Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.III. consonantische ableitungen. N. wenn ich so sagen darf, substantivischer als andere ad-jective; daher sie auch die spätere sprache als etwas zu rohes gern fahren läßt und den begriff mit dem substan- tiv componiert, z. b. jenes mhd. vrouweine hende, vrou- weiniu schar drücken wir nhd. aus: frauen-hände, frauen- schar *). Doch alsdann, wann das -ein andere (unter b verzeichnete) beziehungen ausdrückt, fallen solche schranken weg, d. h. adverbium, comparation etc. sind verstattet, wie gleich das goth. sinteino (semper) lehrt und ein eweini (aeternitas) bei T. kann ich mir denken. -- [OON] -on, wird sich kaum als ableitung beweisen rade der mislaut schuld ist, da man von idoneus, tenuis, arduus etc. idoneior, tenuior, arduior findet); nhd. wagen wir freilich: der goldenste und: sich hölzern benehmen; aber ist es gut deutsch? *) die französ. sprache hat alle materiellen adj. aufgegeben und umschreibt: d'or, d'argent, de fer, de soie, de laine etc. Im grunde werden auch, wie mich Benecke lehrt, die angeführten engl. adj. heutzutag nicht mehr materiell, sondern nur figürlich gebraucht, brazen für unverschämt, silken für weich, lea- den, wooden für schwerfällig etc. Aus gleichem grunde sind nhd. viele dieser sinnlichen adj. ausgestorben, die noch mhd. bestanden. **) in der vorrede zu Wuks serb. gramm. p. II. habe ich sei- nen zus. hang mit dem slav. shupan (dominus, nobilis, junior) aufgestellt. [Bemerkenswerth der eigenname Siboni in Oestreich, vgl. morgenblatt 1818. nr. 3.] Otfried nennt Christi jünger thegana und das ahd. chneht bedeutet puer, minister, nobilis, miles. ***) allmählig wird freilich das o gekürzt worden sein, wie
aus dem nordruni doc. 244a zu schließen; T. 75, 5. sogar sundi- rinu (so die s. gall. hs.) australis, nom. sg. sem. für sundaronu. III. conſonantiſche ableitungen. N. wenn ich ſo ſagen darf, ſubſtantiviſcher als andere ad-jective; daher ſie auch die ſpätere ſprache als etwas zu rohes gern fahren läßt und den begriff mit dem ſubſtan- tiv componiert, z. b. jenes mhd. vrouwîne hende, vrou- wîniu ſchar drücken wir nhd. aus: frauen-hände, frauen- ſchâr *). Doch alsdann, wann das -în andere (unter β verzeichnete) beziehungen ausdrückt, fallen ſolche ſchranken weg, d. h. adverbium, comparation etc. ſind verſtattet, wie gleich das goth. ſinteinô (ſemper) lehrt und ein êwîni (aeternitas) bei T. kann ich mir denken. — [OON] -ôn, wird ſich kaum als ableitung beweiſen rade der mislaut ſchuld iſt, da man von idoneus, tenuis, arduus etc. idoneior, tenuior, arduior findet); nhd. wagen wir freilich: der goldenſte und: ſich hölzern benehmen; aber iſt es gut deutſch? *) die franzöſ. ſprache hat alle materiellen adj. aufgegeben und umſchreibt: d’or, d’argent, de fer, de ſoie, de laine etc. Im grunde werden auch, wie mich Benecke lehrt, die angeführten engl. adj. heutzutag nicht mehr materiell, ſondern nur figürlich gebraucht, brazen für unverſchämt, ſilken für weich, lea- den, wooden für ſchwerfällig etc. Aus gleichem grunde ſind nhd. viele dieſer ſinnlichen adj. ausgeſtorben, die noch mhd. beſtanden. **) in der vorrede zu Wuks ſerb. gramm. p. II. habe ich ſei- nen zuſ. hang mit dem ſlav. ſhupan (dominus, nobilis, junior) aufgeſtellt. [Bemerkenswerth der eigenname Siboni in Oeſtreich, vgl. morgenblatt 1818. nr. 3.] Otfried nennt Chriſti jünger thëganâ und das ahd. chnëht bedeutet puer, miniſter, nobilis, miles. ***) allmählig wird freilich das ô gekürzt worden ſein, wie
aus dem nordruni doc. 244a zu ſchließen; T. 75, 5. ſogar ſundi- rinu (ſo die ſ. gall. hſ.) auſtralis, nom. ſg. ſem. für ſundarônu. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0198" n="180"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">conſonantiſche ableitungen. N.</hi></hi></fw><lb/> wenn ich ſo ſagen darf, ſubſtantiviſcher als andere ad-<lb/> jective; daher ſie auch die ſpätere ſprache als etwas zu<lb/> rohes gern fahren läßt und den begriff mit dem ſubſtan-<lb/> tiv componiert, z. b. jenes mhd. vrouwîne hende, vrou-<lb/> wîniu ſchar drücken wir nhd. aus: frauen-hände, frauen-<lb/> ſchâr <note place="foot" n="*)">die franzöſ. ſprache hat alle materiellen adj. aufgegeben<lb/> und umſchreibt: d’or, d’argent, de fer, de ſoie, de laine etc. Im<lb/> grunde werden auch, wie mich Benecke lehrt, die angeführten<lb/> engl. adj. heutzutag nicht mehr materiell, ſondern nur figürlich<lb/> gebraucht, brazen für unverſchämt, ſilken für weich, lea-<lb/> den, wooden für ſchwerfällig etc. Aus gleichem grunde ſind nhd.<lb/> viele dieſer ſinnlichen adj. ausgeſtorben, die noch mhd. beſtanden.</note>. Doch alsdann, wann das -în andere (unter<lb/><hi rendition="#i">β</hi> verzeichnete) beziehungen ausdrückt, fallen ſolche<lb/> ſchranken weg, d. h. adverbium, comparation etc. ſind<lb/> verſtattet, wie gleich das goth. ſinteinô (ſemper) lehrt<lb/> und ein êwîni (aeternitas) bei T. kann ich mir denken. —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>[OON] -ôn, wird ſich kaum als ableitung beweiſen<lb/> laßen. In betracht kommen die goth. ſubſt. ſip-ôneis<lb/> (diſcipulus) und láuhm-ôni. Jenes, ſamt dem daraus ent-<lb/> ſprungenen verbo ſip-ônjan, ſteht im cod. arg. zu häufig,<lb/> und wird nie mit kurzem u geſchrieben, als daß ſich die<lb/> länge des vocals bezweifeln ließe. Eher zweifelhaft iſt<lb/> mir die deutſchheit des worts<note place="foot" n="**)">in der vorrede zu Wuks ſerb. gramm. p. II. habe ich ſei-<lb/> nen zuſ. hang mit dem ſlav. ſhupan (dominus, nobilis, junior)<lb/> aufgeſtellt. [Bemerkenswerth der eigenname Siboni in Oeſtreich,<lb/> vgl. morgenblatt 1818. nr. 3.] Otfried nennt Chriſti jünger thëganâ<lb/> und das ahd. chnëht bedeutet puer, miniſter, nobilis, miles.</note>. In láuhmoni hingegen<lb/> ſcheint das o allerdings für kurzes u geſetzt, ſ. vorhin<lb/> ſ. 175. — Ahd. nehmen die adj. zur bezeichnung der<lb/> weltgegenden ein <hi rendition="#i">-ôni</hi> in anſpruch, wobei das ô, wie in<lb/> den flexionen -ô, ôn, einem älteren (gothiſchen) ô treu-<lb/> geblieben, d. h. nicht in ahd. uo übergetreten ſein mag <note place="foot" n="***)">allmählig wird freilich das ô gekürzt worden ſein, wie<lb/> aus dem nordruni doc. 244<hi rendition="#sup">a</hi> zu ſchließen; T. 75, 5. ſogar ſundi-<lb/> rinu (ſo die ſ. gall. hſ.) auſtralis, nom. ſg. ſem. für ſundarônu.</note>.<lb/> Die namen ſind bei Eginhard (vita Caroli cap. 29.) er-<lb/> halten: ôſtr-ôni (orientalis); wëſtr-ôni (occidentalis); ſundr-<lb/> ôni (auſtralis); nordr-ôni (borealis) und dann die compo-<lb/><note xml:id="note-0198" prev="#note-0197" place="foot" n="*)">rade der mislaut ſchuld iſt, da man von idoneus, tenuis, arduus etc.<lb/> idoneior, tenuior, arduior findet); nhd. wagen wir freilich: der<lb/><hi rendition="#i">goldenſte</hi> und: ſich <hi rendition="#i">hölzern</hi> benehmen; aber iſt es gut deutſch?</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [180/0198]
III. conſonantiſche ableitungen. N.
wenn ich ſo ſagen darf, ſubſtantiviſcher als andere ad-
jective; daher ſie auch die ſpätere ſprache als etwas zu
rohes gern fahren läßt und den begriff mit dem ſubſtan-
tiv componiert, z. b. jenes mhd. vrouwîne hende, vrou-
wîniu ſchar drücken wir nhd. aus: frauen-hände, frauen-
ſchâr *). Doch alsdann, wann das -în andere (unter
β verzeichnete) beziehungen ausdrückt, fallen ſolche
ſchranken weg, d. h. adverbium, comparation etc. ſind
verſtattet, wie gleich das goth. ſinteinô (ſemper) lehrt
und ein êwîni (aeternitas) bei T. kann ich mir denken. —
[OON] -ôn, wird ſich kaum als ableitung beweiſen
laßen. In betracht kommen die goth. ſubſt. ſip-ôneis
(diſcipulus) und láuhm-ôni. Jenes, ſamt dem daraus ent-
ſprungenen verbo ſip-ônjan, ſteht im cod. arg. zu häufig,
und wird nie mit kurzem u geſchrieben, als daß ſich die
länge des vocals bezweifeln ließe. Eher zweifelhaft iſt
mir die deutſchheit des worts **). In láuhmoni hingegen
ſcheint das o allerdings für kurzes u geſetzt, ſ. vorhin
ſ. 175. — Ahd. nehmen die adj. zur bezeichnung der
weltgegenden ein -ôni in anſpruch, wobei das ô, wie in
den flexionen -ô, ôn, einem älteren (gothiſchen) ô treu-
geblieben, d. h. nicht in ahd. uo übergetreten ſein mag ***).
Die namen ſind bei Eginhard (vita Caroli cap. 29.) er-
halten: ôſtr-ôni (orientalis); wëſtr-ôni (occidentalis); ſundr-
ôni (auſtralis); nordr-ôni (borealis) und dann die compo-
*)
*) die franzöſ. ſprache hat alle materiellen adj. aufgegeben
und umſchreibt: d’or, d’argent, de fer, de ſoie, de laine etc. Im
grunde werden auch, wie mich Benecke lehrt, die angeführten
engl. adj. heutzutag nicht mehr materiell, ſondern nur figürlich
gebraucht, brazen für unverſchämt, ſilken für weich, lea-
den, wooden für ſchwerfällig etc. Aus gleichem grunde ſind nhd.
viele dieſer ſinnlichen adj. ausgeſtorben, die noch mhd. beſtanden.
**) in der vorrede zu Wuks ſerb. gramm. p. II. habe ich ſei-
nen zuſ. hang mit dem ſlav. ſhupan (dominus, nobilis, junior)
aufgeſtellt. [Bemerkenswerth der eigenname Siboni in Oeſtreich,
vgl. morgenblatt 1818. nr. 3.] Otfried nennt Chriſti jünger thëganâ
und das ahd. chnëht bedeutet puer, miniſter, nobilis, miles.
***) allmählig wird freilich das ô gekürzt worden ſein, wie
aus dem nordruni doc. 244a zu ſchließen; T. 75, 5. ſogar ſundi-
rinu (ſo die ſ. gall. hſ.) auſtralis, nom. ſg. ſem. für ſundarônu.
*) rade der mislaut ſchuld iſt, da man von idoneus, tenuis, arduus etc.
idoneior, tenuior, arduior findet); nhd. wagen wir freilich: der
goldenſte und: ſich hölzern benehmen; aber iſt es gut deutſch?
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