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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. anomal. der gothischen conjugation.
leikan (placere) ga geigan (lucrari) veihan (sanctificare). --
11) liugan (nubere). -- 12) fijan (odisse) hat vor dem ai
noch ein i; praet. fijaida. --

Anm. schwankend steht bald hatan (odisse) bald hat-
jan Luc. 1, 71. 6, 27. Matth. 5, 44.); da einige praesens-
flexionen dieser conj. denen der starken gleichlauten, so
könnten thlaihan, bauan, welche nicht im praet. vor-
kommen, vielleicht stark gehen, praet. thaithlaih, baibau?

Anomalien der gothischen conjugation.

Sie gründen sich theils auf mischung verschiedener
wortstämme und ableitungen, theils auf anwendung star-
ker und schwacher flexion nebeneinander. Auxiliaria,
d. h. verba, welche sehr häufig gebraucht werden und
statt ihrer lebendigen bedeutung abstracte begriffe an-
nehmen, tragen gewöhnlich solche unregelmäßigkeiten
an sich.

1) das hülfswort esse besteht im goth. aus dreierlei stäm-
men a) praes. ind. sg. lautet: I. im, II. is, III. ist. --
b praes. ind. dl. I. siju II. sijuts (?), pl. I. sijum II. sijuth
III. sind; praes. conj. sg. I. sijau II. sijais III. sijai; pl.
I. sijaima II. sijaith III. sijaina. -- g) zum praet ind.
und conj. dienen die formen des zur zehnten conj.
hörenden visan (manere); folglich: vas, vast, vas;
pl. vesum, vesuth, vesun; conf. vesjau, veseis, vesi;
pl. veseima, veseith, veseina. Die praesentia dieses
verbums behalten ihren concreten sinn. --
2) zehn verba mangeln gänzlich der praesentialflexion,
verleihen aber der starken, ablautenden form ihres
praet. bedeutung des praesens und bilden dann für die
bedeutung des praet. eins nach schwacher form. Es
sind folgende: a) aus conj. VII. motan (khorein, ca-
pere) ogan (timere). b) aus conj. VIII. vitan (scire)
aigan (habere). g) aus X. magan (posse). d) aus XI.
skulan (debere) munan (meminisse) dauran (audere).
e) aus XII. kunnan (nosse) thaurban (egere); muthmaß-
lich gab es ein in den fragm. unvorhandenes dugan
(valere) nach conj. IX., unnan (favere) nach XII. und
noch andere. Da nicht nur die ablaute, sondern auch
die schwachen praet. einige unregelmäßigkeit zeigen,
setze ich alle im paradigma her:

H h h 2

II. anomal. der gothiſchen conjugation.
leikan (placere) ga geigan (lucrari) veihan (ſanctificare). —
11) liugan (nubere). — 12) fijan (odiſſe) hat vor dem ái
noch ein i; praet. fijáida. —

Anm. ſchwankend ſteht bald hatan (odiſſe) bald hat-
jan Luc. 1, 71. 6, 27. Matth. 5, 44.); da einige praeſens-
flexionen dieſer conj. denen der ſtarken gleichlauten, ſo
könnten þlaíhan, báuan, welche nicht im praet. vor-
kommen, vielleicht ſtark gehen, praet. þaiþlaíh, báibáu?

Anomalien der gothiſchen conjugation.

Sie gründen ſich theils auf miſchung verſchiedener
wortſtämme und ableitungen, theils auf anwendung ſtar-
ker und ſchwacher flexion nebeneinander. Auxiliaria,
d. h. verba, welche ſehr häufig gebraucht werden und
ſtatt ihrer lebendigen bedeutung abſtracte begriffe an-
nehmen, tragen gewöhnlich ſolche unregelmäßigkeiten
an ſich.

1) das hülfswort eſſe beſteht im goth. aus dreierlei ſtäm-
men α) praeſ. ind. ſg. lautet: I. ïm, II. ïs, III. ïſt. —
β praeſ. ind. dl. I. ſiju II. ſijuts (?), pl. I. ſijum II. ſijuþ
III. ſind; praeſ. conj. ſg. I. ſijáu II. ſijáis III. ſijái; pl.
I. ſijáima II. ſijáiþ III. ſijáina. — γ) zum praet ind.
und conj. dienen die formen des zur zehnten conj.
hörenden viſan (manere); folglich: vas, vaſt, vas;
pl. vêſum, vêſuþ, vêſun; conf. vêſjáu, vêſeis, vêſi;
pl. vêſeima, vêſeiþ, vêſeina. Die praeſentia dieſes
verbums behalten ihren concreten ſinn. —
2) zehn verba mangeln gänzlich der praeſentialflexion,
verleihen aber der ſtarken, ablautenden form ihres
praet. bedeutung des praeſens und bilden dann für die
bedeutung des praet. eins nach ſchwacher form. Es
ſind folgende: α) aus conj. VII. môtan (χωρεῖν, ca-
pere) ôgan (timere). β) aus conj. VIII. vitan (ſcire)
áigan (habere). γ) aus X. magan (poſſe). δ) aus XI.
ſkulan (debere) munan (meminiſſe) daúran (audere).
ε) aus XII. kunnan (noſſe) þaúrban (egere); muthmaß-
lich gab es ein in den fragm. unvorhandenes dugan
(valere) nach conj. IX., unnan (favere) nach XII. und
noch andere. Da nicht nur die ablaute, ſondern auch
die ſchwachen praet. einige unregelmäßigkeit zeigen,
ſetze ich alle im paradigma her:

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[851/0877] II. anomal. der gothiſchen conjugation. leikan (placere) ga geigan (lucrari) veihan (ſanctificare). — 11) liugan (nubere). — 12) fijan (odiſſe) hat vor dem ái noch ein i; praet. fijáida. — Anm. ſchwankend ſteht bald hatan (odiſſe) bald hat- jan Luc. 1, 71. 6, 27. Matth. 5, 44.); da einige praeſens- flexionen dieſer conj. denen der ſtarken gleichlauten, ſo könnten þlaíhan, báuan, welche nicht im praet. vor- kommen, vielleicht ſtark gehen, praet. þaiþlaíh, báibáu? Anomalien der gothiſchen conjugation. Sie gründen ſich theils auf miſchung verſchiedener wortſtämme und ableitungen, theils auf anwendung ſtar- ker und ſchwacher flexion nebeneinander. Auxiliaria, d. h. verba, welche ſehr häufig gebraucht werden und ſtatt ihrer lebendigen bedeutung abſtracte begriffe an- nehmen, tragen gewöhnlich ſolche unregelmäßigkeiten an ſich. 1) das hülfswort eſſe beſteht im goth. aus dreierlei ſtäm- men α) praeſ. ind. ſg. lautet: I. ïm, II. ïs, III. ïſt. — β praeſ. ind. dl. I. ſiju II. ſijuts (?), pl. I. ſijum II. ſijuþ III. ſind; praeſ. conj. ſg. I. ſijáu II. ſijáis III. ſijái; pl. I. ſijáima II. ſijáiþ III. ſijáina. — γ) zum praet ind. und conj. dienen die formen des zur zehnten conj. hörenden viſan (manere); folglich: vas, vaſt, vas; pl. vêſum, vêſuþ, vêſun; conf. vêſjáu, vêſeis, vêſi; pl. vêſeima, vêſeiþ, vêſeina. Die praeſentia dieſes verbums behalten ihren concreten ſinn. — 2) zehn verba mangeln gänzlich der praeſentialflexion, verleihen aber der ſtarken, ablautenden form ihres praet. bedeutung des praeſens und bilden dann für die bedeutung des praet. eins nach ſchwacher form. Es ſind folgende: α) aus conj. VII. môtan (χωρεῖν, ca- pere) ôgan (timere). β) aus conj. VIII. vitan (ſcire) áigan (habere). γ) aus X. magan (poſſe). δ) aus XI. ſkulan (debere) munan (meminiſſe) daúran (audere). ε) aus XII. kunnan (noſſe) þaúrban (egere); muthmaß- lich gab es ein in den fragm. unvorhandenes dugan (valere) nach conj. IX., unnan (favere) nach XII. und noch andere. Da nicht nur die ablaute, ſondern auch die ſchwachen praet. einige unregelmäßigkeit zeigen, ſetze ich alle im paradigma her: H h h 2

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 851. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/877>, abgerufen am 22.11.2024.