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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. subst. eigentl. comp. -- subst. mit subst.
abgesehen von solchen, die ganz verdunkelt worden
sind.

I. präpositionenverhältnisse. Sehr viele, wo nicht die
meisten substantivzusammensetzungen werden erklärt, wenn
man sich eine praeposition zu dem ersten worte und dieses
in dem davon abhängigen casus denkt. Da nun ursprüng-
lich die präpositionen räumliche begriffe enthalten, kann
man auch sagen, daß das erste wort den raum bestimmt,
der dem zweiten zusteht, berg-schloß ist ein auf dem
berge, luft-schloß ein in der luft erbautes. Das verbum
mag, wie in den gegebnen beispielen, hinzugedacht wer-
den, oder in der verbalen natur des zweiten wortes be-
gründet sein, z. b. berg-sprung, luft-sprung, ein sprung
vom berge und in der luft. Es können aber auch, wie
die präposition selbst auf andere zustände, causal- und zeit-
verhältnisse angewendet wird, composita im sinne dieser
anwendungen stattfinden, z. b. geld-noth ist noth an gelde,
hand-arbeit die mit der hand gemachte, morgen-stern der
am morgen aufgehende. Weiter bemerke ich im allge-
meinen folgendes. Die hauptpraepositionen zerfallen in
zwei einander entgegengesetzte reihen, deren eine ich die
positive nennen will, die andre die negative. Jene drückt
für das verhältnis das bezeichnet werden soll, nähe oder
näherung, diese ferne oder entfernung aus. Nun ist es
einleuchtend, weil die composition eine verbindung und
nicht trennung zweier begriffe enthält, daß sie vorzüg-
lich durch die positiven praepositionen der nähe, selten
durch die der näherung, noch seltner durch die der ent-
fernung, nie durch die der wirklichen ferne erklärt wer-
den könne. Aus diesem grund greifen die praepositio-
nen aus, ab, von, (insofern sie die bereits vollendete
trennung anzeigen) und ohne (welches nur gänzliche ent-
äußerung bedeutet) nicht in den kreis unsrer untersu-
chung. Uebrigens versteht es sich, daß durch die auflö-
sung in praepositionenverhältnisse nur der begriff einer
reihe von zusammensetzungen erörtert werden soll, nicht
daß sie grade dieser auflösung völlig entsprechen, und
überall damit verwechselt werden dürfen. Was hier
sonst noch zu erläutern ist, kann erst am schluße bespro-
chen werden.

1) [ruhiges in]

a) raumverhältnis. goth. heiva-frauja (oikodespotes)
Marc. 14, 14; grundu-vaddjus (fundamentum). -- ahd.
chamar-ginoß (cubicularius) mons. 359. chamar-sidilo (sa-

III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
abgeſehen von ſolchen, die ganz verdunkelt worden
ſind.

I. präpoſitionenverhältniſſe. Sehr viele, wo nicht die
meiſten ſubſtantivzuſammenſetzungen werden erklärt, wenn
man ſich eine praepoſition zu dem erſten worte und dieſes
in dem davon abhängigen caſus denkt. Da nun urſprüng-
lich die präpoſitionen räumliche begriffe enthalten, kann
man auch ſagen, daß das erſte wort den raum beſtimmt,
der dem zweiten zuſteht, berg-ſchloß iſt ein auf dem
berge, luft-ſchloß ein in der luft erbautes. Das verbum
mag, wie in den gegebnen beiſpielen, hinzugedacht wer-
den, oder in der verbalen natur des zweiten wortes be-
gründet ſein, z. b. berg-ſprung, luft-ſprung, ein ſprung
vom berge und in der luft. Es können aber auch, wie
die präpoſition ſelbſt auf andere zuſtände, cauſal- und zeit-
verhältniſſe angewendet wird, compoſita im ſinne dieſer
anwendungen ſtattfinden, z. b. geld-noth iſt noth an gelde,
hand-arbeit die mit der hand gemachte, morgen-ſtern der
am morgen aufgehende. Weiter bemerke ich im allge-
meinen folgendes. Die hauptpraepoſitionen zerfallen in
zwei einander entgegengeſetzte reihen, deren eine ich die
poſitive nennen will, die andre die negative. Jene drückt
für das verhältnis das bezeichnet werden ſoll, nähe oder
näherung, dieſe ferne oder entfernung aus. Nun iſt es
einleuchtend, weil die compoſition eine verbindung und
nicht trennung zweier begriffe enthält, daß ſie vorzüg-
lich durch die poſitiven praepoſitionen der nähe, ſelten
durch die der näherung, noch ſeltner durch die der ent-
fernung, nie durch die der wirklichen ferne erklärt wer-
den könne. Aus dieſem grund greifen die praepoſitio-
nen aus, ab, von, (inſofern ſie die bereits vollendete
trennung anzeigen) und ohne (welches nur gänzliche ent-
äußerung bedeutet) nicht in den kreis unſrer unterſu-
chung. Uebrigens verſteht es ſich, daß durch die auflö-
ſung in praepoſitionenverhältniſſe nur der begriff einer
reihe von zuſammenſetzungen erörtert werden ſoll, nicht
daß ſie grade dieſer auflöſung völlig entſprechen, und
überall damit verwechſelt werden dürfen. Was hier
ſonſt noch zu erläutern iſt, kann erſt am ſchluße beſpro-
chen werden.

1) [ruhiges in]

α) raumverhältnis. goth. heiva-frauja (οἰκοδεσπότης)
Marc. 14, 14; grundu-vaddjus (fundamentum). — ahd.
chamar-ginôƷ (cubicularius) monſ. 359. chamar-ſidilo (ſa-

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[427/0445] III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt. abgeſehen von ſolchen, die ganz verdunkelt worden ſind. I. präpoſitionenverhältniſſe. Sehr viele, wo nicht die meiſten ſubſtantivzuſammenſetzungen werden erklärt, wenn man ſich eine praepoſition zu dem erſten worte und dieſes in dem davon abhängigen caſus denkt. Da nun urſprüng- lich die präpoſitionen räumliche begriffe enthalten, kann man auch ſagen, daß das erſte wort den raum beſtimmt, der dem zweiten zuſteht, berg-ſchloß iſt ein auf dem berge, luft-ſchloß ein in der luft erbautes. Das verbum mag, wie in den gegebnen beiſpielen, hinzugedacht wer- den, oder in der verbalen natur des zweiten wortes be- gründet ſein, z. b. berg-ſprung, luft-ſprung, ein ſprung vom berge und in der luft. Es können aber auch, wie die präpoſition ſelbſt auf andere zuſtände, cauſal- und zeit- verhältniſſe angewendet wird, compoſita im ſinne dieſer anwendungen ſtattfinden, z. b. geld-noth iſt noth an gelde, hand-arbeit die mit der hand gemachte, morgen-ſtern der am morgen aufgehende. Weiter bemerke ich im allge- meinen folgendes. Die hauptpraepoſitionen zerfallen in zwei einander entgegengeſetzte reihen, deren eine ich die poſitive nennen will, die andre die negative. Jene drückt für das verhältnis das bezeichnet werden ſoll, nähe oder näherung, dieſe ferne oder entfernung aus. Nun iſt es einleuchtend, weil die compoſition eine verbindung und nicht trennung zweier begriffe enthält, daß ſie vorzüg- lich durch die poſitiven praepoſitionen der nähe, ſelten durch die der näherung, noch ſeltner durch die der ent- fernung, nie durch die der wirklichen ferne erklärt wer- den könne. Aus dieſem grund greifen die praepoſitio- nen aus, ab, von, (inſofern ſie die bereits vollendete trennung anzeigen) und ohne (welches nur gänzliche ent- äußerung bedeutet) nicht in den kreis unſrer unterſu- chung. Uebrigens verſteht es ſich, daß durch die auflö- ſung in praepoſitionenverhältniſſe nur der begriff einer reihe von zuſammenſetzungen erörtert werden ſoll, nicht daß ſie grade dieſer auflöſung völlig entſprechen, und überall damit verwechſelt werden dürfen. Was hier ſonſt noch zu erläutern iſt, kann erſt am ſchluße beſpro- chen werden. 1) [ruhiges in] α) raumverhältnis. goth. heiva-frauja (οἰκοδεσπότης) Marc. 14, 14; grundu-vaddjus (fundamentum). — ahd. chamar-ginôƷ (cubicularius) monſ. 359. chamar-ſidilo (ſa-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/445>, abgerufen am 22.11.2024.