonasen:
masen; schironen, nestoren. Manche namen führen in-
zwischen den langen voc. durch, z. b. pareis, pareises,
pareise, pareisen; artaus, artusen; andere den kurzen, z. b.
die auf -es, -et, hercules, achilles, acc. herculesen,
achillesen (: gewesen) gamuret, gamureten (: erbeten).
Vieles scheint hierbei durch den reim geboten und ein-
geführt, z. b. da sich kein deutscher reim -as findet,
muste man die fremden -as mit deutschen -as binden,
die fremden -at aber, weil es genug deutsche -at gibt,
blieben lang, z. b. pilat, pilaten. Auf die kurzen -on,
-or past diese erklärung gleichwohl nicht, da sich aller-
dings deutsche reime -on, -or darbieten. --

Im mittelniederl. finde ich zwar keinen adjectivi-
schen acc. stark. masc., aber den acc. dem dativ gleich,
z. b. reinaert, eisengrein, gen. reinaerts, eisengreins; dat.
und acc. reinaerde, eisengrine, während die schwache
form beide casus scheidet, z. b. brune, dat. brunen, acc.
brune. Jener starke acc. auf -e ist vielleicht aus einer

II. declination der eigennamen.
nom. gleich ohne e, den gen. dat. aber mit oder (nach
ſ. 677. anm. 3.) ebenfalls ohne e bilden. Zuſ. ſetzungen
wie brünhilde -weinen, chriemhilde-man, adelheide-
barn, ſiglinde-kint zeigen den richtigen gen. — 4) fem.
ſchw. form: bërte, elſe, uote, helche etc. gen. bërten,
elſen und viele fremde namen; bildungen mit -el ſind
ſelten, vgl. giſele, guetel (alth. kiſila, kuotila) gen. gi-
ſelen, gueteln. — 5) bei fremden namen herrſcht einige
willkür. Theils wird die lat. flexion beibehalten, z. b.
Conrad v. W. ſetzt den nom. prîamus, acc. prîamum,
dat. prîamô (neben prîànt, prîànde, prîànden) pêleus,
pêleum, pêleô, (den acc. dat. prîamuſen, peleuſen,
prîamuſe, peleuſe finde ich nicht) desgl. den dat. hectorî
(: bî troj. 31b) oder den acc. f. helenam (: freiſam troj.
139a) neben der deutſchen form helênen; das lat. -us,
-ës fällt nach bequemlichkeít ab, z. b. neben bâchus,
achillës beſteht die form bâche (: ſprâche, râche) achille
(: wille) acc. achillen während achillës den acc. achillë-
ſen annimmt; ebenſo philippës, philippëſen oder phi-
lippe, philippen. Theils ſchwankt die quantität der vo-
cale, z. b. pollus reimt auf alſus troj. 174a; pollûs : hûs
troj. 152a 170c; pârîs: wîs troj. 32c, tantris: gewis Triſt.
56b welche bemerkung kaum hierher gehörte, wenn es
nicht ſchiene, daß der nom. mehr, die zutretende
flexion weniger den kurzen vocal dulde. Conr. hat die
nom. jônas, calcas: gras, was; ſchiron, agamemnon:
gedon; caſtor, neſtor: ſpor; hingegen den acc. jonâſen:
mâſen; ſchirônen, neſtôren. Manche namen führen in-
zwiſchen den langen voc. durch, z. b. pârîs, pârîſes,
pârîſe, pârîſen; artûs, artùſen; andere den kurzen, z. b.
die auf -ës, -ët, herculës, achillës, acc. herculëſen,
achillëſen (: gewëſen) gamurët, gamurëten (: erbëten).
Vieles ſcheint hierbei durch den reim geboten und ein-
geführt, z. b. da ſich kein deutſcher reim -âs findet,
muſte man die fremden -âs mit deutſchen -as binden,
die fremden -ât aber, weil es genug deutſche -ât gibt,
blieben lang, z. b. pilât, pilâten. Auf die kurzen -on,
-or paſt dieſe erklärung gleichwohl nicht, da ſich aller-
dings deutſche reime -ôn, -ôr darbieten. —

Im mittelniederl. finde ich zwar keinen adjectivi-
ſchen acc. ſtark. maſc., aber den acc. dem dativ gleich,
z. b. reinaert, îſengrîn, gen. reinaerts, îſengrîns; dat.
und acc. reinaerde, îſengrine, während die ſchwache
form beide caſus ſcheidet, z. b. brune, dat. brunen, acc.
brune. Jener ſtarke acc. auf -e iſt vielleicht aus einer

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[772/0798] II. declination der eigennamen. nom. gleich ohne e, den gen. dat. aber mit oder (nach ſ. 677. anm. 3.) ebenfalls ohne e bilden. Zuſ. ſetzungen wie brünhilde -weinen, chriemhilde-man, adelheide- barn, ſiglinde-kint zeigen den richtigen gen. — 4) fem. ſchw. form: bërte, elſe, uote, helche etc. gen. bërten, elſen und viele fremde namen; bildungen mit -el ſind ſelten, vgl. giſele, guetel (alth. kiſila, kuotila) gen. gi- ſelen, gueteln. — 5) bei fremden namen herrſcht einige willkür. Theils wird die lat. flexion beibehalten, z. b. Conrad v. W. ſetzt den nom. prîamus, acc. prîamum, dat. prîamô (neben prîànt, prîànde, prîànden) pêleus, pêleum, pêleô, (den acc. dat. prîamuſen, peleuſen, prîamuſe, peleuſe finde ich nicht) desgl. den dat. hectorî (: bî troj. 31b) oder den acc. f. helenam (: freiſam troj. 139a) neben der deutſchen form helênen; das lat. -us, -ës fällt nach bequemlichkeít ab, z. b. neben bâchus, achillës beſteht die form bâche (: ſprâche, râche) achille (: wille) acc. achillen während achillës den acc. achillë- ſen annimmt; ebenſo philippës, philippëſen oder phi- lippe, philippen. Theils ſchwankt die quantität der vo- cale, z. b. pollus reimt auf alſus troj. 174a; pollûs : hûs troj. 152a 170c; pârîs: wîs troj. 32c, tantris: gewis Triſt. 56b welche bemerkung kaum hierher gehörte, wenn es nicht ſchiene, daß der nom. mehr, die zutretende flexion weniger den kurzen vocal dulde. Conr. hat die nom. jônas, calcas: gras, was; ſchiron, agamemnon: gedon; caſtor, neſtor: ſpor; hingegen den acc. jonâſen: mâſen; ſchirônen, neſtôren. Manche namen führen in- zwiſchen den langen voc. durch, z. b. pârîs, pârîſes, pârîſe, pârîſen; artûs, artùſen; andere den kurzen, z. b. die auf -ës, -ët, herculës, achillës, acc. herculëſen, achillëſen (: gewëſen) gamurët, gamurëten (: erbëten). Vieles ſcheint hierbei durch den reim geboten und ein- geführt, z. b. da ſich kein deutſcher reim -âs findet, muſte man die fremden -âs mit deutſchen -as binden, die fremden -ât aber, weil es genug deutſche -ât gibt, blieben lang, z. b. pilât, pilâten. Auf die kurzen -on, -or paſt dieſe erklärung gleichwohl nicht, da ſich aller- dings deutſche reime -ôn, -ôr darbieten. — Im mittelniederl. finde ich zwar keinen adjectivi- ſchen acc. ſtark. maſc., aber den acc. dem dativ gleich, z. b. reinaert, îſengrîn, gen. reinaerts, îſengrîns; dat. und acc. reinaerde, îſengrine, während die ſchwache form beide caſus ſcheidet, z. b. brune, dat. brunen, acc. brune. Jener ſtarke acc. auf -e iſt vielleicht aus einer

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/798>, abgerufen am 22.11.2024.