Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

III. consonantische ableitungen. NN.
anomale beugung dieser fem. bei N. (1, 631. b.) der dem
nom. gut-en, gut-in (dea) den gen. gut-enno, pl. gut-
enna gibt, folglich noch keinen, bei andern schon hin-
gehenden nom. acc. sg. gut-enna zuläßt. Und selbst
manche der vorhin zur sorm -unna, -inna beigebrach-
ten belege zeugen gar nicht ausdrücklich für diesen ca-
sus, sondern stehen im gen. dat. sg. oder im pl. Ihr
nom. sg. könnte einfaches -un, -in haben, wirklich ist T.
116. neben jenem gen. asilinna der acc. esilin; O. V. 25,
30. dei nom. drautin; T. 57, 5. cuningin; O. I. 16, 5. fo-
rasagin; IV. 4, 18, esilin; W. 19, 15. 2, 14. friuntin; der
acc. sg. wuostinna aber T. 15, 1. 64, 4. O. I. 23, 6. zu
lesen. -- Auch im mhd. darf der declination ein feinerer
unterschied zwischen beiden formen -ein und -inne noch
nicht ganz genommen werden. Die dichter ziehen er-
stere für den nom. sg., letztere für die obliquen casus
vor, wenn nicht (wie freilich oft geschieht) reim oder
metrum das gegentheil rathen; da wo es diese erlauben
find fehler der abschriften nach der regel zu beßern.
Vgl. die nom. sg. gestein Parc. 128a wirtein Parc. 89c hei-
denein Parc. 79a Wig. 285. künegein Parc. 24b und die gen.
vriundinne, waleisinne Parc. 19c maulinne Parc. 132b kü-
neginne Parc. 21b, dat. viendinne Jw. 11a plur. graevinne
klage 3270. Häufig ist aber auch der nom. -inne: wülv-
inne (lupa) Gudr. 53a 54b 62b (denn wulpinne ist nicht
mhd.) heideninne, götinne, meistrinne MS. 1, 148b Parc.
89b 178b gebietaerinne, vuegaerinne, küneginne MS. 1,
101 117a 119a. b. viuraerinne Trist. 928. oder der acc.
klosnaerinne Parc. 105b, so wie umgedreht der gen. dat.
sg. künegein Parc. 25c 28c. Uebrigens gibt es solcher bil-
dungen auf -in (-in) -inne im hd. eine unzahl, da sie von
vielen masc., hauptsächlich von allen auf -aere (s. 129.)
moviert werden können: sündaer-inne (peccatrix) unkiu-
schaer-inne (scortum) grundr. 269. untrostaer-inne MS. 2,
19b, weschaer-inne (lotrix), selbst von eigennamen, z. b.
nampotenisinne Vreib. 6090. -- Nhd. haben sich beide for-
men so getheilt und verschmolzen, daß -inne aus dem
sg., -in aus dem pl. verbannt ist, der plur. aber (nach
1, 701. anm. 1.) schwach geht: könig-in, pl. könig-innen;
füchs-in, füchs-innen; bewältiger-in, bewältiger-innen.
Die menge dieser fem. ist fast so unbeschränkt, wie im
mhd. Wenn sie aus masc. auf -erer geleitet werden,
fällt ein -er weg, z. b. zauberin, nicht zaubererin. Eine
frage wäre: ob die nhd. in-form aus der mhd. übrig
geblieben, oder verkürzung der inne-form ist (wie man

III. conſonantiſche ableitungen. NN.
anomale beugung dieſer fem. bei N. (1, 631. β.) der dem
nom. gut-ën, gut-in (dea) den gen. gut-ënnô, pl. gut-
ënnâ gibt, folglich noch keinen, bei andern ſchon hin-
gehenden nom. acc. ſg. gut-ënna zuläßt. Und ſelbſt
manche der vorhin zur ſorm -unna, -inna beigebrach-
ten belege zeugen gar nicht ausdrücklich für dieſen ca-
ſus, ſondern ſtehen im gen. dat. ſg. oder im pl. Ihr
nom. ſg. könnte einfaches -un, -in haben, wirklich iſt T.
116. neben jenem gen. aſilinnâ der acc. eſilin; O. V. 25,
30. dei nom. drûtin; T. 57, 5. cuningin; O. I. 16, 5. fo-
raſagin; IV. 4, 18, eſilin; W. 19, 15. 2, 14. friuntin; der
acc. ſg. wuoſtinna aber T. 15, 1. 64, 4. O. I. 23, 6. zu
leſen. — Auch im mhd. darf der declination ein feinerer
unterſchied zwiſchen beiden formen -în und -inne noch
nicht ganz genommen werden. Die dichter ziehen er-
ſtere für den nom. ſg., letztere für die obliquen caſus
vor, wenn nicht (wie freilich oft geſchieht) reim oder
metrum das gegentheil rathen; da wo es dieſe erlauben
find fehler der abſchriften nach der regel zu beßern.
Vgl. die nom. ſg. geſtîn Parc. 128a wirtîn Parc. 89c hei-
denîn Parc. 79a Wig. 285. künegîn Parc. 24b und die gen.
vriundinne, wâleiſinne Parc. 19c mûlinne Parc. 132b kü-
neginne Parc. 21b, dat. viendinne Jw. 11a plur. grævinne
klage 3270. Häufig iſt aber auch der nom. -inne: wülv-
inne (lupa) Gudr. 53a 54b 62b (denn wulpinne iſt nicht
mhd.) heideninne, götinne, meiſtrinne MS. 1, 148b Parc.
89b 178b gebietærinne, vuegærinne, küneginne MS. 1,
101 117a 119a. b. viurærinne Triſt. 928. oder der acc.
kloſnærinne Parc. 105b, ſo wie umgedreht der gen. dat.
ſg. künegîn Parc. 25c 28c. Uebrigens gibt es ſolcher bil-
dungen auf -in (-in) -inne im hd. eine unzahl, da ſie von
vielen maſc., hauptſächlich von allen auf -ære (ſ. 129.)
moviert werden können: ſündær-inne (peccatrix) unkiu-
ſchær-inne (ſcortum) grundr. 269. untrôſtær-inne MS. 2,
19b, weſchær-inne (lotrix), ſelbſt von eigennamen, z. b.
nampoteniſinne Vrîb. 6090. — Nhd. haben ſich beide for-
men ſo getheilt und verſchmolzen, daß -inne aus dem
ſg., -in aus dem pl. verbannt iſt, der plur. aber (nach
1, 701. anm. 1.) ſchwach geht: könig-in, pl. könig-innen;
füchſ-in, füchſ-innen; bewältiger-in, bewältiger-innen.
Die menge dieſer fem. iſt faſt ſo unbeſchränkt, wie im
mhd. Wenn ſie aus maſc. auf -erer geleitet werden,
fällt ein -er weg, z. b. zauberin, nicht zaubererin. Eine
frage wäre: ob die nhd. in-form aus der mhd. übrig
geblieben, oder verkürzung der inne-form iſt (wie man

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0338" n="320"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">con&#x017F;onanti&#x017F;che ableitungen. NN.</hi></hi></fw><lb/>
anomale beugung die&#x017F;er fem. bei N. (1, 631. <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>.) der dem<lb/>
nom. gut-ën, gut-in (dea) den gen. gut-ënnô, pl. gut-<lb/>
ënnâ gibt, folglich noch keinen, bei andern &#x017F;chon hin-<lb/>
gehenden nom. acc. &#x017F;g. gut-ënna zuläßt. Und &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
manche der vorhin zur &#x017F;orm -unna, -inna beigebrach-<lb/>
ten belege zeugen gar nicht ausdrücklich für die&#x017F;en ca-<lb/>
&#x017F;us, &#x017F;ondern &#x017F;tehen im gen. dat. &#x017F;g. oder im pl. Ihr<lb/>
nom. &#x017F;g. <hi rendition="#i">könnte</hi> einfaches -un, -in haben, wirklich i&#x017F;t T.<lb/>
116. neben jenem gen. a&#x017F;ilinnâ der acc. e&#x017F;ilin; O. V. 25,<lb/>
30. dei nom. drûtin; T. 57, 5. cuningin; O. I. 16, 5. fo-<lb/>
ra&#x017F;agin; IV. 4, 18, e&#x017F;ilin; W. 19, 15. 2, 14. friuntin; der<lb/>
acc. &#x017F;g. wuo&#x017F;tinna aber T. 15, 1. 64, 4. O. I. 23, 6. zu<lb/>
le&#x017F;en. &#x2014; Auch im mhd. darf der declination ein feinerer<lb/>
unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen beiden formen <hi rendition="#i">-în</hi> und <hi rendition="#i">-inne</hi> noch<lb/>
nicht ganz genommen werden. Die dichter ziehen er-<lb/>
&#x017F;tere für den nom. &#x017F;g., letztere für die obliquen ca&#x017F;us<lb/>
vor, wenn nicht (wie freilich oft ge&#x017F;chieht) reim oder<lb/>
metrum das gegentheil rathen; da wo es die&#x017F;e erlauben<lb/>
find fehler der ab&#x017F;chriften nach der regel zu beßern.<lb/>
Vgl. die nom. &#x017F;g. ge&#x017F;tîn Parc. 128<hi rendition="#sup">a</hi> wirtîn Parc. 89<hi rendition="#sup">c</hi> hei-<lb/>
denîn Parc. 79<hi rendition="#sup">a</hi> Wig. 285. künegîn Parc. 24<hi rendition="#sup">b</hi> und die gen.<lb/>
vriundinne, wâlei&#x017F;inne Parc. 19<hi rendition="#sup">c</hi> mûlinne Parc. 132<hi rendition="#sup">b</hi> kü-<lb/>
neginne Parc. 21<hi rendition="#sup">b</hi>, dat. viendinne Jw. 11<hi rendition="#sup">a</hi> plur. grævinne<lb/>
klage 3270. Häufig i&#x017F;t aber auch der nom. -inne: wülv-<lb/>
inne (lupa) Gudr. 53<hi rendition="#sup">a</hi> 54<hi rendition="#sup">b</hi> 62<hi rendition="#sup">b</hi> (denn wulpinne i&#x017F;t nicht<lb/>
mhd.) heideninne, götinne, mei&#x017F;trinne MS. 1, 148<hi rendition="#sup">b</hi> Parc.<lb/>
89<hi rendition="#sup">b</hi> 178<hi rendition="#sup">b</hi> gebietærinne, vuegærinne, küneginne MS. 1,<lb/>
101 117<hi rendition="#sup">a</hi> 119<hi rendition="#sup">a. b.</hi> viurærinne Tri&#x017F;t. 928. oder der acc.<lb/>
klo&#x017F;nærinne Parc. 105<hi rendition="#sup">b</hi>, &#x017F;o wie umgedreht der gen. dat.<lb/>
&#x017F;g. künegîn Parc. 25<hi rendition="#sup">c</hi> 28<hi rendition="#sup">c</hi>. Uebrigens gibt es &#x017F;olcher bil-<lb/>
dungen auf <hi rendition="#i">-in</hi> (-in) <hi rendition="#i">-inne</hi> im hd. eine unzahl, da &#x017F;ie von<lb/>
vielen ma&#x017F;c., haupt&#x017F;ächlich von allen auf -ære (&#x017F;. 129.)<lb/>
moviert werden können: &#x017F;ündær-inne (peccatrix) unkiu-<lb/>
&#x017F;chær-inne (&#x017F;cortum) grundr. 269. untrô&#x017F;tær-inne MS. 2,<lb/>
19<hi rendition="#sup">b</hi>, we&#x017F;chær-inne (lotrix), &#x017F;elb&#x017F;t von eigennamen, z. b.<lb/>
nampoteni&#x017F;inne Vrîb. 6090. &#x2014; Nhd. haben &#x017F;ich beide for-<lb/>
men &#x017F;o getheilt und ver&#x017F;chmolzen, daß <hi rendition="#i">-inne</hi> aus dem<lb/>
&#x017F;g., <hi rendition="#i">-in</hi> aus dem pl. verbannt i&#x017F;t, der plur. aber (nach<lb/>
1, 701. anm. 1.) &#x017F;chwach geht: könig-in, pl. könig-innen;<lb/>
füch&#x017F;-in, füch&#x017F;-innen; bewältiger-in, bewältiger-innen.<lb/>
Die menge die&#x017F;er fem. i&#x017F;t fa&#x017F;t &#x017F;o unbe&#x017F;chränkt, wie im<lb/>
mhd. Wenn &#x017F;ie aus ma&#x017F;c. auf -erer geleitet werden,<lb/>
fällt ein -er weg, z. b. zauberin, nicht zaubererin. Eine<lb/>
frage wäre: ob die nhd. in-form aus der mhd. übrig<lb/>
geblieben, oder verkürzung der inne-form i&#x017F;t (wie man<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0338] III. conſonantiſche ableitungen. NN. anomale beugung dieſer fem. bei N. (1, 631. β.) der dem nom. gut-ën, gut-in (dea) den gen. gut-ënnô, pl. gut- ënnâ gibt, folglich noch keinen, bei andern ſchon hin- gehenden nom. acc. ſg. gut-ënna zuläßt. Und ſelbſt manche der vorhin zur ſorm -unna, -inna beigebrach- ten belege zeugen gar nicht ausdrücklich für dieſen ca- ſus, ſondern ſtehen im gen. dat. ſg. oder im pl. Ihr nom. ſg. könnte einfaches -un, -in haben, wirklich iſt T. 116. neben jenem gen. aſilinnâ der acc. eſilin; O. V. 25, 30. dei nom. drûtin; T. 57, 5. cuningin; O. I. 16, 5. fo- raſagin; IV. 4, 18, eſilin; W. 19, 15. 2, 14. friuntin; der acc. ſg. wuoſtinna aber T. 15, 1. 64, 4. O. I. 23, 6. zu leſen. — Auch im mhd. darf der declination ein feinerer unterſchied zwiſchen beiden formen -în und -inne noch nicht ganz genommen werden. Die dichter ziehen er- ſtere für den nom. ſg., letztere für die obliquen caſus vor, wenn nicht (wie freilich oft geſchieht) reim oder metrum das gegentheil rathen; da wo es dieſe erlauben find fehler der abſchriften nach der regel zu beßern. Vgl. die nom. ſg. geſtîn Parc. 128a wirtîn Parc. 89c hei- denîn Parc. 79a Wig. 285. künegîn Parc. 24b und die gen. vriundinne, wâleiſinne Parc. 19c mûlinne Parc. 132b kü- neginne Parc. 21b, dat. viendinne Jw. 11a plur. grævinne klage 3270. Häufig iſt aber auch der nom. -inne: wülv- inne (lupa) Gudr. 53a 54b 62b (denn wulpinne iſt nicht mhd.) heideninne, götinne, meiſtrinne MS. 1, 148b Parc. 89b 178b gebietærinne, vuegærinne, küneginne MS. 1, 101 117a 119a. b. viurærinne Triſt. 928. oder der acc. kloſnærinne Parc. 105b, ſo wie umgedreht der gen. dat. ſg. künegîn Parc. 25c 28c. Uebrigens gibt es ſolcher bil- dungen auf -in (-in) -inne im hd. eine unzahl, da ſie von vielen maſc., hauptſächlich von allen auf -ære (ſ. 129.) moviert werden können: ſündær-inne (peccatrix) unkiu- ſchær-inne (ſcortum) grundr. 269. untrôſtær-inne MS. 2, 19b, weſchær-inne (lotrix), ſelbſt von eigennamen, z. b. nampoteniſinne Vrîb. 6090. — Nhd. haben ſich beide for- men ſo getheilt und verſchmolzen, daß -inne aus dem ſg., -in aus dem pl. verbannt iſt, der plur. aber (nach 1, 701. anm. 1.) ſchwach geht: könig-in, pl. könig-innen; füchſ-in, füchſ-innen; bewältiger-in, bewältiger-innen. Die menge dieſer fem. iſt faſt ſo unbeſchränkt, wie im mhd. Wenn ſie aus maſc. auf -erer geleitet werden, fällt ein -er weg, z. b. zauberin, nicht zaubererin. Eine frage wäre: ob die nhd. in-form aus der mhd. übrig geblieben, oder verkürzung der inne-form iſt (wie man

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/338
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/338>, abgerufen am 22.11.2024.